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Ausgabe:

1915 Nr. 13

Spalte:

298-299

Autor/Hrsg.:

Fehr, Bernhard

Titel/Untertitel:

Die Hirtenbriefe Ælfrics in altenglischer und lateinischer Fassung 1915

Rezensent:

Morsbach, Lorenz

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Seite 1, Seite 2

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297 Theologifche Literaturzeitung 1915 Nr. 13. 298

malten angehängt waren, als deren Träger auf der anderen Seite die
Freunde des Fauftus, Apion, Metrodoros und Anubion erfchienen. Und
fo muß ich auch weiter meine Vermutung feilhalten, daß dann im Schluß-
ftück von G erzählt wurde, daß Simon heimlich zu feinen und des
Fauftus Freunden gekommen fei, und daß Fauftus fo ohne fein Wiffen
mit Simon zufammengetroffen fei und die Verwandlung erlitten habe.
Was II. S. 22 ff. gegen meine Anfchauung anführt, vermag mich nicht
zu überzeugen, denn meines Kruchtens ß.anden allerdings die Disputationen
hinter den Anagnorismen, und fo wird die Frage Heintze's hinfällig, wie es
denn komme, daß feine alten Freunde den Fauflus nicht von vornherein
erkannt hätten. Und wenn ferner H. hervorhebt, daß der Charakter des
Klemens in der Apions-Disputation nicht zu dem fonftigen des Klemens
in G, namentlich nicht zu der Anfangsfchilderung paife, fo muß ich noch
einmal darauf hinweifen, daß wir in G keinen originalen Schriftfteller,
fondern bereits einen Kompilator vor uns haben.

Ein ebenfo wertvoller Abfchnitt, wie jene Analyfe der
hellenifchen Disputationsinaffen ift der dritte in H.'s Werk,
der von der Anagnorismen-Fabel des Romanes bandelt.
Ich hatte bereits in meinem Auffatz Ztfchr. f. neut. Wiffen-
fch. 1904, 18 ff. die Vermutung aufgeftellt, daß in G der
Klemens-Roman mit einer antiken Anagnorismen-Novelle
verbunden fei, und daß die Figur des Klemens in letztere,
zu der fie urfprünglich nicht gehörte, erft eingetragen fei.
Mit großer Freude kann ich konffatieren, daß H. für diefe
Vermutung erft recht eigentlich die Bafis gefchaffen
und auch den Ausbau durch eine genaue Rekonftruktion
der Novelle bis in alles Einzelne durchgeführt hat.

Ich flimme faft in allem Einzelnen feinen Ausführungen hier
zu und glaube nur nicht, daß fchon in der urfprünglichen Anlage
von G der Disput Uber den aftrologifchen Fatalismus (Anubion) fo mit
der Wiedererkennungsfzene des Fauflus verbunden war, wie es im Buch IX
von R vorliegt und wie Heintze es für G annimmt. Vielmehr bin ich, wie
es aus dem Obigen hervorgeht, der Meinung, daß Wiedererkennungsfzene
und darauf folgende Disputation noch äußerlich neben einander
lagen. R hat hier eben gefchickter flilifiert.

Endlich möchte ich noch einiges zu der vom Verf. auf Grund feiner
Forschungen vorgenommeneu Datierung von G fagen. Seinerzeit hatte
Waitz einen beftimmten terminus a quo durch die Beobachtung zu finden
gemeint, daß der im Anfang der Homilien erhaltene Brief des Klemens
an Jakobus, von deffen Zugehörigkeit zu G er überzeugt war, die Ver-
faffungsverhältniffe unter dem liifchof Calixt vorausfetze. Ich hatte
gegen die Datierung eingewandt, daß die Zugehörigkeit jenes Briefes zu
G wegen der urfprüuglicheren Dublette II III 60ff., deren Zurückführung
auf Apoflelakten des Petrus mir nicht gelungen zu fein fchien, fehr
zweifelhaft fei, hatte in diefe mStück einen Nachtrag zu G gefehen und
glaubte damit einen terminus ad quem gefunden zu haben, Heintze tritt
infofern auf meine Seite, als er jenen Brief ebenfalls G abfpricht und fo-
gar geneigt ift, ihn H zuzuweifen. Doch will er andererfeits meinen
Vernich G um das Jahr 200 zu datieren, als mißlungen anfehen, gibt aber
dennoch zwei Seiten fpäter als den Spielraum für die Grundfchrift die
Zeit 200 —2S0 an und begrüudet feineu Zeitanfatz ,erft um 260' nicht.

Der in diefen Forfchungen Kundige wird leicht er-
nieffen können, welchen Fortfehritt H.s Arbeit für die
Erforfchung des Klemens-Romanes bedeutet, aber freilich
bleibt noch viel zu tun. Wir brauchen vor allem dringend
neue Textausgaben von H und R. Wir brauchen eine
fynoptifche Zufammenftellung des in Betracht kommenden
Materials zur Rekonftruktion der Grundfchrift von G, und
wir brauchen eine genaue, Satz für Satz fortfehreitende
Rekonftruktion der Letzteren, foweit das möglich ift. So
lange diefe Arbeiten noch nicht geliefert find, geraten wir
immer wieder in Gefahr, am Dach zu bauen, ehe das
Fundament gelegt ift. Möge es Heintze vergönnt fein,
felbft weiter Hand ans Werk zu legen und uns diefe noch
ausstehenden Defiderien zu erfüllen.

Göttingen. Bouffet.

