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Ausgabe:

1915 Nr. 10

Spalte:

229-230

Autor/Hrsg.:

Willmann, Otto

Titel/Untertitel:

Aus der Werkstatt der Philosophia perennis 1915

Rezensent:

Kowalewski, Arnold

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Seite 1

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229

Theologifche Literaturzeitung 1915 Nr. 10.

230

Duldung zur Gleichberechtigung in Öfterreich' 1911, bei
der Verhandlung Metternichs mit dem preußifchen Ge-
fandten in Wien, Graf Maltzan und dem Hofprediger
Strauß wegen der Zillerthaler; ferner bei dem Empfang
des englifchen Vertreters der Bibelgefellfchaft und deren
weiteren Ablehnung. Aus .Archivalien zur neueren Ge-
fchichte Öfterreichs' 1. Bd. 2. u. 3. Heft Wien 1909 S. 149
ift zu erfehen, daß im fürftlich Metternichfchen Familienarchiv
zu Pleß in Böhmen ,Entwurf zu einer öfterreich-
ifchen Bibelgefellfchaft' fich befindet. Allein Widmann
fcheint grundsätzlich auf archivalifche Erhebungen zu verzichten
, wie er fich auch um die Korrefpondenz Metter-
nich-Weffenberg nicht weiter bemüht hat (S. 42).

Der kühle, oft fo frivole Diplomat und Lebemann,
der gewöhnlich einem leichtgefchürzten Peffimismus huldigt
, findet in feinen Privatbriefen Töne religiöfen Gefühles.
Er wurde in den letzten Jahren feines Lebens ein guter

:holik, ja feit Anfang der 30er Jahre des Jahrhunderts
fcheint eine religiöfe Vertiefung beobachtet werden zu
können. Seine dritte Frau behauptet, der Apoftel Paulus
fei fein Vorbild geworden I ..Je überfchwänglicher folche
Sätze über den Eürften und von ihm find, defto mehr
Mißtrauen wird man ihnen entgegenbringen und fich darauf
zurückziehen müffen, daß man es dabei über Ge-
fchmacksurteile nicht hinausbringt. Das derbe alte Sprichwort
von Lebedamen, die im Alter fromm werden, will
Einem nicht aus dem Sinn. Ob nicht doch des Fürften
Zeitgenoffen und feine unerbittlichen hiftorifchen Kritiker
der Wirklichkeit näher geblieben find, als wenn man
fich den einfchmeichelnden Tönen eines in allen Sätteln
gerechten überaus gewitzten Diplomaten hingibt, der
wohl auch das Heiligfte zu feiner Verherrlichung mißbrauchen
konnte? Non liquet!

Widmann geht noch im Einzeln Metternichs Stellung
zur Heiligen Allianz nach, zur Kurie und Jofefinismus,
zu Weffenberg, zur Pforte, zu den Jefuiten und Deutfch-
katholiken. —

Es ift kein großer Sprung von Metternich zum Altkatholizismus
. ,Eine Abneigung gegen die Kirche war
die Frucht des Metternichfchen Syftems' fagt Demmel,
fie kam dem Altkatholizismus zu gute. Demmel gibt zu-
nächft eine kurze Vorgeschichte der Bewegung, fcb.il-
dert das Schwanken der Öfterreichifchen Bifchöfe gegenüber
der Infallibilität, das Taften der Regierung, die
Unficherheit der altkatholifchen Führer. Der etwas umfangreichere
zweite Abfchnitt befaßt fich mit der neueren
Gefchichte feit 1877 und vertufcht nicht die Irrungen im
eigenen Lager. Er gedenkt der Beziehungen zur Losgrößtem
Dank zu begrüßen. Wiffenfchaftslehre, Philofo-
phiegefchichte, Streitfragen der Gegenwart, theoretifche
und praktifche Philofophie bilden die Fächer, nach denen
das Ganze gegliedert wird. Als gläubiger katholifcher
Philofoph verficht W. überall die ariftotelifch-chriftliche
Philofophie. Das moderne fubjektive Spekulieren wird
fcharf verurteilt. Gewiffe Grundgedanken des Verf. find
zweifellos von allen konfeffionellen Gegenfätzen unabhängig
und fehr beherzigenswert. Ich meine die energifche Betonung
des ethifchen Faktors und der hiftorifchen Kontinuität
in der Philofophie. Man ftudiere z. B. die gediegenen
Stücke 2, 3 und 5 im I. Abfchnitt: .Arbeitsteilung
und Werkvereinigung beim Betriebe der Wiffenfchaft', ,Die
Bedingungen organifchen Wiffensbetriebes', .Abgebrochene
und durchgeführte Denkarbeit'. Die glänzende .Charak-
teriftik des 19. Jahrhunderts' in Stück 1 des Abfchnitts III
wird mit ihrer klaffifchen Prägnanz jeden Lefer feffeln.

