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Ausgabe:

1915

Spalte:

193-195

Autor/Hrsg.:

Dussaud, René

Titel/Untertitel:

Introduction à l‘histoire des religions 1915

Rezensent:

Bousset, Wilhelm

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf Harnack

Fortgeführt von Professor D. Arthur Titius und Oberlehrer Lic. Hermann Schuster

Jährlich 26 Nrn. Verlag: j. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig Halbjahrlich 10 Mark

Manufkripte und gelehrte Mitteilungen And ausfchließlichan , TX/Toi 1Q1

AQ TarVPP" lNJr Q Profcflbr D. Titius in Göttingen, Nikolausberger Weg 66, zu fenden. J, JL.VJ.CU JvVlvJ

uaul 8* J»1' *J Rczenfionsexemplare ausfchließlich an den Verlag.

Dussaud, Introduction a l'histoire des religions
. (Bouffet).

Saijman, De Profetie van Zefanja (Nowack).
Dier, Genefis (Holzinger).

Detter, Charts. Unterfuchungen zum Neuen
Teftament. 5. Heft, (von der Goltz).

Hitchcock, Irenaeus of Lugdunum (Krüger).

Schwartz, Kaifer Konftantin und die chriftliche
Kirche (Jülicher).

Koch, Konftantin der Große und das Chriften-
tum (Derf.).

Meyer, Die Preces der mozarabifchen Liturgie
(Kger).

Schultze, Stadtgemeinde und Kirche im Mittelalter
(Lerche).

Köhler, Luther und die Lüge (Scheel).

Grifar, Walther Köhler über Luther und die
Lüge (Derf.).

Briggs, Theological Symbolics (Kattenbufch).

Riviere, Le Dogme de la Redemption (Lob-
ftein).

Schumann, Religion u. Wirklichkeit (Scholz).
Emiein, Der Kindergottesdienft (Zauleck).
Stange, Die Gemeinfchaft mit dem lebendigen

Gott (Schian).
Referate: Olympiodori philosophi in Piatonis

Phaedonem commentaria. — Lohr, Einführung
in das Alte Teftament. — Guttmann,
Zur Einleitung in die Halacha. —Menzies,
The second Epistle of the Apostle Paul to the
Corinthians. — Dieterich, Nekyia. — Pas-
cals ,Pensees'. — Handtmann, Die Ad-
ventiften vom 7. Tag (Sabbatiften). — Cahn,
Die religiöfen Strömungen in der zeitgenöffi-
fchen Judenheit. — Flügel, Herbarts Lehren
und Leben. — Philofophifche Abhandlungen,
Hermann Cohen dargebracht. — Damkier,
Teologisk Stat. — Marie, Der Myftizismus
in feinen Beziehungen zur Geiftesftörung.

Wichtige Rezenfionen — Neuefte Literatur.

Dussaud, Rene: Introduction ä l'histoire des religions. (VI,
292 S.) 8". Paris, E. Leroux 1914. fr. 3.50

Was hier vorliegt ift mehr als eine phänomenologische
Einleitung zur Religionsgefchichte, wie man fie fonft häufig
findet, nämlich eine eindringende und eigenartige Studie
über das Thema: Wefen der Religion. Der Verfaffer
fucht feine Anfchauung, die er fich von deren Wefen ,

gemacht hat, an den verfchiedenften Erfcheinungsformen 1 fe«10"*™ Lebensenergien, die in diefem oder jenem Naturgegenftand
der Religion, vor allem an den primitiven ZU erhärten. W^Cn;. Die Grul^.en-Götte^-der Familie des Stammes, des Volkes re-
y.~ l " 'jt , ' , . , j " . .' _ . I prafentieren das in ihnen fich darfteilende Lebenspnnzip. Jahwe ift die

■ üerrlchenden aninilltllchen Theorien weift D.,_Wie es , Perfonißkatio,. des Lebensprinzipes des Stammes oder einer Gruppe von

'-----— ™---in. —~.»l;,.v. v„r_

Gefichtspunkt aus gefehen, das F'ragment des totemiftifchen Prinzips, das
jedes Individuum befitzt! oder: das Mana, das in einem Individuum ein-
gefchloflen ift, ift die Seele. Von hier eröffnen fich Ausblicke auf den
Genius der Römer, auf die Sitte, beim bau des Haufes durch ein Menfchen-
opfer dem Bau feinen fchützendeu Genius zu incorporieren, auf das Dai-
monion der Griechen, auf die lucorporatiou der Seelenkraft im Atem, im
Blute, im Herzen, in den Haaren, in den Nägeln, in dem Auge (böfer
Blick), in der Haud, im Schatten, im Namen: das alles find primitive
biologifche Ideen. Die höheren Naturgötter find nichts anderes als die