Nachfchrift: Der hier im Herbft vorigen Jahres ausgefprocheue
Wuufch hat fich nicht erfüllen folleu. Ich habe die traurige Nachricht
hinzuzufügen, daß Werner Heintze auf dem Felde der Ehre im Tod
•t das Vaterland gefallen ift, und daß der gewaltige Krieg uns auch
hier um frohe und ichüne Hoffnungen ärmer gemacht hat.

ardenhewer, Protonot. Prof. D. Dr. Otto: Gerchichte
der altkirchlichen Literatur. 2. Bd. Vom Ende des 2. Jahrb..
bis zum Beginn des 4. Jahrh. 2., umgearb. Aufl. (XIV,
729 S.) gr. 8°. Freiburg i. B., Herder 1914. M. 14—;

geb. M. 16.60

Diefe um vier Bogen erweiterte neue Auflage des im

Jahre 1903 erfchienenenBandeshatin allen Punkten, fo viel ich
fehe, den äußeren Pmrtfchritt derPorfchung berückfichtigt,
die einfchlagenden Fragen umfichtig erörtert und fichert
fomit dem Werke feinen bereits erprobten Charakter. In den
einleitenden Abfchnitten ift außerdem durch zufammen-
faffende Betrachtungen die Darftellung vertieft worden.
In dem Vorwort fetzt fich der Verfaffer mit prinzipiellen
Einwendungen auseinander, die Jülicher und der Unterzeichnete
erhoben haben (Gött. Gel. Anz. 1913 S. 697 ff;
Theol. Lit.-Ztg. 1914 Sp. 137 ff). Diefe Einwendungen
führt B. bei uns ,auf die Scheu und Flucht vor allem
Supranaturalen oder die Gebundenheit an die Natur'
zurück, gegenüber ,der Notwendigkeit, an eine fupra-
naturale Gefchichte des Urchriftentums zu glauben'. Da
der Verf. in dem vorliegenden Bande felbft vom Supranaturalen
gar keinen Gebrauch macht, fo ift hier der Streit
gegenftandslos. Auf meine Vorhaltung aber, daß feine
,Altkirchliche Literaturgefchichte' vom ftreng katholifchen
Standpunkt das nicht ift, was fie fein will, ift B. nicht
eingegangen, während, doch hier eine Verteidigung fehr
nötig gewefen wäre. Statt uns den Vorwurf zuzufchleudern,
bei unfrer Betrachtung der Dinge würden die hervor-
ragendften Zeugen der alten Kirchenlehre ,zu Lügnern
geftempelt' — ein Vorwurf, der den konfeffionellen Zänkern
zu refervieren und B.'s nicht würdig ift — hätte uns B.
zeigen follen, in welchen Männern wir in dem Zeitraum,
den er behandelt, die dogmatifch und fittlich untadeligen
Zeugen des Depofitum fidei zu verehren haben. In diefer
Hinficht beftehen bekanntlich Schwierigkeiten, von denen
der Verfaffer eine verrät, wenn er S. 507 in Bezug auf
das peinliche Schweigen Cyprians über Tertullian bemerkt
: „Es ging doch wohl nicht an, daß Cyprian, ,der
katholifche Bifchof', vor der Öffentlichkeit einen abtrünnig
gewordenen Priefter als Gewährsmann anrief", d. h. ein
Abtrünniger kann wohl Gewährsmann fein und man darf
ihn ausnutzen, aber man braucht das nicht zu fagen;
denn fittliche Verpflichtungen beftehen ihm gegenüber
nicht! — Die Kirchenlehre ift durch Tertullian, Novatian,
Clemens, Origenes, Dionyfius v. Alex. ufw. gebaut worden,
Lehrer, gegen die vom katholifchen Standpunkt die
fchwerften Vorwürfe zu erheben find. Nein, behauptet
B. mit feiner Kirche: fie haben fie nicht gebaut, fondern
nur bezeugt und entwickelt. Diefe Behauptung bleibt
aber fo lange undiskutierbar, als uns nicht Lehrer oder
Synodalkundgebungen im 3. Jahrhundert nachgewiefen
werden, die die orthodoxen Beftandteile der Lehren jener
Ketzer in Reinheit vertreten. Wo find diefe Lehrer und
diefe Synoden? Der Verfaffer hat fie nicht aufzufpüren
vermocht.

Berlin. v. Harnack.

Fehr, Bernhard: Die Hirtenbriefe £lfrics in altenglilcher
und lateinifcher Faifung. Hrsg. u. m. Überfetzg. u. Einleitung
verfehen (Bibliothek der angelfächf. Profa,
hrsg. v. H. Hecht. IX. Bd.) (IV* CXXVI u. 269 S.)
8°. Hamburg, H. Grand 1914. M. 20 —

Der englifche Abt Atlfric (geb. um 955 und ge-
ltorben Zwilchen 1020 und 1025), ein Mann von ftrengen
Sitten und unermüdlichem Eifer, hat die in England von
Dunftan und Aethelwold, in deffen Schule er erzogen
war, ins Leben gerufene Benediktinerreform mit allen
Kräften zu verwirklichen gefucht. Er hatte dabei nicht
nur das unwiffende Volk im Auge, fondern auch den
Priefterftand, deffen Lateinkenntniffe und vielfach lockere
Sitten vieles zu wünfehen übrig ließen. Auch der Gottes-
dienft war wenig geregelt und an vielen Orten abweichend ;
mancher unwürdige Brauch hatte fich eingefchlichen. All
diefen Übelftänden und Mißbräuchen fuchte /Elfric in
Wort und Schrift abzuhelfen, befonders aber durch fchrift-
liche Unterweifung. Seine umfangreiche fchriftftellerifche
Tätigkeit, von der uns zahlreiche alte Handfchriften des

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