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Ausgabe:

1915 Nr. 12

Spalte:

267

Kategorie:

Religiöse Kriegsliteratur, Kriegspredigten, Kriegspädagogik

Autor/Hrsg.:

Zurhellen, Otto

Titel/Untertitel:

Kriegspredigten 1915

Rezensent:

Schian, Martin

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267

Theologifche Literaturzeitung 1915 Nr. 12.

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lebniffe der Zeit mit ftark eindringenden Gedanken durch.
Die männliche ftarke Art, von der der Titel zeugt, findet
fich in den Predigten wirklich. Plier find Wille und Kraft,
dabei übrigens lichtvolle Klarheit. Befonders beachtenswert
S. 129: ,Wir haben dem Kaifer viel abzubitten'. —
Alle diefe Prediger find Prediger unterer Zeit; in befon-
derem Sinn aber ,modern', jedenfalls moderner als alle
bisher Genannten, find zwei andere: Paarmann und Zur-
hellen. Paarmann7 erlebt gleichfam mit feiner Gemeinde
alles noch einmal, er deutet ihr aus, was die Woche gebracht
hat, er gruppiert die Eindrücke, ftellt fie unter
das Licht göttlichen Handelns. Und zwar vermag er das
deshalb in befonders wirkfamer Weife zu tun, weil ihm
dichterifch-plaftifche Geftaltungskraft gegeben ift. Seine
Sprache ift gänzlich frei von Archaismen, aber auch von
Kanaanismen; fie ift ganz modern, doch nicht moderner,
als die Kanzel verträgt. Kein Predigtfchema befolgt er;
Abfatz für Abfatz fchreitet der Gedanke fort. Themata
wie: Mobilmachung, Nerven, Wir Friedensfreunde, Sedan,
U 9 find für diefe Art bezeichnend. Jedenfalls ift diefe
Sammlung eine Nummer für fich, und keine fchlechte. —
Zurheilen8, deffen Predigten nach feinem Tod fürs
Vaterland befonders ernft ins Herz klingen, ift längft als
Ganzmoderner bekannt. Inhaltlich macht fich diefe Art
z. B. in der Auseinanderfetzung mit dem Pazifismus bemerkbar
, die ihm offenbar innere Arbeit gemacht hat;
auch bewegt er fich am meiften von allen in verhältnismäßig
hochliegenden Gedankengängen. Seine Sprache
ift nicht fo zugefpitzt wie die Paarmanns, dafür klingt fie
gelegentlich faft populär-wiffenfchaftlich; jedenfalls meidet
auch er alles Übliche, und erft recht jede Phrafe. Gerade
bei Z. aber muß hervorgehoben werden, daß die ,moderne'
Art in diefem Bändchen keine Neigung zur Aufklärung
im modernen Sinn einfchließt. Seine Reden find vielfach
ethifch abgezweckt; und jene auch äußerlich bibliziftifche
Art früherer Zeit liegt ihm ganz beftimmt noch ferner
als anderen Predigern; aber wir fpüren z. B. in der Predigt
über Pf. 51, 12—14 am Landesbettag (Z. fagt nicht: ,Buß-
tag') eine fo unmittelbare, nicht in Ethik aufgehende
Frömmigkeit, daß wir einen Abftand von der Frömmigkeit
theologifch anders Orientierter gar nicht bemerken.
Wie denn hier konftatiert fein mag, daß die Ordnung, in
der die bisher befprochenen Sammlungen gruppiert wurden,
durchaus nicht den Linien der theologifchen Richtung
folgt. — Die drei ernftzuverfichtlichen Predigten Scho-
walters9 aus der erften Kriegszeit find auf den Grundton
: ,Mit Gott!' geftimmt.

3. Predigten aus der Gegenwart: Sammlungen
mit verfchiedenen Verfaffern. Den zahlreichen von
verfchiedenen Arten und Autoren her zufammengetragenen
Predigtfammlungen, die der Krieg entftehen ließ, fehlt
naturgemäß die homiletifche Einheitlichkeit; fie find nur
durch die Zufammenftellung der Verfaffer und durch Umfang
und Ausftattung gekennzeichnet. Von befonderem
Gewicht ift das Werk Doehrings10, über das ich, weil
felbft beteiligt, mit Zurückhaltung zu berichten habe. Es
ift auf zwei ftarke Bände großen Formats berechnet; von
denen einer vorliegt; Bd. 1 zählt als Mitarbeiter u. a.
Bezzel, Blau, Dibelius, Dryander, Gennrich, v. d. Goltz,
Hunzinger, Ihmels, Kaiweit, Kirmß, Mahling, Seeberg,
Smend, Spitta, Uckeley, Vits. Die Zufammenftellung ift
ohne die Frage nach einer der vielen ,Richtungen' erfolgt.
Hier finden fich gefchichtliche Dokumente wie Dryanders

7) Paarmann, Pfr. Friedrich: Eifern Kreuz. Zwanzig Kanzelreden
aus den beiden erften Kriegsmonaten. (158 S.) 8°. Berlin, E. Fleifchel
& Co. 1914. M. 2 —

8) Zurhellen, Otto: Kriegspredigten. (IV, 123 S.) 8". Tübingen,
J. C. B. Mohr 1915. Geb. M. 2.50

9) Schowalter, Pfr. A.: Drei Kriegspredigten, gehalten in Deren-
burg a. Harz. (24 S.) 8°. Halberftadt, Helm 1914. M. —40

10) Doehring, Hof- u. Dompred. Lic. Bruno: Ein fefte Burg.
Predigten u. Reden aus eherner Zeit. Zum Berten der Nationalftiftung f.
die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen hrsg. I. Bd. (VIII, 400 S.)
Lex.-8°. Berlin, R. Hobbing 1914. Geb. M. 7.50

