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Ausgabe:

1914 Nr. 5

Spalte:

140-141

Autor/Hrsg.:

Goldbacher, Al. (Ed.)

Titel/Untertitel:

Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum. Vol. LVII, pars IV 1914

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 5.

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ftatt die proteftantifche Disziplin der altchriftlichen
Literaturgefchichte zu akzeptieren, ihr einige katholifche
Lumina aufzufetzen und dies für eine ,Altkirchliche Lite

Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum. Editum con-

silio et impensis Academiae Litterarum Caesareae Vin-

dobonensis. Vol. LVII. S. Aureli Augustini Hip-
raturgefchichte' zu erklaren. Vielleicht bringen es die Ge- ... . . , .& ^

lehrten der .Berliner' Richtung im Katholizismus noch zu poniensis episcopi Epistulae. Recensuit et commen

einer richtig gehenden .Altkirchlichen Literaturgefchichte'.
Sie würden damit der Wiffenfchaft einen wirklichen Dienft
tun und methodologifch ganze Arbeit leiften.

Ich wundre mich freilich, daß Bardenhewer nicht
fchon felbft fo verfahren ift; denn an ftrengem katholifchem
Selbftbewußtfein fehlt es ihm nicht; ja offenbar ift das-
felbe bei ihm von Werk zu Werk und von Auflage zu
Auflage ftets gewachfen. Noch ein folcher Sieg, und
ftatt des zerflatternden Gewandes der fälfchlich .altkirchlich
' genannten Literaturgefchichte, in welches er fleh gehüllt
hat, erfchiene er in der angegoßenen Rüftung einer
Literaturgefchichte, die wirklich nur aus kirchlichen Rüft-
ftücken beftünde. Als Appendix und im Kleindruck mögen
dann nicht nur die Werke der Gnoftiker, fondern z. B.
auch die Werke der Apologeten erfcheinen, während
freilich die Namen der letzteren im Großdruck nicht fehlen
dürften. Auch Tertullian, Clemens, Origenes und Eufebius
müßten in der formlofen Appendix diefer Literaturgefchichte
verfchwinden. Irenaus wäre vielleicht noch zu
retten; aber wer hier ganz ficher gehen will, füllt die
große Lücke zwifchen Paulus und Athanafius lediglich
mit den Ignatiusbriefen und einigen Martyrien aus, fetzt
aber dazu das .depositum fidei' felbft, getragen von einer
Schar von Namen — deren Werke ihnen aber nicht
nachfolgen dürfen —, in die entsprechende künftliche
Beleuchtung!

Augenscheinlich ift Bardenhewer vom Geift unfres
Zeitalters zu fehr angekränkelt, um der kritifchen Tradition
zu folgen, in der feine Kirche fleh felbft über ihre alte
Literatur felbftbewußt, rückfichtslos und mutig ausge-
fprochen hat. Statt deffen will er (S. 16 not.) bei mir
,eine Hochachtung vor der Tradition' bemerkt haben,
welche er ,faft wie eine Vernachläffigung der Aufgaben
der Kritik empfunden habe'. Was man doch nicht alles
erlebt! Zwar handelt es fleh hier nicht um die fides
traditionis dogmaticae, fondern um die der traditio historica;
allein auch in diefer Form habe ich mir nie träumen
laffen, einmal von katholifcher Seite als Hyperkonfer-
vativer eine faft wie ein Lob wirkende Warnung zu erhalten
! So werden die Letzten die Erften! Augenfcheinlich
bin ich auf beftem Wege, mir ein meritum de
congruo zu erwerben! Trotz diefer unerwünfehten Ausficht
halte ich daran feft, daß es noch manche gute Tradition
gibt, die zu Unrecht verworfen ift, und daß es ein ebenfo
großes wiffenfehaftliches Verdienft ift, irrtümlich Verworfenes
wiederherzustellen, wie irrtümlich Anerkanntes

tario critico instruxit AI. Goldbacher. Pars IV. Ep.
CLXXXV-CCLXX. (656p.)gr.8o. Wien, F. Tempsky
I911- M. 21 —

Der vorliegende 4. Teil der Ausgabe von Auguftins
Briefen enthält die Nummern 185—270; damit ift für alle
noch vorhandenen Stücke aus Auguftins Korrefpondenz
der Text in neuer Bearbeitung fertig geftellt; ein für 1913
verheißener Schlußband wird die Prolegomena und 6 Register
bringen.

Was zum Lobe der früheren Teile diefes Werks ge-
fagt werden konnte, auf deffen würdige Gestaltung der
Herausgeber ungeheuren Fleiß verwendet hat, gilt von
dem neuen erft recht. Wiederum wird uns ein Ineditum
geboten. Nr. 185A, das Fragment eines Briefs an den
comes Bonifatius aus dem cod. Angiensis XCV; neue
Handfchriften find reichlich herbeigezogen und haben bei
einer Anzahl von Briefen, was ich gern ausdrücklich hervorhebe
, nicht etwa nur den Varianten-Apparat vergrößert,
fondern erhebliche Korrekturen an dem Maurinertext ermöglicht
. Im Nachweis der biblifchen (und anderweiten)
Zitate läßt Goldbacher feine Vorgänger noch weiter hinter
fich.

