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Ausgabe:

1914

Spalte:

677

Autor/Hrsg.:

Hörmann, Joseph

Titel/Untertitel:

Untersuchungen zur griechischen Laienbeicht 1914

Rezensent:

Lietzmann, Hans

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67;

Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 26.

678

Gefchichte gewefen ift. Hier hat die Darftellung z. T. die
Form eines Berichtes über die bisherigen Erörterungen
der ,eschatalogifchen Frage'. Entfprechend den Ergeb-
niffen des 4. Kapitels glaubt P. im 5. auch den Grundcharakter
der Ethik der Bergpredigt durchaus als eschata-
logifch bezeichnen zu follen. In die bekannte Debatte
eingreifend fpricht ervon Interimsethik — was das Ganze
der Bergrede angeht m. E. nicht mit größerem Rechte
als feine Vorgänger.

Kap. 6 ftellt die Frage nach dem Verhältnis der Ethik
der Bergpredigt zu der des zeitgenöffifchen Judentums.
Es fcheint P. ein überaus inniges zu fein. So eng, daß
er felbft die Möglichkeit nicht für ausgefchloffen erachtet
, daß die Bergpredigt von einem jüdifchen Autor
verfertigt, jüdifcher Herkunft und erft fpäter Jefus von
Nazaret zugevviefen worden ift. Zur Stütze diefer Auf-
faffung dient der ,Kommentar' Kap. 7. Es ift das eine
forgfältige Zufammenftellung von Parallelen aus fpät-
jüdifchen Quellen zu den einzelnen Sätzen der Bergpredigt
. In diefer Sammlung fehe ich den Hauptwert
des Buches. Verf. verfpricht in ähnlicher Weife auch
das ftoifche Vergleichsmaterial zur Bergpredigt zufammen-
zubringen. Diefer in Ausficht geftellte Beitrag zur Aufhellung
einer der fchönften und wertvollften Partien des
N. T.s foll uns herzlich willkommen fein.

Breslau. Walter Bauer.

Murray, George, B.D.: Jesus and hisParables. (VIII, 305 S.)
8°. Edinburgh, T. & T. Clark 1914. s. 4.6

Ein hübfches populäres Buch über die Gleichniffe
Jefu, etwa fo wie Koetsvelds kleinere Bearbeitung. Durchaus
gefchmackvoll gefchrieben, frei von Allegorifierung,
erhebt es meiftens treffend den Sinn der Gleichniffe und
gibt die nötigen Vorausfetzungen zum Verftändnis des
Bildes und feines religiöfen oder fittlichen Gehaltes. Der
gelehrte Apparat fehlt vollftändig; das Buch ift zum
Lefen für gebildete Menfchen beftimmt, denen es freilich
manchmal zu viel und Selbftverftändliches, aber alles in
guter Form fagt. Die Haltung dem überlieferten Text
gegenüber ift konfervativ; aber da der Autor fo ftark
auf das Wefentliche geht, fällt vieles von felber weg, was
der Kritik Anftoß gibt, fo daß im allgemeinen auch wer
kritifcher denkt mit diefer Auslegung der Parabeln zufrieden
fein wird.

Jena. H. Weinel.

Theloe, Dr. Herrn.: Die Ketzerverfolgungen im 11. u. 12. Jahrh.

Ein Beitrag zur Gefchichte der Entftehg. des päpftl.
Ketzerinquifitionsgerichts. (Abhandlungen zur mittleren
u. neueren Gefchichte.) 48. Heft. (IV, 176 S.) gr. 8°.
Berlin-Wilmersdorf, Dr. W. Rothfchild 1913. M. 5.40
Köhler, Dr. Herrn.: Die Ketzerpolitik der deutfchen Kaifer u.
Könige in den J. 1152—1254. (Jenaer hiftorifche Arbeiten.
6. Heft.) (XVI, 74 S.). gr. 8°. Bonn, A. Marcus •&
E. Weber 1913. M. 2.80

Die Probleme der Ketzerbehandlung, welcheTheloes
fleißige und im ganzen befonnene Differtation anfaßt, find
mannigfaltig und fchwierig und durch Theloes etwas un-
fcharfe Frageftellungen ihrer Löfung nur teilweife nähergebracht
. Unglücklich ift der Abbruch der Unterfuchungen
vor dem Pontifikat Innocenz' III., der den gegebenen Zielpunkt
hätte bilden müffen. Trotzdem ift Theloes Arbeit
verdienftlich und beanfprucht nähere Betrachtung.