Predigt zur Eröffnung des Reichstags am 4. Auguft, Doehrings
Rede am Bismarckdenkmal (2. Auguft), eine Sedanrede
von B. Rogge. Neben Predigten flehen Anfprachen
in Kriegsbetftunden, Kriegstraureden, Grabreden für einen
Offizier und einen Soldaten, eine Schulrede; unter den
Predigten find mehrere im Felde gehalten. Ein Teil der
Stücke ift datiert, andere nicht. Soweit überhaupt eine
beftimmte Ordnung innegehalten ift, ift es die der Zeitfolge
; doch auch diefe ift nicht durchzuführen gewefen.
Es handelt fich alfo durchaus nicht um die Zufammenord-
nung einer beftimmten Gruppe von Predigten; vielmehr
liegt die Stärke der Sammlung gerade in der großen
Mannigfaltigkeit und Vielfeitigkeit, der durch die Namen
der Prediger ein ftarkes Gewicht gegeben wird. Daß die
einzelnen Darbietungen von recht verfchiedener Art und
auch von verfchiedenem Wert find, verlieht fich dabei
ganz von felbft. Aber diefe Tatfache vermindert nicht
den Wert einer folchen Sammlung. Daß manche, ftark
auf die Kriegsfituation eingehende Predigtausführung fchon
jetzt hiftorifch anmutet, ift gleichfalls kaum zu fagen notwendig
; aber es war fraglos richtig, die Zeitfarbe genau
wiederzugeben. Eine Dokumentenfammlung; das ift der
Charakter diefes vornehm ausgeflutteten Buchs. — Hat
Doehring vorzugsweis (nicht ausfchließlich) norddeutfche
Prediger vereinigt, fo hat fich Bürckftümmer11 an
bayrifche gewendet; er bietet u. a. Beiträge von Bachmann
, Grützmacher (Erlangen), Böckh (Nürnberg), Stählin
(Kaufbeuren), Kadner (München). Hier fehlt die Mi-
fchung der Richtungen, man fpürt, aber mehr an der Ausdrucksweife
als an dem Gedankengehalf, daß man Männer
der theologifchen Rechten hört; aber manche Predigt
verzichtet auf die altgewohnte feierliche Propofition und
zieht ganz modernes Gewand an; die Texte flehen in
freier Mifchung. Bemerkt fei, daß mehrere der 17 hier
vereinigten Stücke einen Typus der Kriegspredigt vertreten
, der den Zeitinhalt zugunften allgemeinerer Gedanken
mehr zurücktreten läßt; fo z. B. die von Veit: Was macht
uns Mut und Luft zum Beten?, auch die von Bachmann:
Sorgen und ihre Überwindungl Daneben flehen aber
andere, die ganz von dem Erleben der Zeit erfüllt find;
fo: Von der Erneuerung unferes Volkslebens (Böckh),
Kaufet die Zeit aus! (Hofftätter). — Prediger aus dem
deutfchen Weften und Süden haben zu dem 17. Bändchen
der ,Feftpredigt des freien Chriftentums'12 beigefteuert;
drei Berliner, (A. Fifcher, Hachmeifter, J. Heyn), ferner Lue-
ken (Frankfurt a/M.), Cefar (Jena), Fuchs (Rüffelsheim),
Jäger (Freiburg), Freybe (Barver i. H.). Reichlich die
Hälfte find Stadt-, nur etwa vier Dorfpredigten. Aber die
gedankenreiche und geiftvolle Predigt von Maas (Laufen)
,Luther, der Landsknecht Gottes, mit riefiger Bibel bewehrt
', will mir gar nicht als Dorfpredigt erfcheinen; auch
die Sylvefterpredigt von Freybe ift fürs Land zu hoch
gegriffen; ob diefe wohl eigens für den Druck gefchrieben
oder für ihn umgeftaltet wurden? Aber es find durchweg
Predigten, die das Übliche beifeite laffen, die im Ausdruck
allen Kanzelklang meiden, ernfte und gute Gedanken
in eigener Faffung, nur eben in einer auf Gebildete, oft
auf Anfpruchsvolle berechneten Form darbieten.

4. Katholifche Predigten. Daß die Beftrebungen zur
Reform der katholifchen Predigt nicht auf unfruchtbaren
Boden fallen, zeigt auch diefer Krieg. Wie Worlitfcheck
(Theol.Lit.-Ztg. 1915, Nr. 7 Sp. 147), fo ift auch Jatfch13
ein ganz moderner Prediger. Ja er gefällt mir noch beffer
als jener. Worlitfcheck ift Virtuofe in der Benutzung aller
Kriegseinzelheiten; Jatfch hat feine Stärke in der Dar-

11) Ein fefte Burg ift unfer Gott. Sammlung von Kriegspredigten,
hrsg. von Dekan Lic. Dr. Chriftian Bürckftümmer. (VI, 195 S.) 8°.
München, C. H. Beck 1915. Geb. M. 2.80

12) Die Feftpredigt des freien Chriftentums, unter Mitwirkg. inländ.
u. ausländ. Prediger hrsg. v. P. Glaue. 17. Bd. Kriegspredigten. (114 S.)
8". Berlin, Proteftantifcher Schriftenvertrieb 1915. M. 1.20; geb. M. 1-5°

13) Jatfch, Prof. Dr. Jofeph: Unfer Gottesglaube und der Krieg-
(VI, 108 S.) 8°. Freiburg i. B., Herder 1915. M. 1.30; geb. M. 1.60