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Ausgabe:

1914 Nr. 3

Spalte:

76-77

Autor/Hrsg.:

Beuzart, Paul

Titel/Untertitel:

Les Hérésies pendant le Moyen-Âge et la Réforme jusqu‘à la Mort de Philippe II (1598) dans la région de Douai, d‘Arras et au pays de l‘Alleu 1914

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 3.

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Urmi 1828 pag. c^c — )u und .»a» — +i), als auch
meine kurzen Mitteilungen und Überfetzungen in einem
Bericht über neuentdeckte handfchriftliche Urkunden zur
Gefchichte des Gottesdienftes in der neftor. Kirche
(Nachrichten der Kgl. Gefellfchaft der Wiffenfchaften zu
Göttingen, Philologifch-hiftorifche Klaffe 1909, S. 174- 82).
Aber das alles bleibt dürftig genug.

Um fo dankbarer find wir Connolly, daß er fich die
Aufgabe geftellt hat, das unverkürzte Werk herauszugeben.
In dem vorliegenden Bande bringt er auf Grund der
Handfchriften A=Codex Alqosensis (1317 p. Chr.), S=Co-
dex Seertensis (XVI. Jahrh.), und B.O.=Bibliotheca Orientalis
(Codex Vaticanus CXLVIII) die erften drei Bücher
von insgefamt 54 (24+21 + 9) Kapiteln. Da Hyvernat
die Identität des Codex Vaticanus und Alqosensis kon-
ftatiert hatte, hat Connolly auf Wiedergabe der Varianten des
erfteren verzichtet. Ich glaube, nicht mit Recht. So weit der
Vaticanus in Affemani's B.O. abgedruckt ift, weift er nicht
wenige Varianten auf, die für textkritifche Arbeiten der
Zukunft noch einmal eine Bedeutung erlangen können.

Z. B. pag. 36, 1. 24 ließt C Lea-, B. O. Xs}; l 25 C iXaLlc), B. O.
&nv| Uj-a,; pag. 47, 1. 16 C l=^], B. O. LLs-I? ufw. Der Text der
beiden im Oriente befindlichen Codices A und S fcheint indeß mit großer
Sorgfalt wiedergegeben zu fein. Nur an folgenden Stellen liegt wahr-
fcheinlich ein Druckfehler vor: pap. 29, 1. 13 fteht LrA0-10 mr D'+^i

1. 20 ]o oi für J001; pag. 31, 1. 23 ^-acj_s fS> für j-a ^_oopa; pag. 170 1. 17
.joalxaa ^1» ^Xe für v20oA.os? .-So fJ; pag. 192,1. 7 L-i^yUae
für L»-?}ie; pag. 193, 1. 3 Lslxj für L=U-a2:.

Daß mit der Veröffentlichung diefer Textrezenfion
wertvolle Urkunden für kirchengefchichtliche Studien vorgelegt
werden, wird auch von Nicht-Orientaliften dankbar
anerkannt werden, wenn die in Ausficht ftehende lateinifche
Überfetzung erft erfchienen ift. Indeß darf der Wert der
Publikation auch nicht zu hoch eingefchätzt werden. Sie
ift noch keine textkritifche Ausgabe. Vergleicht man z. B.
die von mir im oben genannten Berichte befchriebene
Handfchrift (D) und das kethäbhonä dephartewäthä (U)
mit Connolly's Text (C), fo merkt man erft, wie viel Fehler
noch im letzteren ftecken. Nur einige wenige Beifpiele:

pag. 26, 1. 12 C LZaJo Uf-r^ -■»■-' = . D L/xJ >_a-io. Das
letztere ift allein richtig, deun 1. ftimmt es zum neftorian. Lektionar, und