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jetzt Mode wird, beftimmt ab, und nimmt feinen Einfatz-
punkt bei den foziologifchen Theorien und beim Problem
des Totemismus. Er lobt die Definition der Religion
von Dürkheim (S. 12), weil fie neben dem Glauben vor
allem den Kult betone und daneben den Gedanken der
Gemeinfchaft fo ftark einführe. Doch will er auf der
anderen Seite die einfeitige foziologifche Auffaffung nicht
mitmachen und betont den Einfluß des Individuums in
der Religionsgefchichte. Vor allem beanftandet er an
Dürkheims Definition, daß in ihr der Begriff des Heiligen,
auf den fich Glaube wie Riten beziehen, nicht deutlich
genug herausgearbeitet fei. Er fetzt aber auch feinerfeits,
wie die foziologifche Schule, beim Totemismus ein, obwohl
er felbft darauf hinweifen muß, daß die Meinung,
aE hätten wir es hier mit einer zentralen und bedeutsamen
religiöfen Erfcheinung zu tun, von keinem anderen
als von ihrem bedeutfamften Vertreter und Förderer
m. Frazer felbft wieder aufgegeben fei. Indem D. nun-
mehr die Erfcheinung des Totemismus zergliedert, kommt
*ir auf den beherrfchenden Satz, daß das gemeinfame
^and, das in totemiftifchen Kulten die Glieder eines be-
ftunmten Stammes mit einer Tiergattung oder einer
*uanzenart verbinde, nichts anderes fei als das, wenn
auch noch fo dunkel und unbeftimmt empfundene Prinzip
des gemeinfamen Lebens, und fo hat er das große Schlagwort
gewonnen, das fein ganzes Werk beherrfcht: alle
J>eligion ift gerichtet auf das Prinzip des Lebens;
?as Mana der Melanefier, das Orenda der Irokefen, das
Jamtu der Algonkins, in anderer Weife wieder das ägyp-
dI Li ^a ~ alles ift im Grunde nur Ausdruck für diefe
unkle Empfindung des Lebensprinzipes. ,So war die
^ehgion nur eines der Mittel, durch welche der Menfch
.uchte, nicnt allein zu leben, fondern auch feine Energiequellen
, fein Potentiale, zu vermehren' (S. 32).

'"uftrationen aus dem Totemismus bieten fich mit Leichtigkeit dar,
»rauchen das kaum weiter auszuführen. Die Seele ift, von diefem

'93 i94

Stämmen. ,Das Lebensprinzip eines jeden Dinges ift göttlich in ver-
fchiedener Abftufung, die durch die Volksgunft, oder den Willen the<-
logifcher Schulen hervorgerufen wird.' Von hier aus erklärt fich die
Tatfache der Materialifierung der Gottheit in naturhaften Gegenftänden,
der Fetifch ift nicht anderes als die Incorporation eines Lebensprinzipes,
wir verliehen, wie es weiter zur Verehrung der heiligen Knochen, in
denen die Seelenkraft fich uiedergefchlagen hat, zu Reliquienverehrung
und Märtyrerkult kommt. Besonders bedeutfam und reich an Beobachtungen
find die Ausführungen, die D. über das Opfer bringt. Er knüpft
an die Theorien von Robertfon Smith und von Frazer an, um fie in
eigentümlicher Weife zu erweitern. Das Endziel, das alles Opfern hat,
befteht nach ihm darin, die vollftändige oder zeitliche Vereinigung des
Lebensprinzipes des Opfernden mit dem Lebensprinzip desjenigen herbeizuführen
, an den fich das Opfer wendet. Das gefchieht in den weitaus
meiden Fällen nicht durch das Mittel der gemeinfamen Mahlzeit, einer
Einfeitigkeit der Annahme, der Robertfon Smith verfallen ift, fo daß bei
ihm Opfern und Effen als beinah identifch erfcheint. Es kann fich vielmehr
auf die verfchiedenfte Weife vollziehen, auf die verfchiedenfte Weife
die Berührung des Opfernden mit dem Göttlichen eintreten, niemals aber ift
auch nach D. das Opfer eine einfache Gabe, durch welche die Gottheit zur
Gegenleiftung beftimmt werden foll, fondern immer der Vernich, den Opfernden
an die Gottheit und die Gottheit an den Opfernden zu binden, Leben dem
Leben zu einen, wie es in einem babylonifchen Zaubertext heißt. Diefeinerzeit
von Mannhardt und Frazer erforfchten Agrarkulte, in denen das Gottesopfer
eine befondere Rolle fpielt, haben demgemäß nach D. folgenden Sinn: man
befreit das Lebensprinzip, den Geift, durch Zerftörung der alten Hülle,
die es umgibt, etwa durch Tötung des Gott-Königs, der es repräfentiert,
und man fichert das Lebensprinzip, indem man ihm eine neue Hülle
fchafft. ,Unter welcher Form es fich auch darftellt, mau fieht, daß immer
am Grunde des Opfers die Abficht erfcheint, fich eines Lebensprinzips
zu bemächtigen"; ,fich der Gottheit zu einen, um aus ihrer Macht ftark
zu werden, das ift das, was Jefus durch fein Opfer hat ermöglichen
wollen.' ,So erfcheint das Opfer als das Produkt erfter biologifcher Ideen
der Mcnfchheit.' — Die Initiationsakte der Myfterienkulte ftellen fich von
hier aus dar als die ftufenweife Einfügung des Myften in eine jeweilig
höhere Lebensordnung, wobei dann das niedere Lebensprinzip jedesmal
zerftört und aufgehoben werden muß.

Doch ich breche hier ab, es muß genügen, an diefen
Beifpielen die Betrachtung Dussaud's illuftriert zu haben.
Was aber die Thefe felbft betrifft, fo muß ich bekennen,
das fie trotz ihrer glänzenden Durchführung und vieler
fcharffinniger und feiner Beobachtung den allerfchwerften