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Ausgabe:

1915

Spalte:

289-291

Autor/Hrsg.:

Dahlke, Paul

Titel/Untertitel:

Buddhismus als Religion und Moral 1915

Rezensent:

Hackmann, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf Harnack

Fortgeführt von Professor D. Arthur Titl'US und Oberlehrer Lic. Hermann Schuster

Jährlich 26 Nrn. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig Halbjährlich 10 Mark

r r r t ix -. r Manufkripte und gelehrte Mitteilungen find ausfchließlichan . — _

4<J. JanrfT. Nr. lO Profeflbr D. Titius in Göttingen, Nikolausberger Weg 66, zu fenden. *CO. JUIli 1915

° Rezenfionsexemplare ausfchließlich an den Verlag.

Dahlke, Buddhismus als Religion und Moral j Fehr, Die Hirtenbriefe /Elfrics in altenglifcher

(Hackmann). und lateinifcher FaiTung (Morsbach).

Pilter, Some Amorite Personal Nantes in J Althaus, Zur Charakteriftik der evangelifchen
Genesis XIV (König). Gebetsliteratur im Reformationsjahrhundert

(Eger).

Frommel, Franz Theremin (Kleinert).

Stammer, Schleiermachers Ätlhetizismus in
Theorie u. Praxis während der J. 1796—1802
(Scholz).

Scheel, Die Theorie v. Chriftus als dem zweiten

Adam bei Schleiermacher (Derf.).
Siegmund-Schultze, SchleiermachersPfycho-
logie (Derf.).

— Eastern and Western Semitic Personal Names
(Derf.).

Biblifche Zeitfchrift. 12. Jahrg. (Windifch).
Strathmann, Gefchichte der frühchriftlicheu

Askefe (M. Dibelius).
Heintze, Der Klemensroman und feine grie-

chifchen Quellen (Bouffet).
Bardenhewer, Gefchichte der altkirchlichen

Literatur. 2. Bd., 2. Aufl. (v. Harnack).

Rolle, Schleiermachers Didaktik der gelehrten
Schule (Scholz).

Win ekler, Robert Pearfall Smith und der Perfektionismus
(Fleifch).

Wiesbadener kirchenpolitifche Vorträge, Heft III
(Zilleffen).

Referate: Baufteine für den Religionsunterricht.
— Quellenhefte für den Religionsunterricht. —
Ljunggren, Bönen i Gamla Teftamentet.—
Kern, Dante. — Rupp, Gefammelte Werke,
I. Band.

Mitteilungen: (7) Deutfche Evangel. Miffionshilfe.
Erklärung von Prof. R. Holtzmann.
Wichtige Rezenfionen — Neuefte Literatur.

Dahlke, Paul: Buddhismus als Religion und Moral. (457 S.)
gr. 8°. Leipzig, W. Markgraf 1914. M. 8 —

Seit einer Reihe von Jahren bemüht fich P. Dahlke,
uns für den Wahrheitsgehalt des Buddhismus die Augen
zu öffnen. (Vgl. die Befprechung von Franke in Nr. 5)
Die in vorliegender Schrift vorgefetzte Aufgabe, den Buddhismus
in der doppelten Richtung feiner religiöfen und
moralifchen Eigenart zu beleuchten, zerlegt die Ausführungen
in zwei Teile. Der erfte umfaßt 13, der zweite
5 Kapitel (S. 3—317 und S. 318—437), wonach ein Ausblick
auf die Zukunft des Buddhismus (S. 438—454) das
Ganze befchließt. — Der Charakter des Buches ift apo-
logetifch und polemifch. Es foll den Buddhismus als die
Religion und Moral erweifen, die der Welt am meiften
not tut und neben der das Chriftentum einerfeits, die Welt-
anfehauung der Wiffenfchaft andrerfeits (d. h. für D. der
materialiftifch gerichteten NaturwifTenfchaft) als Irrwege
erfcheinen. Dies find nämlich die zwei Fronten, gegen
die der Verf. kämpft: Chriftentum und materialiftifche
Naturwiffenfchaft. Zwifchen ihnen wandelt der Buddhismus
die gefegnete via media.

Dahlke ift in der urfprünglichen Lehre des Buddha
und im heutigen Buddhismus von Ceylon und Birma gut
zu Haufe. Auch verfagt feine Kritik gegenüber den
Praktifchen Erfolgen der von ihm gepriefenen Religion
durchaus nicht (vgl. fein Urteil über das Mahayana im
l2- Kap., die Bezeichnung des Inhalts des Saddharma-
pundarika als .wirrer Wuft', S. 81, die Verwerfung des
jupanifchen Buddhismus in Baufch und Bogen, S. 82 f., und
auch die Schilderung des finghaleftfchen Buddhismus in
Kap. I3

fowie die Bemerkungen am Anfang des Schluß-
£apitels). Dagegen verfagt er um fo empfindlicher als
Philofoph und als Religionshiftoriker.

