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Ausgabe:

1915

Spalte:

367-368

Autor/Hrsg.:

Greßmann, Hugo

Titel/Untertitel:

Das Weihnachtsevangelium auf Ursprung und Geschichte untersucht 1915

Rezensent:

Meyer, Arnold

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auf die altfyrifche Überfetzung in weitem Umfang nach-
gewiefen zu haben. Aber damit hat fie noch nicht er-
wiefen, daß wir nun fofort den Text des Diateffarons aus
jeder harmonifierenden Lesart gewinnen können. Es muß
immer wieder vor einer zu vertrauensfeligen Benutzung
des arabifchen Tatian, der auch v. Soden zum Opfer gefallen
ift, gewarnt werden. Was wir dringend nötig haben,
ifl eine Sammlung der Bruchftücke, die Afrahat und
Ephram erhalten haben. Erft dann läßt fich über die
Form des Diateffarons bei den Syrern etwas fagen. Über
die ältere Form ift auch damit noch nichts ausgemacht;
aber ich glaube, es ift dann doch ein gutes Stück weiter
zu kommen und vielleicht eine Richtlinie zu gewinnen,
mit der man eine Rekonftruktion wenigftens für einzelne
Stücke verfuchen könnte. Dann wird aber auch eine
andere Frage der Löfung entgegengeführt werden können,
ob wirklich die Eigentümlichkeiten des fog. Weftern-Text
aus Tatian erklärt werden dürfen. Man vergißt bei der
Betrachtung des Diateffarons nur zu leicht die Tatfache,
daß Tatian doch eine beftimmte Textform der getrennten
Evangelien vorgefunden hat, die er bei feiner Harmonie
bevorzugte und ihr zu Grunde legte. Daher braucht
ein Text, den Tatian bietet, nicht tatianifch zu fein,
fondern er kann eben aus jener Periode der Textge-
fchichte flammen, wie z. B. bei der oben befprochenen
Stelle Mt. 7,4 das vnöxenai fchwerlich von Tatian eingefügt
ift. Hier ifl alfo noch fehr viel fichtende und vergleichende
Arbeit zu leiften. Aber ohne den Mut, derartig
mühfelige Unterfuchungen durchzuführen, wie ihn
V. befitzt, ifl hier überhaupt kein Ergebnis zu erzielen.

Die paar Seiten, die Frau Lewis der Arbeit Vogels
gewidmet hat, beweifen, daß fie von den Problemen, um
die es fich hier handelt, keine Ahnung hat, auch ihre
Tragweite nicht zu erfaffen vermag. Für fie dreht fich,
wie fie am Schluffe treuherzig verfichert, alles um die
Frage, ob die Lesarten der altfyrifchen Überfetzung ,ur-
fprünglich und echt' find. Das ift auch für uns die Hauptfache
. Nur möchten wir einen Weg ausfindig machen,
auf dem es überzeugend zu beweifen ift. Wer wie Frau
Lewis eines folchen Beweifes nicht erft bedarf, ift freilich
glücklich daran.

Hirfchhorn. Erwin Preufchen.

Greßmann, Prof. DDr. Hugo: Das Weihnachts-Evangelium
auf Urfprung und Gefchichte unterfucht. (Um e. Exkurs
vermehrter Sonderdr. aus Religion u. Geifteskultur.)
(46 S.) 8°. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 1914.

M. 1.20

Greßmann hebt den Abfchnitt Luk. 2,1—20 als ein
für fich felbftändiges fagengefchichtliches Erzeugnis aus
der Vorgefchichte des Lukas heraus; namentlich war er
von Haus aus nicht auf die jungfräuliche Geburt hin angelegt
; die Eltern haben erft nachträglich die Hirten zurückgedrängt
. Denn den Hirten allein gilt ja die Engel-
botfchaft; die Krippe gehört gewiß auch urfprünglich
zu den Hirten. Wenn die Hirten ein Kind in Windeln
in der Krippe auffuchen follen, fo handelt es fich fichtlich
um das Findlingsmotiv — man hat ja fchon mit Recht
an Cyrus, an Romulus und Remus erinnert. Auch die
Höhle in der außerbiblifchen Kindbeitslegende Jefu wird
ein urfprünglicher Zug der Sage fein. Im befonderen
verweift G. auf die Gefchichte der Geburt des Ofiris bei
Plutarch (de Iside et Osiri c. 12): Zugleich mit feiner
Geburt fei eine Stimme herabgekommen: ,Der Herr des
Alls tritt ins Licht hervor'. Einige aber fagen, ein gewiffer
Pamyles habe beim Wafferfchöpfen aus dem Heiligtum
des Zeus (Amon in Theben) eine Stimme gehört, die ihm
befahl zu verkünden: der große König, der Wohltäter
Ofiris ift geboren, und da Kronos ihn ihm übergab, habe
er den Ofiris auferzogen. — Man denkt natürlich dabei
auch an die Kindheitsgefchichte Mofis. In Ägypten foll