Daß der Philologe jede Zutat des Historikers zu feinem
fauberen Text verfchmäht, daß er zwar die Reihenfolge
der Briefe von den Maurinern übernimmt, aber nirgends
dem Lefer verrät, in welches Jahr ungefähr der einzelne
Brief fällt, kann bei diefem letzten Bande den Gebrauch
der neuen Ausgabe für die gefchichtliche Forfchung nicht
bloß erfchweren, fondern geradezu in Gefahr bringen; denn
nur bis Brief 231 reichen die von den Maurinen mit einiger
Wahrfcheinlichkeit datierten und streng der Zeitfolge gemäß
aufgereihten Stücke, ep. 232—270 bilden die 4. Klaffe der
alten Ausgabe, d. h. nicht genauer zu datierende Briefe
aus den verfchiedenften Perioden: hätte hier nicht wenigstens
dem Lefer angedeutet werden müffen, daß mit 231, dem
jüngsten datierbaren Brief von Auguftins Hand, die chro-
nologifch geordnete Reihe zu Ende ift, und man nicht
mehr wie bei ep. 185—231 ficher fein darf, den alten
Bifchof von Hippo R. reden zu hören? Da die Rücksichtslosigkeit
der meisten Wiener Editoren gegen das Bedürfnis
ihrer Lefer, die faft alle, gerade die Theologen eingefchloffen,
unter hiftorifchen Gefichtspunkten zu den Brieffammlungen
greifen, eine grundfätzliche zu fein fcheint — denn bei
den Hieronymus-Briefen beobachtet man das gleiche Verfahren
— fo muß auch grundfätzlich vor der ausfchließ-

zu widerlegen liehen Benutzung ihrer Editionen gewarnt werden: fie

Ich bin nicht Schuld an diefen aufgenötigten Aus- j ejffnen flcThT S"4 zur K?ntr •>11<; in .?^elsfl11r1'. Riecht

einanderfetzungen, und ich möchte vor allem nicht, daß i aber zum Handgebrauch bei der taglichen Arbeit. Nicht

fie den Schein erregen, als fei ich undankbar gegen das, i elnmal daz.u laß 4fich die Unbelehrbarkeit herab, fo dicken

was in der neuen Auflage diefes Werkes geleistet ift. I Bänden wie diefer 4. von Augustinus und der erfte von

Sieht man von dem .Prinzipiellen' ab, was doch gegenüber i Hieronymus Briefen es find, wenigstens den Schatten eines

dem konkreten Inhalt des Buches nur ein Drum und Dran ! Registers beizugeben, worin dem Namen des Adreffaten

ift, erwartet man von vornherein nicht, daß der Ver-
faffer den Standpunkt der freien Wiffenfchaft zu erkennen
und fich anzueignen vermag, und verzichtet man darauf,
in diefem Werk eine Antwort auf die letzten Fragen der
Entwicklungsgefchichte des christlichen Geistes in den
zwei erften Jahrhunderten zu finden, fo läßt fich in Bezug
auf die Fülle einzelner Fragen und ihre forgfältige Behandlung
kein befferes Handbuch finden als diefes. Wir
freuen uns, es zu befitzen; wir bewundern die Arbeits-

in Klammern die wahrfcheinliche Abfaffungszeit beigefügt
wäre. Freilich ift eine Jahreszahl nirgends im Text mit
überliefert, und der Text wird doch nur um feiner felber
willen, nicht dem modernen Benutzer zu lieb herausgegeben.
Der Lefer mag fich ja, wenn er fich für folche Nebenfachen
intereffiert, in feinem Exemplar die Jahreszahlen aus
älteren Ausgaben überall an den Rand Schreiben!

Die Sauberkeit und Gediegenheit der philologifchen
Bearbeitung foll um fo dankbarer anerkannt werden. Die

kraft undÜmficht des Verfaffers, und wir wünfehen, daß I Interpunktion ift etwas fparfam; S. 505,8 z. B. nec om-
es ihm vergönnt fein möge, das große Werk zu Ende zu nibus delecter nec ab omnibus sed eis . et ab eis
führen * ■ * ' du"te eln K°mnna vor sed nicht fehlen (ähnlich

S. 651, 10 hinter felicior und S. 498,4 hinter ferro). 653, 15

Berlin. A. Harnack.

im Zitat Gal. 6,9. 10 war wohl der Punkt vor ftatt hinter
infatigabiles zu fetzen (vgl. S. 7, 5!) S.497,6 ift ,in Hilarensi
oppido' zweifellos mit L in ,in Larensi o.' zu verbeffern,