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Ausgabe:

1914

Spalte:

153

Autor/Hrsg.:

Stanton, St. B.

Titel/Untertitel:

Seele und Welt 1914

Rezensent:

Niebergall, Friedrich

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153

Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 5.

'54

Stanton, St. B.: Seele und Welt. (Übertr. v. Otto Knapp.)
(223 S.) 8°. Stuttgart, J. Hoffmann (1912). M. 3 —;

geb. M. 4 —

So fehr man auch zuerft vor 223 S. mit Sprichwörtern
und Aphorismen erfchrecken mag, die nur notdürftig in
etwa 30 Abteilungen eingezwängt find, bald läßt einen
die feingefchliffene Form und manche ins Schwarze treffende
Bemerkung nicht mehr los. Man fchaut in einen
Geift hinein, der dem Lefer Vertrauen für das, was er fagt,
abgewinnt, weil fo vieles ganz merkwürdig mit unfern
vermeintlich ganz einzigartigen Erfahrungen übereinftimmt.
Bald ftellt fich auch der Charakter diefes Geiftes heraus;
bei aller fcharf realiftifchen Selbft- und Menfchenbeobach-
tung herrfcht ein heiterer Stoizismus: das Glück liegt in
der Einfachheit und Natürlichkeit. Ein folches Leben
ift gegründet auf die tieffte Art der Welt und der Natur
; denn es liegt ihr ein unverwüftlich guter Sinn zugrunde
, und diefem entfpricht der Grundtrieb der menfch-
lichen Seele. Wer diefem Glauben lebt, daß wie in dem
vom Himmel herabgelaffenen Tuche (Apoftelgefchichte 10)
nichts Unreines in der Welt ift, der kommt zur höchften
Entfaltung feiner Kraft und zu immer neuer Güte. —
Läßt uns auch diefe Grundanfchauung jede Ahnung von
dem Bruch der durch die Welt und die Menfchenfeele
geht, vermiffen, fo können wir doch dankbar fein für

Wo es ihm möglich gewefen ift, hat der Bearbeiter den
alten Text beibehalten — freilich ift das nur an wenigen
Stellen möglich gewefen. Vor allen Dingen hat der Bearbeiter
den warmen, um nicht zu fagen erbaulichen Ton
des alten Werkes beibehalten: denn das Buch foll den
jungen Theologen begeiftern, es foll den zukünftigen
Priefter für den katholifchen Kult erwärmen. Intereffant
ift, daß Eifenhofer dem Proteftantismus eine Liturgie
zugibt. Thalhofer hat das nicht getan. Auch wenn man
z. B. im Herderfchen Konverfationslexikon die einfchlä-
gigen Artikel, von Fachleuten bearbeitet, nachlieft, wird
man finden, daß dem Proteftantismus eine Liturgie im
eigentlichen Sinne abgefprochen wird. Nachdem E.Liturgie
in längeren Ausführungen darlegt im allgemeinen Sinne
als autoritativ geregelter öffentlicher Kult, ftellt er in den
Vordergrund der kath 01 i fch en Liturgik die Perfon Chrifti,
vor allen Dingen feinen Opfertod, der fortdauert in dem
Opfer der Altäre, welches der eigentliche Mittelpunkt der
katholifchen Liturgie ift. ,Die Kirche läßt uns keinen
Zweifel darüber, daß Chriftus es ift, der fich auf den
Altären opfert, der ministerio sacerdotum die Gnade der
Heiligen Sakramente flüffig macht.' Und ferner führt E.
aus ,bei der Feier des heiligen Opfers und der Spendung
der Heiligen Sakramente find Bifchof und Priefter nomine
Chrifti, oder wie die Schule es ausdrückte in persona
Chrifti tätig. Sofern die vom Ordinierten vollzogenen

die Fülle von Beobachtungen und Winken, die geradezu liturgifchen Akte im Grunde genommen Akte Chrifti, des

verfchwenderifch hier ausgeftreut werden. PLinige Proben verklärten Hohenpriefters find, haben fie felbftverftändlich

mögen zum Lefen Luft machen: Die Welt ift ein Feft- i eine von der persönlichen Würdigkeit oder Unwürdigkeit

mahl für den nicht verdorbenen Gaumen (S. 7). Das des betreffenden Liturgen unabhängige Wirkung. Dadurch,

Holz des Wirklichen ift bis zur Unkenntnis von eingelegter 1 daß die Tätigkeit des Liturgen nomine ecclesiae gefchieht,

Arbeit verdeckt S. 14. Der Verfuch, das Gefühl in Be- erwächft ihr ein ganz befonderer Wert, welcher durch

griffe zu faffen, macht es zunichte S. 21. Wie wenig 1 eine mögliche Unwürdigkeit des Liturgen nicht gefchädigt

Dank ernten die mißlichen Verhältniffe für das Gute, das [ wird. Die Proteftanten leugnen nun einerfeits das fich

fie uns tun S. 25. Jede Erfahrung fpart ihren beften täglich wiederholende Opfer Chrifti, andererfeits kennen

