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Ausgabe:

1915 Nr. 12

Spalte:

271-273

Autor/Hrsg.:

Stummer, Friedrich

Titel/Untertitel:

Der kritische Wert der altaramäischen Achikartexte aus Elephantine 1915

Rezensent:

König, Eduard

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Theologifche Literaturzeitung 1915 Nr. 12.

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glaube auch, daß ebenfo wie die andern Wiffenfchaften
und Künfte auch die Aftronomie fchon im hohen Altertum
in Babylonien gepflegt wurde. Befonders war die Verbindung
der Religion mit der Himmelbetrachtung gewiß
alt: eine Göttin wie die Gestin-anna muß eine aftrale
Gottheit gewefen fein, auf den Siegelzylindern auch der
älteren Zeit ift die Mondfichel fchon ein Zeichen des Sin,
der Venusftern ein Zeichen der Iftar; daß die Aftrologie
fchon in fehr alter Zeit für die Entfchleierung der Zukunft
benutzt wurde, zeigen die mehrfachen hiftorifchen An-
fpielungen auf Ereigniffe früherer Epochen, und auch das
Weltfchöpfungsepos, obwohl wir es erft in einer fpäteren
Rezenflon befitzen, fpiegelt gewiß einen alten Text wieder;
darum ift auch die dort gegebene Erzählung von der
Erfchaffung der Himmelskörper gewiß kein fpäterer Ein-
fchub. Mit großer Rührigkeit bringt nun W. immer neues
Material herbei, um feine Thefe wieder mehr zu ftützen.
Leider aber operiert er, das muß man ihm vorwerfen, zu
viel mit unpubliziertem Material, das alfo unkontrollierbar
ift. In feiner Schrift verweift er gewiß mehr als ein
dutzendmal auf Infchriften, die noch nicht veröffentlicht
find, und verfpricht uns ihre Bearbeitung für die nächfte
Zeit. Ich glaube, es würde mehr Eindruck machen, wenn
er erft die Originaltexte gegeben und dann feine Schlüffe
gezogen hätte. Die von ihm S. 3 Nr. 3 erwähnte und
benutzte Infchrift foll nach .untrüglichen epigraphifchen
Zeichen' um — 2000 gefchrieben fein. Aber wie unficher
folche Kriterien find, zeigt der auf S. 9 Nr. 5 und auch
im Anhange in Photographie und Autographie gegebene
Text aus Philadelphia. W. fetzt ihn ,nach den ficheren
Kriterien der Schrift' in die Kaffitenzeit (c.—1500), während
Kugler, Sternkunde Erg. II, S. 233 ihn im Jahre —
425 gefchrieben fein läßt. Ich muß geliehen, daß ich
diefes Refultat auch aus epigraphifchen Gründen für recht
wohl möglich halte. Daher wird eine etwas größere Zurückhaltung
in der Altersbeftimmung undatierter Urkunden
gewiß am Platze fein.

In einem zweiten Auffatze verficht der Verf. die Meinung
, daß die Babylonier die Präzeffion gekannt haben,
während Kugler und andere Gelehrte den umgekehrten
Standpunkt einnehmen.

Das dritte Kapitel enthält Beiträge zur Kenntnis des
babylonifchen Fixlternhimmels. Über die Identifikation
einer ganzen Reihe von Sternbildern ift fchon Einigkeit
erzielt worden; bei andern weicht W. mehrfach von den
von Kugler und Bezold-Kopp aufgeftellten Gleichfetzungen
ab. Für die Beftimmung vieler Sternbilder ift
der CT. XXXIII, 1 ff. publizierte Text von großer Bedeutung
. W. glaubt aber nachweifen zu können, daß die
zweite Plälfte von Col. II, 36 an ,kein Original mehr,
fondern ein vielfach überarbeiteter und dabei reichlich in
Unordnung geratener Text' fei. Ob diefes Urteil ftimmt,
ift fraglich, weil fich W. zum Beweis für feine Anficht nur
,auf ein fehr beträchtliches, noch unveröffentlichtes Material
betreffend den babylonifchen Fixfternhimmel' beruft.

Zum Schluß befpricht W. den Jahresanfang im älteften
babylonifchen Kalender und ftellt Regeln für die Schaltungspraxis
(ein freier Zyklus von 10 Schaltmonaten in
27 Jahren) auf.

Beigefügt find noch zwei Auffätze: 1. Schematifche
Darftellung des Mondlaufes bei den Babyloniern. 2. Kannten
die Babylonier die Phafen der Venus? Diefe Frage
wird von W. bejaht, während Kugler fie verneint.

Breslau. Bruno Meißner.

