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Ausgabe:

1914 Nr. 5

Spalte:

131-133

Autor/Hrsg.:

Schroeder, Leopold von

Titel/Untertitel:

Bhagavadgita, des Erhabenen Sang, übertragen und eingeleitet 1914

Rezensent:

Franke, R. Otto

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131 Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 5. 132

der kompetente Beurteiler auch die Kunft Ägyptens und 1 bezw. 8 Silben nachzuahmen, fo haben unfere europäifchen
Kretas zum Vergleich herbeizieht. i Ohren zu leicht den Eindruck des Holprigen. Es ift ein

Für die archaifchen Zylinder ift charakteriftifch die , Beweis für L. von Schr.s dichterifche Begabung, daß

wohl die meiften feiner Verfe, obgleich er vielfach das
zweite Verfahren eingefchlagen zu haben fcheint, den
graziöfen Fluß und die natürlich dahin gleitende Diktion
der Sloka- und Tristubh-Strophen des Originales haben.
Man höre einige Beifpiele. Die Dichtung beginnt:

,Im heiigen Land, im Kuru-Land, zufammentreffend kampfbereit,
Was taten dort, o Sanjaya, die Meinen und die Pändava?'
II, 6 ,Wir wiffen's nicht, was mehr uns würde frommen,—
Wenn wir die Sieger — wenn wir die Befiegten?
Was foll das Leben uns, wenn wir getötet
Die Kuru-Söhne, die dort vor uns flehen ?'
V, 10 ,Wer handelt ohne jeden Hang und all fein Tun der) Gottheit

weiht,

Wird durch das Böfe nicht befleckt, wie's Lotusblatt durch's Waffer

nicht.'

VII, 6—8 ,Ich bin für diefe ganze Welt der Urquell und der Untergang.
Es gibt nichts Höheres als mich, — kein andres Ding, was es auch

fei!—

Auf mich ift diefes All gereiht wie Perlenreihen an die Schnur.'
IX, 19 ,Die Wärme fchaff' ich, Regen, Flut halt' ich zurück, laß'

ftrömen ich,

Ich bin Unflerblichkeit und Tod, bin Sein und Nichtfein, Arjunal'
XII, 15 ,Vor wem die Welt nicht zittern muß, der auch nicht zittert vor

der Welt,

Wer frei von Freude, Unmut, Furcht und Aufregung, der ift mir lieb.'
XV, 12 ,Der Glanz, der in der Sonne ift und diefe ganze Welt erhellt,
Der in dem Mond, im Feuer ift, das, wiffe, ift mein eigner Glanz.'
XVII, 12 ,üoch wo man nach Erfolg begehrt und Heuchelei beim Opfer

übt,

Ein folches Opfer ift die Art der Leidenfchaftbefangenen.'

Der Sinn des Originals ift faft überall richtig getroffen
und trotz der metrifchen Schranken zu glücklichem Ausdruck
gebracht. Die an Zahl und Bedeutung unerheblichen
Ausnahmen, kleine TJngenauigkeiten ufw., von denen ich
zum Beweife, wie unerheblich fie find, einige, die keine
längeren Erörterungen nötig machen, hervorhebe, werden
fich vorwiegend aus dem Zwange des Metrums erklären

