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Ausgabe:

1915 Nr. 1

Spalte:

365-367

Autor/Hrsg.:

Vogels, Heinrich Joseph

Titel/Untertitel:

Die altsyrischen Evangelien in ihrem Verhältnis zu Tatians Diatessaron 1915

Rezensent:

Preuschen, Erwin

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Theologifche Literaturzeitung 1915 Nr. 16/17.

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Emendation fTW? für rfSIST vorausfetzt), und v. 15 (fo 1.
ft. 13). Weder Koran ifj, 16 noch Pf. 19 können (S. 96)
auf die Vorftellung vom Einfluß der Geftirne auf das Schick-
fal der Menfchen bezogen werden. Wenn im Koran 1. c.
von der Leitung durch die Geftirne die Rede ift, fo bezieht
fleh dies auf nichts anderes als auf die Orientierung,
die der irrende Wanderer am geftirnten Himmel findet. —
Der islamifche Engel 'Azrä'il ift, wie fein Vorbild, der
jüdifche Todesengel (maPakh ha-mäweth), mit dem masch-
chith des A. T. (die Stellen S. 7 Anm. 4) nicht zu identifizieren
. Deffen Wirkung zielt auf das Verderben der
Gefamtheit ab; er hat nicht wie jene, das Amt, dem
einzelnen Individuum die Lebensfeele zu entziehen.

Der Reichtum des fchönen Werkes böte manche
Gelegenheit zu weiteren Anknüpfungen; ich kann jedoch
den Raum nur noch für einige Einzelbemerkungen bean-
fpruchen:

Der S. 3, 10 v. u. angeführte Spruch ift nicht aus dem Koran, fondern
ift ein volkstümliches Iladit; nicht ,entflammt dem' fondern: gehört
tum Glauben. — S. 6,24: vor dem Islam können die Araber die Vorftellung
von gläubigen Dämonen unmöglich gehabt haben. — S. 32, 5
Materialien aus der älteren arab. Literatur über das Verhältnis von 'ajn
und nafsu sau'in, durch welche die intereffanten Mitteilungen des Verf.s
philologifch begründet werden können, find in meinen Anmerkungen zum
Buch vom Wefeu der Seele 32 Note 5 und 6 gefammelt. — S. 74, 17
wird das id al-adhä irrtümlich Verföhnungsfeft genannt. — S. 86,
Anm. 1. Södä als Benennung der Melancholie ift als al-mirret
al-sodä (fchwarze Galle) zu verftehen. —S. 93, 17ff. (vgl. 118,8 v. u.)
müßte die Bedeutung hervorgehoben werden, die in dlefem Kreife den
ungraden Zahlen zugefchrieben wird. Die Regel: Numero Deus
impari gaudet kehrt im Hadit als Spruch Muhammeds wörtlich wieder:
vgl. darüber den Artikel: Über Zahlenaberglauben im Islam, Globus
(1901) LXXX nr. 2, wo auch die Literatur über die abergläubifche
Bedeutung der Zahl fünf und der Hand (vgl. Canaan Ö4f.) zufammen-
geftellt ift. — S. IOO, 13 v. u. 107, 12 fpricht der Verf. von 19 Namen
Gottes als al-asmä al-husnä; es find deren bekanntlich 99. —S. 129,
5 v. u.: das Räuchern des Patienten mit einem Holzftück einer Totenbahre
: daraus ift der Eifer zu verftehen, mit dem das Volk allenthalben
bei Beerdigungen frommer Männer fich herandrängt, um Spähne von einer
zerftückelten Todtenbahre zu erhafchen, WZKM, XVI 324; weitere Bei-
fpiele dafür bei Kettäni Salwat al-anfas (Fes 1316) I 164, II 84,3 Sujüti,
Bugjat al-wu'ät (Kairo 1326) 306, 20, Muhammed al-cArbi, Ilugjat al-
muslafid (Kairo 1304) 150, 13 v. u. —