2. finden wir das Nötige über die medhabberäne (hier .Führer' und nicht
,Richter') 1. 20 ff: ,So macheu wir auch nach der Auferftehung den Anfang
für die Führer, fintemal die Kirche in ihrer Führung vollendet
ward. Und es fingen die Führer an, welche in ihr (beliehen), indem fie
durch die Auferflehung Sieg nehmen und vom heiligen Geilte die Macht
empfangen, zu binden und zu löfen'. pag. 26 1. 14 1. j-Xccp ILXjLio ^_io
81, Vi ü—1 ,_eop2? ei2/i 1iäc n>72_a> t- |in Vi) Soo. D _4-.ie

•fB} 8i2ql^vi ^ic_a.o . —«U'fSei fjlccp Das letztere wird

durch das Lektionar als allein richtig erwiefen, wählend das ]isXc)l£
Läcrs. von C eine Wiederholung von r<c) hx£Q_i? siZj+äc] -45c_a.o
aus 1. 13 ift. Der ganze Paffus pag. 26, 1. uff. muß alfo folgendermaßen
überfetzt werden: ,Und der Anfang der heiligen Schriften, die im Anfang
des Paffionsfaftens begonnen werden, d. h. der Anfang des Gefetzes
(Gen. 1, 1—20), und der Anfang der Propheten und zwar des Jofua bar
Nun (jof. t, 1—12) und der Anfang der Pfalmen (Pf. 1), und der Anfang
der Briefe des fei. Paulus (Rom. 1, 1—26) und der Anfang der Pfalmen-
fammlungen, die da weisfagen (d. h. der meffianifchen Pfalmen) und der
Anfang der Lehre unteres Erlöfers nach feiner Taufe (Matth. 5, 17—57)'. —
Pag. 1641. 17 C l?Vxr;o, U richtig Ujao^o IfLvso. Alfo: ,Was ift
das Weihrauchlied und warum fingt man es an Sonntagen, Felltagen und
Gedächtnistageu und nicht an allen Tagen?' — pag. 166, 1. 2 C Jo,
U richtig ^.|o. Alfo: .Oben haben wir gefagt: Die Schlußworte der
Marmitha (des Pfalmengefanges) und des akh' eträ (des Weihrauchliedes)
vertreten die Stelle der Worte Johannes des Täufers am Jordan'. —
pag. 167,1. 5 C PI, U richtig P P|. Alfo: ,Aber ich glaube nicht, daß
diefer Beweis wahr ift'. — pag. 167,1. 27 C iejlas, U richtig JcjXe Vx.
Alfo: ,Und diefes Wort ift gefprochen über etwas, das in Zukunft ge-
fchehen foll, und nicht über etwas, das (bereits) gefchehen ift'. —
pag. 168, 1. 21. C ,&Vi« n . anäXoi, U richtig ^ftVi ■ po ,20X07. Alfo:
,Und diejenigen, welche es (das Lakhumarä) drei Mal fingen, fymboli-
fieren damit unfer Werden im Mutterleibe, unfere Geburt zur Welt, und
unfere Wiedergeburt aus Waffer und Geilt, d. h. unfern Tod, unfere

Auferftehung und unfere Freude'. — pag. 192, 1. 23: l'ieLHJ valäwLJ

.oUa^i |LäJaä__P.__.;. U richtig: _Lc >-ä»L_.5 iieus _Xa , iLeä.J

,cei£XCJaX, Alfo: ,Auch wenn jemand Böfes von Verfolgern zu tragen
hat, fo foll er fich von den Märtyrern belehren laffen, was aus ihren
Liedern und Kommemorationen gelernt werden kann, und er wird fein
Leiden mit Freuden ertragen'.

Berlin. Diettrich.