laffen. So das häufige Weglaffe u von Vokativ-Anreden, in I, 42 der
Worte ,und der Wafferfpenden', in 46 der Worte ,die Waffen in der
Hand haltenden', in II, 3 der Worte ,nicht zum Himmel führend', in 45
der Wiedergabe von nityasatvastha (,immer feft am wirklich
Seienden haltend' oder ähnlich). I, 10 faßt der Komm, gerade
umgekehrt auf wie von Sehr., und Ii fcheint mehr zu der Auf-
faffung des Komm, zu paffen. In II, 9 bedeutet paramtapa der Bombayer
Ausgabe nicht ,der Held', fondern ,0 Held' (in der Calcuttaer
Ausgabe, Mbh. VI, 887, freilich fleht parantapah ,der Held'), und in
II, 9 und 10 hrslkesa nicht ,der ew'ge Gott' und ,der heil'ge Krishna'.
In II, 14 wird jeder das ,fie' auf ,Atome' beziehen, während die .Berührungen
' gemeint find. ,Das in II, 32 von der Himmelspforte gefagte
(,Als hätte fich von ungefähr des Himmels Pforte aufgetan, fo grüßen
freudig, Prithä-Sohn, die Krieger einen folchen Kampf) ift nicht als Vergleich
gedacht, fondern wörtlich gemeint: der Tod im Kampfe ift das
fichere Mittel, in den Himmel einzugehen. Im II, 46 bedeutet brähma-
nasya vijänatah nicht ,für die Priefierfchaft' (,So viel ein Brunnen
nützt, in den das Waffer ftrömt von allerwärts, fo groß ift für die Priefter-
fchaft der Nutzen, den der Veda bringt'), fondern ,füT einen Brahmanen,
der die wahre Erkenntnis hat' (Der allgemeine Sinn ift vielmehr: Wie
man, wenn es überall Waffer gibt, eines Brunnens nicht bedarf, fo
bedarf der Weife nicht des Veda). In VII, 21 (,Und welche Gottheit
Einer auch im Glauben zu verehren ftrebt, — Ich fehe feinen
Glauben an und weif ihm zu den rechten Platz') ift der Schluß täm

abfolute Raumfüllung, die durch konfequente Antithefe
und Ifokephalie erreicht wird. Dem Figurenband eigentümlich
ift die Überfchneidung der einzelnen Figuren. Im
Anfchluß an diefe allgemeinen Bemerkungen werden die
dargeftellten Figuren einzeln behandelt und mit den Denkmälern
der großen Kunft verglichen. Eine forgfältige
Auswahl von Abbildungen archaifcher Zylinder gibt auch
dem Fernerftehenden ein gutes Bild diefer Kunft.

Die Blütezeit auch der babylonifchen Glyptik ift die
Sargondynaftie, wo die Figuren mit einer Freiheit und Feinheit
behandelt werden, die fpäter nie wieder erreicht wird.
Sie ift die klaffifche Periode der babylonifchen Kunft. ,Es
ift hier auf der Höhe der babylonifchen Kunft ein Sinn
für die Sprache des Konturs und eine Fähigkeit des Zu-
fammenkomponierens zweier und mehrerer Figuren ausgebildet
, wie ihn das Ägyptifche nie befeßen hat. Es
dauert noch lange, bis Griechen in die Nähe kommen.
Aber dann wird diefe Erbfchaft die Grundlage ihrer neuen
Kunft.' Auch hier geben mehrere Abbildungen von
Meifterftücken einen guten Überblick über den damaligen
Stand der Technik. Sehr merkwürdig ift der S. 43 abgebildete
Zylinder, der Gilgamefch im Kampfe mit einem
reduplizierten Gegenbild feiner felbft darfteilt.

Hierauf befpricht der V. mehrere Gruppen von Zylindern
, die bisher chronologifch und ftiliftifch nicht richtig
eingeordnet waren. Er kommt zu dem Refultat, daß
mehrere Typen, wie der gekrönte Gilgamefch im Profil,
der fog. .lahme' Held, die ftrich- oder filhouettenartig gearbeiteten
Menfchen- und Tierfiguren, die früher als hoch-
archaifch galten, in Wirklichkeit der Dekadenz angehören.

In einem Schlußkapitel behandelt C. die Fernwirkung
der babylonifchen Kunft und hält es für wohl möglich,
daß fie fowohl auf Ägypten als auch auf Kreta gewirkt
habe.

Breslau. Bruno Meißner.

Schroeder, Leopold v.: Bhagavadgitä, des Erhabenen Sang,
übertragen u. eingeleitet. (Religiöfe Stimmen der Völker
, hrsg. von Walter Otto, I. Die Religion des alten
Indien, II.) (XVI, 87 S.) 8°. Jena, Diederichs 1192.