Wie find die mittelalterlichen Ketzerverfolgungen ent-
ftanden? Theloes 1. Kapitel, das die Fälle des 11. Jahrhunderts
durchnimmt, ohne das bekannte Material wefent-
lich zu mehren, jedoch mit beachtenswerten Einzelbemerkungen
, ergibt etwa folgendes. Die Ausbreitung des
Manichäismus namentlich in Laienkreifen und in einer ge-
wiffen Oppofition zur Priefterkirche erweckte bald Gegenbewegungen
. Im 11. Jahrhundert1 ift es die Volksüberzeugung
und ihr gewalttätiger Ausdruck, die Lynchjuftiz,
welche ftoßweife und fporadifch gegen die Ketzer reagiert;
die offizielle Kirche nimmt an der Verfolgung teil, doch
damals noch ohne führende Rolle und ohne ein befonderes
Gerichtsverfahren gegen Ketzer. WennMaillet die Kirche
von der Mitwirkung an den Todesurteilen freifprechen
will, fo lehnt Theloe eine folche Apologetik mit Recht
ab (Vgl. SS. 21. 28 f. 34. 46f). Aber es ift allerdings
eine Tatfache von höchftem Intereffe, daß zu einer Zeit,
wo die Kirche ihrerfeits gegen die Ketzer noch keine andere
Strafe ausgebildet hat als die Exkommunikation, das Volk
und die Herrfcher bereits die Todesftrafe (durch Schwert
oder Scheiterhaufen) an den Ketzern vollziehen — meift
unter Billigung, aber bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts
nicht auf Verlangen der kirchlichen Behörden. Die Hinrichtung
durch das Feuer möchte Theloe fo erklären, daß
die erfte Ketzerverbrennung zu Orleans (1022) weithin
Auffehen erregt und dadurch ein Gewohnheitsrecht ge-
fchaffen habe. Demgegenüber hat G. Kallen in feiner
gehaltreichen Befprechung des Theloefchen Buchs (Zeitfchr.

Hörmann, Dr. Jofeph: Unterfuchungen zur griechifchen fur Rechtsgefch. 47, Kam Abt. 3, 1913, 510ff.) mit Recht
Laienbeicht. Ein Beitrag zur allgemeinen Bußgefchichte. betont, daß in Orleans doch wohl fchon ein älteres Ge

(IV, 300 S.) gr. 8°. Donauwörth, L. Auer 1913. M. 4 —

Karl Holls Buch über Enthufiasmus und Bußgewalt
im griechifchen Mönchtum (1898) hat in forgfältigfter
Unterfuchung des Materials und überzeugender Beweisführung
die griechifchen Mönche als Erben des altchrift-
lichen Enthufiasmus gewürdigt und ihre daraus erwach-
fende Vollmacht zur Seelenberatung und zur Abfolution
der fündigen Weltkinder als eine bis zum 13. Jahrh. faft
unbeftritten anerkannte Tatfache nachgewiefen. Wer nach
ihm über dies Thema handeln will, muß feine Berechtigung
dazu durch bedeutungsvolles neues Material oder
neue Gedanken dartun. Davon ift bei Hörmann keine
Rede. Er reproduziert auf 300 Seiten wefentlich Holls
Beweisführung nach der gleichen Dispofition, vermehrt
die Beweisftellen reichlich und behandelt etwaige neuere
Literatur, korrigiert auch hie und da eine Kleinigkeit.
Eine irgendwie erhebliche Förderung des Problems vermag
ich in der Arbeit nicht zu erkennen: fie ift ein auf
fehr fleißiger eigener Nachprüfung beruhendes Referat
über Holls Buch, die ich höchlichft loben würde, wenn fie
mir als Seminarreferat vorläge, deren Drucklegung aber
nicht begründet erfcheint.

Jena. Hans Lietzmann.

wohnheitsrecht maßgebend gewefen fei und daß die von
Theloe kurzerhand abgelehnte Annahme, die manichäifche
Ketzerei fei als Zauberei behandelt worden, doch fehr viel
Wahrfcheinlichkeit für fich habe.

In der Zeit des Inveftiturftreits trat die Ketzerfrage
in den Hintergrund; im 12. Jahrhundert gewann fie verzehnfachte
Bedeutung. Jetzt begann auch allmählich die
Kirche die Führung in der Ketzerverfolgung zu übernehmen
; die Partei der Toleranz, deren bekanntefter Vertreter
im II. Jahrhundert Bifchof Wazo von Lüttich war,
tritt zurück. Immerhin wird das Einfehreiten gegen die
Ketzer vor allem unter dem Gefichtspunkt der Prophylaxe
für die gefunden Volksteile aufgefaßt und dort, wo die
Ketzer fehr zahlreich find, wie in Südfrankreich, ihre Niederwerfung
durch das friedliche Mittel der Miffion lange und
eifrig verfucht. In feinem lehrreichen 2. Kapitel zeigt
Theloe, wie verfchieden das Los der Glaubensabtrünnigen
in den verfchiedenen Ländern war, je nachdem fie dort
zahlreich oder nur vereinzelt vorkamen. So graufam z. B.
in Nordfrankreich den ,populicani' (S. 42, 115) durch Bi-
fchöfe und Staatsgewalt zugefetzt wurde, fo machtlos war

*) Die erfte Nachricht über Ketzerverfolgungen flammt zufällig aus
dem Jahre 1000.

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