Beuzart, Paft. D. Paul: Les Heresies pendant le Nloyen-Äge
et la Reforme jusqu'ä la Mort de Philippe II (1598) dans
la region de Douai, d'Arras et au pays de l'Alleu. (XI,
576 S.) 8°. Paris, H. Champion 1912. fr. 15 —

Diefes lehrreiche und durch den Stoff und feine Behandlung
das lebhaftefte Intereffe verdienende Buch be-
fchäftigt fich mit den mittelalterlichen Härefien und der
Reformation und ihrer Unterdrückung in den heutigen
Bezirken Arras, Bethune und Douai, jetzt franzöfifchem,
ehemals burgundifchem und dann fpanifchem Gebiete.
Der Wechfel der politifchen Herrfchaft ift für die religiö-
fen Erfcheinungen von der größten Bedeutung, für die
Reformation vernichtend gewefen; das vorliegende Buch
geht den Wechfelbeziehungen zwifchen Religion und Politik
fehr forgfam nach.

Der Grund, warum der Verf. die mittelalterlichen
; Härefien und die Reformation in einem Werke behandelt
: hat, ift der gemeinfame Gegenfatz gegen die römifche
Kirche und das Streben, das wahre Chriftentum zu verkörpern
. Es ift fehr gut, daß der Verf. wieder einmal
darauf hinweift, daß die vielgerühmte Einheit der religiö-
fen Vorftellungen im Mittelalter in Wirklichkeit nicht
exiftiert hat.

Der kleinere Teil des Bandes ift den in dem bezeichneten
Gebiete im Mittelalter auftretenden Härefien gewidmet
(S.I—101). Der kulturellen Höhe des Gebiets
! entfprechen die Stärke und Mannigfaltigkeit der Härefien.

Soviel ich fehe, ift alles, was uns darüber berichtet wird,
; gefammelt und umfichtig erörtert. Die Beziehungen zu
1 den Katharern und Waldenfern werden nicht weniger
1 forgfältig dargelegt als die Wandlung des Begriffs Härefie
im fpäten Mittelalter, die Ketzer, Zauberer ufw. gleich-
: fetzen ließ. Man fieht fehr deutlich, wie weit die Härefien
Vorläufer der Reformation genannt werden können.

Der größere Teil wird von der Gefchichte der Reformation
und Gegenreformation eingenommen. (S. 103—456).
Die Reformation hat auch hier günftigen Boden und eine
reichliche, treue Anhängerfchaft gefunden. Das wird uns
in fehr farbenreichem Bilde vorgeführt. Noch lehrreicher
und wertvoller ift die Darftellung, wie fie bis auf wenige
Refte ausgerottet worden ift. Der Verf. führt namentlich
drei Gründe dafür an: das geiftige Leben war nicht genügend
vorbereitet; die Renaiffancebildung hatte nicht
fo den Boden bereitet wie in andern Ländern; dazu kommt
der Widerftand der lokalen Gewalten, der Magiftrate;
das Wichtigfte ift aber jedenfalls die fpanifche Verfolgung
und im Befonderen die Regierung Philipps II. Dadurch
werden die Vorgänge in Douai, Arras und der Landfchaft
de l'Alleu (über die Lage diefes Gebiets vgl. S. 138 fr.)
typifch für das Vorgehen der Gegenreformation, die fich
hier voll auswirken konnte. Es ift lehrreich zu fehen, mit
welchen Mitteln fie arbeitete, wie fyftematifch fie ihr grau-
fames Werk, z. B. indem fie den Buchdruck völlig in Be-
fchlag nahm ufw., vollzog. Befonders ausführlich find die
Angaben über die Landfchaft de TAlleu. Die Bilder, die
wir erhalten, find fchrecklich. Was haben dagegen die
Bilderftürme der Anhänger der Reformation, die der
Verf. keineswegs zu befchönigen oder zu entfchuldigen
fucht, zu bedeuten. Der Verf. weift mit vollem Recht
darauf hin, daß die Opfer, die die Gegenreformation dem
katholifchen Fanatismus in dem kleinen von ihm behandelten
Gebiet brachte, bedeutend größer waren als die,
die die diokletianifche Verfolgung die Kirche koftete.