M. 2 —; geb. M. 3 —

Diefelbe Bhagavadgitä, deren Verdeutfchung durch
Deuffen im vorigen Jahrgange diefes Blattes Nr. 19, Sp.
577 f. angezeigt wurde, und deren hoher Rang in der
Weltliteratur nicht noch einmal betont zu werden braucht,
ift aufs neue, von dem bekannten Wiener Sanskritforfcher
Staatsrat Prof. Dr. L. von Schroeder, überfetzt worden.
Die fchwierige Aufgabe, neben den zahlreichen fchon vorhandenen
Überfetzungen (f. a. a. O. Sp. 577 und den Anhang
von L. von Schr.s Buche) eine neue nicht überflüffig
erfcheinen zu laffen, ift den rechten Händen anvertraut

worden. Der Herr Überfetzer hat es verftanden, feiner I "> vidadhämy aham doch wohl vielmehr zu überfetzen; ,ich bin es,

WiVrlero-ahe eirrenen TJeiv 711 vprleihpn indem er ein er- der eben dlefen Glauben in lhm wlrkt - wozu Ja 22 gut Pabt- "van
Wiedergaue eigenen rceiz zu veneinen, indem er ein er- dvamoha in 2y und 28 follte der größeren Deutlichkeit wegen wohl

probter Dichter, die Verie des hochpoetllcben Originals nicht mit doppelte Verwirrung' und ,Doppel-Irrwahn' wiedergegeben

in entfprechend gebaute reimlofe deutfehe Verfe umdichtete.
Metrifche Korrektheit und finngetreufeine Wiedergabe
des Gedankens find nun freilich nicht immer zu vereinen,
wie jeder weiß, der die Schwierigkeiten der Umdichtung
fremdfprachlicher, noch dazu philofophifcher, Verfe kennt.
Der Umdichter wird öfter entweder dem Metrum zuliebe
den Gedanken etwas benachteiligen oder dem Gedanken
zuliebe die Glätte desVerfes etwas beeinträchtigen müffen.
Es kommt noch hinzu, daß das Sloka-Metrum nur in den
letzten vier Silben und die Tristubh in den letzten drei
Silben für unfer Ohr hörbar rhythmifch beftimmt ift.
Zieht man es nicht vor, wie ich es für empfehlenswerter
halte, diefe Verszeilen durchgehend jambifch zu bauen,
fondern die rythmifche Unbeftimmtheit der erften 12

werden, fondern mit ,der Wahn der Gegenfätze', d. h. ,die Annahme der
Verfchiedenheit des Seienden', od. ähnl.; in XI, 11 visvatomukha
nicht mit ,das Antlitz allerwärts gewandt', fondern ,deffen Antlitz nach
allen Seiten geht', d. h. ,allfehend'. Derfelbe Sinn liegt ja z. B. der Idee
der Vier- oder Vielköpfigkeit mancher Götter zugrunde. In XI, 19 (,Ohn'
Anfang, Mitte, End', unendlich kraftvoll, mit Armen ohne End', mond-
fonnen-äugig') bedeutet sasisürya-netra genauer ,deffen Augen Mond
und Sonne find', in XVIII, 18 jneyam nicht ,Wiffenswürdiges', fondern
,Objekt des Wiflens'. Namen zu überfetzen ift immer eine gewagte Sache,
z. B. würde ich ftatt ,der Schreckensmann Wolfseingeweid' (1, 15) ,der
Schreckensmann Vrkaudara' vorgezogen haben; Manipuspaka (I, 16)
klingt kaum fremdartiger als Juwelenblüt'.

Die Einleitung handelt in klarer Weife über die Ge-
nefis und die Stellung der Bhagavadgitä innerhalb der
Entwicklung der indifchen Philofophie. Von den ver-
fchiedenen Theorien, die darüber geäußert find, nähert fich