Bei Berührung der philofophifchen Fragen, die eine heutige Erorte-
U">e der Lehre des Buddha uns nahe legt, offenbart D. eine weitgehende
Unklarheit des Denkens. Für religionsgefchichtliche Erfchemungen aber
(außerhalb des Buddhismus) hat er ebenfowenig ein ungetrübtes Auge;
das Chriftentum beurteilt er höchfl cinfeitig. Auch das Wefeu der Re-
'(gion überhaupt verkennt er auffallend. Er fleht eben, fobald er Pnn-
^'Pienfragen oder Nichtbuddhiftifches anfaßt, fogleich unter dem Einfluß
C1"er apologetifchen Tendenz.

Charakteriftifch für D. ift, daß er Religion fowohl wie
Moral durchaus auf dem Denken begründet wiffen will,
das ihm der Grundwert alles Menfchtums ift (S. 7). Der
Menfch ift religiös veranlagt, foweit er ein Bedürfnis fühlt,
den Sinn und die Bedeutung diefes Lebens aus einem
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andern Leben heraus zu begreifen (S. 14). .Religion ift
das Kaufalbedürfnis, foweit es nicht die einzelnen Lebens-
erfcheinungen, fondern Leben als Ganzes betrifft' (Ebdaf).

Diefeu Satz läßt D. gefperrt drucken, fleht ihn alfo wohl als etwas
Grundlegendes an. Für ihn felbft bezeichnend ift er jedenfalls. Eine
wirkliche Religion hängt ihm ,an der Löfung des Problems der Kraft'.
Ein leifes Bewußtfein muß ihn dabei freilich wohl überfchlichen haben,
daß er hiermit das nicht treffe, was wahrhaft fromme Menfchen als Religion
befitzen. Denn er klagt (S. 18) darüber, daß man im Wellen
.Religion und Glaubensreligion' ohne weiteres gleich fetze, er meint ein
Neues dagegen fetzen zu können in einer .Religion des Denkens, des
Verftehens'. Als ,glaubensfreie Religionen' des Oftens zählt er dann auf
.Konfutfianismus, Vedanta und Buddhismus', um nun aber fofort zuzugeben
, daß der erfte reine Morallehre, keine Religion, der zweite eine
Verquickung von Glauben und Verftehen fei.

Bleibt fomit als einzige .glaubenslofe Religion' der
Buddhismus. Bei Erörterung der buddhiftifchen Lehren
müht fich D. nun weiter nach Kräften, alles das zu glätten
und wegzuhobeln, was als Glaubensknorren hie und da
fo rückfichtslos zu Tage tritt, z. B. den Glauben an Rein-
karnation. Wie gläubig aber doch zugleich D. felbft dem
Buddha gegenüber fleht, zeigt jene Ausführung S. 210ff,
wo er allen Ernftes vertritt, daß der Buddha die Fähigkeit
befeffen habe, fich an alle feine früheren Inkarnationen
zu erinnern. Das fei aber nichts Übernatürliches
gewefen, fondern nur ,eine geiftige Technik', von der man
allerdings zugeben müffe, daß niemand weiter bekannt
fei, der diefe Technik heute befitze. — Die Moral fucht
D. gerade fo zu faffen wie die Religion, nämlich als .Funktion
des Erkennens'. Das ift die Moral, ,wenn fie als
notwendige Folgerung fich aus dem Motiv gibt. In diefem
Sinne wird Moral zu einem gedanklichen Wachstumsprozeß
. Man wird moralifch im Begreifen' (S. 319).
Wie man in diefen Pofitionen unfehwer die Nach-
! Wirkung gewiffer Züge des Buddhismus bemerkt (Betonung
der .Erkenntnis', Kampf gegen böfe Regungen durch
Selbftanalyfe), fo ift auch die philofophifche Pofition D.s
ihm von feiner Vorliebe für den Buddhismus fuggeriert.

Die Probleme von Stoff und Kraft werden bei ihm durch das
Zauberwort .Prozeß' gelöft. .Wirklichkeit hat nicht Stoff für fich, hat
nicht Kraft für fich; fie ift nur die Einheit von Kraft und ihrem Material:
Prozeß'. Obwohl nun, lbviel ich fehe, diefes Wort uns nicht im geringften
weiterhilft, da doch jeder Prozeß (deutfeh gefagt: Vorgang) fich für den
I Betrachter in die alten zwei Komponenten Stoff und Kraft zerlegt, hält
D. doch krampfhaft an diefem Worte als feinem Leitmotive feft. Mit der
Befchränkung auf den .Prozeß' lehnt er alle Grundfragen, die dahinter
fich erheben könnten, ab oder modifiziert fie fo, daß fie ihre Spitze verlieren
(z. B. die Frage des erften Anfangs; der Anfang foll überhaupt
nur begrifflich, nicht in Wirklichkeit exiftieren; womit aber ja nicht die

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