Sehr intereffant ift im ganzen Buch der reiche Nachweis
der Wechfelwirkung chriftlicher und muslimifcher
Bräuche, wofür S. 131,156. den kräftigften Beweis bietet
(Mohammedaner laffen ihre neugeborenen Kinder bei
Chriften taufen, mit der Hoffnung, fle dadurch am Leben
zu erhalten). Der Verf. bezeichnet diefe Sitte als aus-
geftorben; bei Mufti, Arabia Petraea III 92 wird fle als
noch beftehender Brauch der muslimifchen Fellachen in
der Umgebung von Kerak angeführt. —

Einige fiunflörende Druckfehler: S. 18,15 mazakin 1. mazzikin. —
24,10 ammonitifche 1. emoritifche. — 39.3« Hut L Bett — 57/17 Beduinen
L Beduinin. — 109 ult. in der letzten arab. Formel jt, für ä.,
— 119,23 uadcha' L uadscha.

Das Buch ift mit zahlreichen Tafel- und Textabbildungen
von Amuletten und Talismanen bereichert, deren
Originale fämtlich der umfangreichen eigenen Sammlung
des Verf.s angehören und die Anfchaulichkeit der dar-
geftellten Stoffe erhöhen. Das Werk C.s, deffen Benutzung
auch durch erfchöpfende Indices erleichtert wird, verdient
umfomehr Beachtung, da dem Verf., als eingeborenem
Paläftinenfer und Arzt von Beruf, die Beobachtungen, die
er in vorliegendem Werke in fyftematifcher Ordnung darbietet
, in zuverläffigfter Weife zugänglich waren.
Budapeft. L Goldziher.

Vogels, Reform-Realgymn.-Relig.- u. Ob.-Lehr. D. Heinr.
Jof.: Die altfyrifchen Evangelien in ihrem Verhältnis zu
Tatians Diatelfaron. (BiblifcheStudien. XVI.Bd., S.Heft.)
(V, XI, 158 S.) gr. 8°. Freiburg i. B., Herder 1911.

M. 5 —

Lewis, Agnes Smith: Zu H. J. Vogels Schrift Die Altfyrifchen
Evangelien in ihrem Verhältnis zu Tatians Diatelfaron. (12S.)
gr. 8°. Leipzig, J. C. Hinrichs 1913. M. —80

Vogels hat die altfyrifche Evangelienüberfetzung einer
genauen Prüfung unterzogen, deren Ergebnis die Feft-
ftellung ift, daß fleh in den fehr zahlreichen Harmonifie-
rungen der Einfluß des Diateffarons geltend mache. Er
unterfucht nach einer kurzen Einleitung die Harmoniftik
in fachlichen Differenzen, in Übergängen, in parallelen
Varianten und gibt zum Schluß eine lange Lifte der
harmoniftifchen Lesarten. Es liegt in der Natur der
Sache, daß bei der Durchmufterung eines reichen und
teilweife fehr fpröden Materiales auch manches mit unterläuft
, was nur im Zufammenhang der gefamten Unter-
fuchung Bedeutung gewinnt, an fleh zur Löfung der Frage
aber nichts beiträgt. Es wäre aber unbillig, darauf ein
befonderes Gewicht zu legen. Vielmehr handelt es fich
bei der Beurteilung nur darum, zu fehen, ob der ein-
gefchlagene Weg richtig ift, und ob das Ergebnis foweit
gefichert ift, daß es als zuverläffig betrachtet werden kann.