Stummer, Prieft. D. Dr. Frdr.: Der kritilche Wert der
altaramäifchen Achikartexte aus Elephantine. (Alttefta-
mentliche Abhandlungen, V. Bd., 5. Heft.) (VII, 86 S.)
gr. 8°. Münfter in W., Afchendorff 1914. M. 2.50

Die gründlichften zufammenfaffenden Werke über
das Achikar-Buch waren ja bisher das von Rud. Smend

über .Alter und Herkunft des Achikar-Romans und fein
Verhältnis zu Aefop' (1908 als Bd. XIII der BZATW
erfchienen) und aus der Zeit nach Entdeckung von Bruch-
ftücken des Achikar-Buches zu Elephantine (Sachau,
Aram. Papyrus ufw. 1911) Nöldekes .Unterfuchungen zum
Achikarroman' (Abhandlungen der Gött. Gef. der Wiffenfchaften
, phil.-hift. Klaffe 1913). Dazu gefeilt fich nunmehr
als kritifierende Ergänzung die oben erwähnte Arbeit
von Stummer. Ihre vier Hauptteile haben folgenden
Inhalt: Textkritifche Bemerkungen zu den altaramäifchen
Achikar-Fragmenten; die urfprüngliche Geftalt der Achi-
kar-Erzählung; der didaktifche Teil des Achikar-Buches:
fein Verhältnis zur Erzählung und feine Stellung in der
orientalifchen Literatur; die Heimat und die literarifche
Art des Achikar-Buches sowie die Frage nach der ge-
fchichtlichen Wirklichkeit der Perfon Achikars.

Von diefen Unterfuchungen ift vor allem die erfter-
wähnte textkritifche (S. 2—36) eine fehr verdienftliche.
Denn der Verf. hat fich die Mühe genommen, die Originale
der in Berlin aufbewahrten Papyri noch einmal und
zwar zum Teil unter Befprechung mit Sachau mit den
bei diefem gegebenen Photographien zu vergleichen.
Wenn fich dabei auch keine wefentlichen Korrekturen
der Lefungen Sachaus ergeben haben, fo konnte doch
auf Grund diefer Einfichtnahme in die Originale hie und
da ein Anhalt zur Beurteilung der Vorfchläge gewonnen
werden, die feit 1912 vielfach zur Verbefferung des bei
Sachau gegebenen Textes gemacht worden find. Auch
fchon die Buchung aller diefer in fo vielen Zeitfchriften
zerftreuten Vorfchläge müßte willkommen fein, aber auch
die Kritik jedes einzelnen ift fördernd. Davon habe ich
mich durch Vergleichung der von Sachau gegebenen
Facfimilia überzeugen können. — Im zweiten Teile des
Buches wird unterfucht, ob die neuentdeckten Texte, die
an Alter alle anderen überragen, uns die längft aufgeworfene
Frage nach der urfprünglichen Geftalt und der
allmählichen Auffüllung der Achikar-Erzählung löfen helfen
. In bezug darauf war man nun längft durch innerliche
Kritik der verfchiedenen Texte zu dem Schluffe
gekommen, daß die Partie, die von der Befragung der
Gottheit betreffs eines dem Achikar zu schaffenden Erben
handelt, nicht in den Rahmen der Erzählung hineinpaßt.
Wie bedeutfam ift es da, daß in den altaramäifchen
Texten fich wirklich nichts von diefer Partie zeigt! Daher
fagt der Verf. mit gutem Rechte: Für die höhere
Kritik ift der Fund von Elephantine von nicht zu unter-
fchätzender Bedeutung: er geftattet uns, die Probe auf
das Exempel zu machen (S. 47). — Dies tritt auch im
dritten Teile der Unterfuchung zu Tage, der die didak-
tifchen Abfchnitte des Achikar-Buches zunächft hinficht-
lich ihrer Stellung zur Erzählung betrachtet. Nämlich
die Spruchfammlung fleht in den verfchiedenen fpäteren
Texten nicht immer an derfelben Stelle. Schon das fpricht
dagegen, daß die Spruchfammlung von vorn herein mit
der Erzählung verwoben war. Außerdem aber geben die
Sprüche nur eine fehr einfache Ausprägung von Erziehungsregeln
und Sittengefetzen, wie z. B. empfohlen wird,
auf den Mund mehr als auf alles andere Acht zu geben,
oder fich vor keiner Arbeit zu fcheuen, dann werde man
fich und feine Kinder ernähren können. Alfo die Spruchfammlung
enthält auch in den altaramäifchen Texten
keinen .Fürftenfpiegel' und keine Anweifung, wie fie für
die Einführung eines Mannes in das Amt des Reichskanzlers
zu erwarten wäre. Folglich ift auch dadurch von
den neuentdeckten Texten ein Urteil beftätigt worden,
das fich fchon lange über das literarifche Werden des
Achikar-Buches aufdrängen mußte. — Gerade die Teile
von Stummers Buch aber, die das Verhältnis der Achikar-
fprüche zur Weisheitsliteratur des AT. betreffen (S. 57ff.),
dürften am meiften von fraglichem Werte fein. Der Verf.
ift nämlich fehr geneigt, Entlehnungen anzunehmen. Z. B.
lieft man in Pap. 53,3: .Halte nicht zurück deinen Sohn
vom Stock' und in Prov. 13,34: ,Wer feinen Stock zurück-