Wein bis zuletzt S. 54. Alle Verfaffungen und Religionen 1 fie nicht die mittlerifche Stellung der Liturgen. In den

werden freier, je länger fie ausgelegt werden S. 56. Alle 1 Vordergrund des evangelifchen Gottesdienftes ift die

Menfchen kann man am Brotbrechen erkennen S. 73. Predigt getreten — das Abendmahl wird immer mehr als

Auf jeden Sonntag der Ruhe folgt ein Montag neuer befondere Feier gehandhabt — und die proteftantifchen

Kraftentfaltung S. 80. Bei jeder Sintflut bewahrt eine , Liturgen find nicht tätig nomine ecclesiae und nomine

kleine Arche einen Überreft S. 99. Jede Philofophie ift
Apologie, gewöhnlich des eignen Lebens S. 117. Kein
Vorrecht ohne Pflicht: wer zehn Talente hat, muß fie
verdoppeln S. 119. Gott vertraut dem Triebe S. 136.
Senfation die moderne Form des Aberglaubens 213.
Welches Leben fucht fein Ziel nicht jenfeits eines Jordan
S. 219.

Heidelberg. F. Niebergall.

Thalhofer, weil, päpftl. Hauspräl. Prof.Dr. Valentin: Handbuch
der katholifchen Liturgik. 2. völlig umgearb. u.
vervollft. Aufl. 2 Bde. (Theologifche Bibliothek.) (XII,
716 u. IX, 676 S.) gr. 8°. Freiburg i. B., Herder 1912.

M. 20 —; geb. M. 23 —

Bei einer Anzeige diefes Werkes für unfere Ztfchr. kann
es nach Meinung des Referenten nicht darauf ankommen,
feftzuftellen, wie weit dies Buch dem proteftantifchen
Ideenkreife fernfteht, in wie hohem Maße es die Gegnerschaft
der lutherifchen Theologie herausfordert. Rendtorf
dt in feiner Anzeige (Theol. Litbl. 1913 Nr. 12), die im Allgemeinen
doch anerkennend fein follte, recht fcharf gegen
vericniedene Partien diefes Werkes vorgegangen: ich frage:
zu welchem Ende? Wenn der proteftantifche Theologe
zu einer katholifchen Liturgik greift, verzichtet er von .
vornherein darauf, hier etwas zu finden, das feinem Ideen- orientiert fein.

Kreis homogen ift. Es ift naturgemäß eine fremde Welt, So fehlen i. B. bei Behandlung des Palliums Hinweife auf die

die der Proteftant in diefem Werke findet, eine Welt, in ' Formeln des Liber diurnus (ed. Sickel, Wien 1889), auf die Arbeit

die viele Pfade der mittelalterlichen Kircheno-efrhirhte I von C B- Graf v- Hacke, Palliumverleihungen bis 1143, Gottingen 1S9S.

hineinführen und die decr.nlH • r":Üen Rircnengeicnicnte . D;e pa (lurkunden hätt h den neuefteu Ausgaben zitiert werden

a ichin„ 1 U desh:lb n'cht ganz unbekannt, wenn foll %t ßr Hamburg nach der Ausgabe von Curfchmann. Für

aucü innerlich unverwandt bleiben darf. Eifenhofer hat | die liturgifchen Iufignieu im allgemeinen fei verwiefen auf Arch. f. Ufr

r™ der Umarbeitung von Thalhofers Handbuch eine kundenforfchung in, 143 fr.

jedenfalls tüchtige, beachtenswerte Leiftung vollbracht. 1 Mit der Einteilung des Kirchenjahrs, mit einer Über-

Chrifti mediatoris, fondern allein als Delegierte der Gemeinde
— nach konfequenter Durchführung der Reformierten
. Wenn auch E. im Gegenfatz zu Th. eine proteftantifche
Liturgik gelten laffen will, fo hat doch eine
nähere Auseinanderfetzung bei der gewaltigen Verfchieden-
heit der Standpunkte keinen irgendwie wiffenfchaftlichen
Wert.

Der hohe wiffenfchaftliche Wert des neuen Handbuches
kann trotz mancher Mängel nicht beftritten werden.
Das Werk ift durch ein vorzügliches Regifter ein hervorragender
Wegweifer nicht nur für den katholifchen Theologen
, fondern — und das ift das wichtige — für jeden
kirchengefchichtlich Arbeitenden. Von Bedeutung find die
methodifchen und prinzipiellen Erörterungen von der liturgifchen
Gefetzgebung, von der Liturgik als Wiffenfchaft
und vor allem eine gute über 90 Seiten ftarke Gefchichte
der Liturgik. Im Zusammenhange einer allgemeinen Liturgik
ftellt E. zunächft dar die Formen der katholifchen Liturgie:
Wort und augenfällige Handlung in Verbindung mit
Naturalobjekten. Sodann werden erörtert das Kirchengebäude
, der Altar, die Glocken, die Orgel, die liturgifchen
Gefäße und liturgifchen Gewänder. Daß nicht alle
Kapitel gleichmäßig behandelt find, daß hier und da
manche Literaturangaben fehlen, ift nicht verwunderlich:
nicht auf jedem Gebiete kann ein Autor gleichmäßig