Gegen den Weg, den V. einfehlägt, um fefte Ergeb-
niffe zu gewinnen, wird man wenig einwenden können.
Aber die Art, wie er auf ihm vorgeht, fcheint mir nicht
unbedenklich. cMt cMk, 'Lk' find textlich keine feften
Größen, fondern zunächft unfichere Gebilde. Mt 4,20 xa
öixxva avxmv K/Z al verss., die andern ohne avxmv;
Mc. 1,18 xa öixxva avxmv A/Zd/Zal. f g1 aeth got. Was
ift als Text bei Mt. und bei Mc. anzufehen? Wohin gehört
avxmvi Das arabifche Diateffaron hat öixxva avxmv
(Ciasca p. ri). Aber fo lieft Mt. 4,20 und Mc. 1,18 auch
die Pefchitta (^ooiZj-jic). Man wird bei dem Mangel anderer
Zeugen für das Diateffaron alfo nicht mit Sicherheit
fagen können, was Tatian in feinem Text hatte. Aber
angenommen, daß das arabifche Diateffaron uns hier den
echten Tatian erhalten habe, beweift denn nun wirklich
diefe Übereinftimmung, daß die Lesart Eigentum Tatians
ift? oder beweift fie nicht vielmehr, daß fie zur Zeit Tatians
in einem von ihm benutzten Text des Mt. ftand? Die
Fälle, in denen fich dasfelbe Spiel wiederholt, find zahllos
. Daneben findet fich aber eine andere Erfcheinung,
die einen fetteren Boden in Ausficht ftellt. Syra vet. lieft
Mt. 7,4: 6x1 löov sv xm Cm owd-aXfim 7? öoxbg vjtoxeixai.
Das ift, von vjtöxtixai abgefehen, wefentlich der Text der
griechifchen Hff. Lc. 6,42 hat die Syra vet. faft ebenfo
(nur xai ft. oxi), während die andern Textzeugen mit
Ausnahme von D It. abzog xrjv ev xm bwO-aXftm cov öoxbv
ov ßxsnmv haben. Hier kann über die Geftalt des Textes in
beiden Evangelien kein Zweifel fein, und es ift deutlich,
daß in der Syra vet. eine Harmonifierung vorliegt. Es ift
auch zu vermuten, daß die Quelle diefer Harmonifierung
Tatian ift, wenn fchon gerade hier leider der Araber
vertagt und Aphraates und Ephräm ebenfalls keine Hilfe
gewähren.

Es fehlt aber auch nicht an Fällen, in denen über
die Zufammengehörigkeit der harmoniftifchen Lesarten
mit Tatian kein Zweifel ift. Mt. 19,21 = Mk. 10,21 = Lk.
18, 22 überfetzt Syra vet. jtmxrjcov jcavxa, böa ixstg, darin
teilweife unterftützt durch It. Bei Mt. fehlt im griechifchen
Text xavxa und fteht ftatt des Relativfatzes xa vnaQXOvxa
cov; der griech. Mk hat: vucaye, oOa eysig jtmürjCov, Lk.
xavxa, 6ca eystg Jirnlvcov. Bei Afrahat (h. XX 18 p. 927
Gr.) lieft man: /E. jejic 11= v| = vJiays, Jimüncov
nävxa, bca exeig. Ebenfo hat das arabifche Diateffaron
c 28 (p. 11. Ciasca) und die Pes. zu der Lk.-ftelle. Als
letzte Beftätigung gefeilt fich dazu auch Ephräm (opera
II p. 116 ed. Venet): hpß ;/,„.ö„„/,/<; ufol» ,p/» umitlAituju
1"V "*-*»/"» = ^ ,i -1 * IIa ^ >j = vnays, nmlrCov
jtavxa xa. vjtaQxovxa cov, bca 'ixsig. Das ift ohne Zweifel
der Text des Diateffarons, da er aus Mt. (xa vjiaQxovxä
Cov) und Mk-Lk (bca eyetg) gemifcht ift. Was alfo die
Syra vet. bewahrt hat, ift ein Stück Tatian, freilich nicht
der reine Tatian.

Damit komme ich an die Grenze, die m. E. auch
diefer erfprießlichen und forgfamen Unterfuchung gefleckt
ift. Sie hat das Verdienft, den Einfluß des Diateffarons

*