Katholik, ja feit Anfang der wer Jahre des Jahrhunderts Daß verfchiedentlich nach authentifchen Urkunden die

Richtlinien der offiziellen katholifchen Philofophie offen
und klar entwickelt werden, ift für die Außenftehenden

eine wertvolle Orientierung (vgl. ,Papft Leo XIII. als
Studienreftaurator' und ,die Stellung der Enzyklika Aeterni
Patris zu den philofophifchen Zeitbeftrebungen'). Der
Vortrag .Thomismus und Kantianismus als Ausprägung
zweier Weltanfchauungen', womit W. feinerzeit den Zyklus
gleichen Titels in dem .Salzburger Philofophat' einleitete,
bildet ein intereffantes Gegenftück zu der bekannten
Eucken'fchen Schrift .Thomas von Aquino und Kant'.
Aus diefem reichhaltigen Bande können wir entnehmen,
wie vielfeitig und gewaltig Willmann neben feiner wiffen-
fchaftlichen Tätigkeit fozufagen als philofophifcher Prediger
gewirkt hat. Seine fchlagfertige Dialektik, feine
packende Bilderfprache und fein ehrlicher Bekennermut
fichern ihm auch bei Andersdenkenden allgemeine Hochachtung
.

Königsberg i. Pr. A. Kowalewski.

Ziegler, Theobald: Menfchen und Probleme. Reden, Vorträge
und Auffätze. (IX, 424 S.) gr. 8°. Berlin,
G. Reimer 1914. M. 7—; geb. M. 8.50

Wir können uns diefer Sammlung freuen. Es foll
noch ein weiterer Band folgen, wie die Vorrede ausdrücklich
fagt und ein Vorderblatt mit der Auffchrift ,Erfte
Reihe: Menfchen' auch erkennbar macht. ,Mit den
„Problemen" bin ich noch nicht fertig, und fo kämen fie
auch jetzt noch zu früh; die zweite Reihe diefer Sammwon
-Rom-Bewegung und glaubt feftftellen zu können, daß I lung wird daher noch auf fich warten laffen'. Möchte es

die religiös- und national-gefinnten Volksteile mehr dem j dem trefflichen Straßburger Philofophen (jetzt im Ruhe-
Altkatholizismus zuneigten, die lediglich aus politifchen ftande) befchieden fein, auch die .Probleme', die er für
Gründen aus der römifchen Kirche fcheidenden zum Pro- eine Behandlung in der Form, wie er hier über .Menfchen"
teftantismus, und daß der Altkatholizismus zur Verföhnung . handelt, im Sinne hat, noch .fertig' zu bringen. Es find
der nationalen Gegenfätze beizutragen und die Politik von ^ Reden, Vorträge und Auffätze, in denen Z. fich hier ausser
Religion loszulöfen habe. Wenn auch die Werbekraft | fpricht. In diefer Form ift er ein Meifter. Nie zu breit,
des Altkatholizismus fich als fchwächer erwiefen hat als immer fachlich, voll perfönlicher Beteiligung, mit klugem
d'e des Proteftantismus, fo kann das die wechfelfeitige j Urteil über Menfchen und Verhältniffe, ift Z. immer anSchätzung
eher begünftigen, zu der auch Demmels gut t regend; ich meide den Ausdruck .intereffant'. Z. ift ur-
"nterrichtende Arbeit beitragen will und kann. j fprünglich Theolog gewefen, und es find meift Theologen,

Wien. Georg Loefche. i folche, die es geblieben oder, wie er felber, zur Philo-

------__ I fophie oder zur Schule übergegangen find, mit denen er

u,. fich befchäftigt: Luther, Melanchthon, Fichte, Hegel,

"'"mann, Hofr. Prof. Dr. Otto: Aus der Werkltatt der Phi- R.Rothe, D.F.Strauß, Fr.Th.Vifcher, G.Binder,Ed.Zeller,
losophia perennis. Gefammelte philofoph. Schriften. (IX, , A. Hausrath, Edm. Pfleiderer, Chr. Schrempf. Im übrigen
3n S.) gr. 80. Freiburg i. B, Herder 1912. ! «nd es größtenteils folche, die ja,nur' Philofophen, oder

' & Tv/r M r »n I aucn Schulmanner waren, aber doch der Theologie und

Kirche befonders viel bedeutet haben, bedeuten könnten
oder follten, fei es auch nur, daß fie der Theologie Steine
in den Weg gerollt haben, ihr Probleme zeigten, die fie
nicht abweifen kann: Kant, Feuerbach, Nietzfche, Joh.
Sturm, Peftalozzi.

Vielleicht auch dürfen Staatsmänner wie Wilh. v.
Humboldt oder Thomas Morus hier mitgerechnet werden,

M. 4.20; geb. M. 5.20

p Der vorliegende Sammelband enthält 38 Auffätze und
f^den, die die großen philofophifchen Werke des Verf.
11 ff hlchte des Idealismus' und ,Philof. Propädeutik')
von • re-n und erffanzen follen. Da die Erftdrucke hier-
Zeit m V'elen z- T- foQwer zugänglichen Zeitfchriften und
uungen erfchienen, ift ihre nochmalige Wiedergabe mit