alfo der Urfprung der Weihnachtsgefchichte zu fuchen
fein. Befonderen Wert legt G. auf das Gottkönigtum fo-
wohl bei Chriftus wie bei Ofiris, dafür ift ja Ägypten der
eigentliche Boden. In ftarker Einfeitigkeit lehnt G. Beziehung
zu verwandten Zügen in der Mithras- und Dionyfos-
legende ab, weil da das Gottkönigtum fehle. Große
Schwierigkeit fchafft fich G. mit der Behauptung einer
jüdifchen Vorftufe der Weihnachtsgefchichte: die Motive
der Ofirislegende hätten fich in Geftalt einer jüdifchen
Meffiaslegende an die bekannte Geburtshöhle in Bethlehem,
eine altheilige Kultftätte, angeknüpft. Wie foll man fich
diefe Erzählung ausgeftaltet denken, da der Meffias ja erft
noch geboren werden follf Offenbarung Job., c. 12 ift ja
Vifion.

Auch für die jungfräuliche Geburt Jefu nimmt G. ägyp-
tifche Herkunft und eine jüdifche Zwifchenftufe an. Aber
Wenn auch die göttliche Erzeugung bei ägyptifchen Königen
häufig vorkommt, fo hat fich die Vorftellung von der jungfräulichen
Entftehung großer Männer, Weifen und Königen,
(vielleicht von dort aus) fchon früh weithin verbreitet, an
Piatons Geburtsgefchichte erinnert G. felber. Die Annahme
einer Jungfrauengeburt in der jüdifchen Melfiasvor-
ftellung ift fowohl der jüdifchen Gottesvorftellung als den
Urkunden gegenüber fehr kühn und nicht zu erweifen.

Hingegen ift G. wohl im Recht mit dem Nachweis,
daß die Ankündigung der jungfräulichen Geburt Luk.
Ii 35—38 urfprünglich ift und die entfprechenden Verfe
oder Worte dort nicht auszufcheiden find. Denn nach
Meinung der Evangeliften foll die Konzeption v. 31 unmittelbar
jetzt ftattfinden, und eben dies fetzt das Ijid
avÖQa ov yivcaßxa» voraus. Lukas hat, indem er den
Stammbaum und die Eltern Jefu mit der Verkündigungs-
gefchichte in eins verwob, disparate Elemente verbunden.
Überfetzung aus einem femitifchen Original und Spuren
davon im Wortlaut des Lukas braucht man darum doch
nicht anzunehmen.

Zürich. Arnold Meyer.

Die älteften Apologeten. Texte m. kurzen Einleitgn., hrsg.
v. Ed. J. Goodfpeed. (XI, 380 S.) gr. 8°. Göttingen,
Vandenhoeck & Ruprecht 1914. M. 7.40; geb. M. 8.40

Juftins des Märtyrers Apologien, hrsg. v. Prof. D. Dr.
Guftav Krüger. 4., völlig neubearb. Aufl. (Sammlung
ausgewählter kirchen- u. dogmengefchichtl. Quellen-
fchriften. 1. Reihe, 1. Heft.) (XII, 91 S.) 8°. Tübingen,
J. C. B. Mohr 1915. M. 1.25; geb. M. 1.75

Andres, D.Friedrich: Die Engellehre der griechifchen Apologeten
des zweiten Jahrhunderts u. ihr Verhältnis zur
griechifch-römifchen Dämonologie. (Forfchungen zur
chriftl. Literatur- u. Dogmengefchichte. 12. Bd., 3 Heft.
(XX, i83S.)gr.8°. Paderborn,F.Schöningh 1914. M.6 —

Das Studium der altchriftlichen Apologetik hat in
den letzten fechs Jahren eine beträchtliche Ausdehnung
gewonnen. Zwifchen Waltzings größerer und kleinerer
Ausgabe des Minucius Felix (1909; 1912) fällt die ganz
ausgezeichnete Abhandlung R. Heinzes über Tertullians
Apologeticum (1910); das Jahr 1912 brachte Goodfpeeds
Index apologeticus, Pfättifchs Ausgabe und Kommentar
des Juftin und vor allem A. Puechs bedeutsames und
kunftvolles Werk: Les apologistes grecs, und das Jahr
1914/15 befchenkt uns nun mit einer Reihe von apo-
logetifchen Texten sowie mit einer längeren Unterfuchung
aus diefem Gebiete. Lernen wir nun den Wert diefer
Gabe im Einzelnen kennen.

Goodfpeed hat mit vollem Rechte eine Handausgabe
der älteften Apologeten, .welche einen vertrauenswürdigen
griechifchen Text mit einer befchränkten
Auswahl von Lesarten darbietet', als ein längft gefühltes
Bedürfnis empfunden; er legt uns dementfprechend