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Ausgabe:

1914 Nr. 2

Spalte:

647-648

Autor/Hrsg.:

Blaß, Friedrich

Titel/Untertitel:

Grammatik des neutestamentlichen Griechisch. 4., völlig neugearb. Aufl., besorgt v. Albert Debrunner 1914

Rezensent:

Thumb, Albert

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Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 24/25.

648

Bücher' abgefchloffen war — das ift ein etwas vorfint-
flutlicher Stand punktl

Ich greife hier nur die Bezeugung Daniels und Qo-
helets durch Jefus Sirach auf.

S. 51 foll io Jef. Sir. 33, 10a (Smend, Textausgabe S. 30) yp TOtin ,
*TSU3 TlpBl (Eberh. falfch ip TOtn) ,befchleunige das Ende und beftelle j
die Zeit' eine Anfpielung fein auf Dan. 8, 19 {yp nSVa); 11,27 H*™ VP)
35 (nsuft> . . yp), und Jef. Sir. 33,22a -pnns nben ratsn foll eine [
Rückbeziehung fein auf Dan. 9, 17 "p3S rft»rr$» . . WO«. Das find nichts
denn Wortparallelen. Das Wichtigere, daß in dem Lobpreis auf die
Väter C. 44—49 .Daniel' charakterißifcherweife fehlt und das Ausfchlag gebende
Argument für das Nichtvorhandenfein des Buches Daniel im Zeitalter
Jefus Sirach's ift, wird verfchwiegen! S. 31—51 enthalten eine lange j
Auseinandeifetzuiig mit Peters, der mit anderen Gelehrten (Bibl. Zeitfchr. j
I, 47—54. 129—150) behauptet, JSirach kenne noch nicht Qohelet und I
umgekehrt: Qohelet fei von Sirach abhängig. Vgl. dazu Peters, Das
Buch Jef. Sir. 1913 S. LIU Anm. I, u. Peters Oriental. Lit Zeit. 1913, j
Sp. 267—270. Ich würde Eberh. recht geben, daß JSir. den Qohelet 1
kennt, wenn JSir. 47, 23 das zweifelhafte TO in-» — die Stelle fehlt freilich
bei Eberh. S. 50f. — ein Hinweis auf Qohel. 2, 20 wäre (vgl. Smend,
Die Weish. Jef. Sir. 1906, S. 414 u. 457). Aber, wie gefagt, der Text j
ift unficher und fo lange bleibt mir plaufibler, daß Qohel. hinter JSir. ge- I
hört. Denn Qoh. 7, 12 ift das Bild von dem Schatten der Weisheit (bx |
l-iusnn) unmotiviert, dagegen JSir. 14,27 durch den ZufammeDhang begründet
, und ebenfo ift Qoh. 3, 11 mS3 eine freie Anlehnung an JSir.
39, 16—35, wo WM Schlagwort ift (vgl. Peters Or. Lit. Zeit. 1913
Sp. 270).

Aus dem nicht zum eigentlichen Thema gehörigen III. Kapitel: j
Die Kanonizität der von B. Sira benützten Schriften (S. 54—77), fei zur
Charakterifierung der Geiftesart Eb. bemerkt, daß die iffaelitifch-jüdifche
l'riefterfchaft kraft ihrer Lehrautorität entfchied, was kanonifch ift! Damit
ift dann der Ring gefchloffen von den altteftamentlichen Prieftern
bis zu den Bifchöfen auf dem Tridentiner Konzil!

Heidelberg. Beer.

Blall', Frdr., Grammatik des neuteftamentlichen Griechifch.

4., völlig neugearb. Aufl., beforgt v. Predigerfch.-Lehr.
Dr. Alb. Debrunner. (XVI, 346 S.) gr. 8». Göttingen,
Vandenhoeck & Ruprecht 1913. M. 7.20; geb. M. 8 —

Die zweite Auflage des vorliegenden Werkes (die
dritte, 1911, ift nur ein anaftatifcher Neudruck) hat von
den Ergebniffen der neuen Koine-Forfchung noch fehr
wenig Gebrauch gemacht (vgl. meine Besprechung an
diefer Stelle 1903, 420 ff.). Es fehlte Blaß, der ein aus-
gefprochener Klaffizift war, an entwicklungsgefchicht-
lichem Sinn, und daher hatte er nicht das richtige Ver-
ftändnis für das felbftändige Leben der griechifchen
Sprache, das fich im NT. offenbart. So konnte es Blaß
auch einfallen, z. B. das Zeugnis des attizifi er enden
Chryfoftomos zu benützen, um den Text des NT. in
attifchem Sinn zu ,korrigieren'. Inzwifchen ift wohl allgemein
von Theologen und Philologen anerkannt worden,
daß die Sprache des NT. nur aus fich felbft und auf der
Bafis der Koine zu verftehen und zu beurteilen ift. Für
eine Neubearbeitung des vielbegehrten und auch heute
noch unentbehrlichen Buches waren die Ergebniffe einer
zehnjährigen Periode mehr und mehr aufblühender For-
fchung zu verwerten und war außerdem den Forderungen
fprachwiffenfchaftlicher Darftellungsweife beffer zu genügen
. Beides ift dem Bearbeiter gut gelungen; auch j
muß man ihm danken, daß er die Benützung des Buches j
durch eine fehr viel überfichtlichere Anordnung des
Drucks bequemer gemacht hat. Auch das Neugriechifche 1
ift ftärker herangezogen, befonders in der Syntax, wo
dem Verfaffer die zweite Auflage meines neugriech.
Handbuches zuftatten kam. Debrunner hätte freilich
zum Nutzen der Sache immer noch ein Stück weitergehen
können, indem er die Winke in meiner Befprechung
noch mehr beachtete oder auch mein Handbuch noch
mehr ausnützte. So vergleiche man z. B. zu avaßa
meine Rezenfion Sp. 422, zu § 269 (Setzung des Artikels),
§ 281 (Gebrauch von ,ich' und ,du' für ,man'), § 148, bezw.
§ 309 (Wechfel tranfitiven und intranfitiven Gebrauchs
der Verba), die §§ 57, 254, 176 meines Handbuches.
Daß die Behauptung, das Neugriechifche fetze wie die
modernen Kulturfprachen die Kopula, ungenau oder

mißverftändlich ift, ergibt fich aus § 253 meines Handbuches
.

Es ift fchade, daß D. meine Bearbeitung der griech.
Grammatik von Brugmann nicht mehr berückfichtigen
konnte, weil da der Koine und dem neuteftamentlichen
Griechifch einiger Raum eingeräumt ift. Im Ganzen hat
fich D. bemüht, die wiffenfchaftliche Literatur gewiffen-
haft zu verzeichnen. Immerhin vermiffe ich zu S. 25
L. Hahn Rom und Romanismus im griechifchen Often,
zu S. 77 die Beiträge von Moulton und Milligan zum
neuteftam. Lexikon im Expofitor und vor allem zu
S. 279 ff. (Wortftellung) Kieckers Die Stellung des
Verbs im Griechifchen. Diefer ganze Abfchnitt ift überhaupt
unbefriedigend. Den Problemen, die einerfeits
durch die Hebraismenfrage, anderfeits durch das Neugriechifche
geftellt werden, ift der Bearbeiter geradezu
aus dem Weg gegangen, ohne die Anregungen zu
erwähnen, gefchweige denn nachzuprüfen, die ich an
verfchiedenen Orten gegeben habe. Ich muß überdies
D. den Vorwurf machen, daß er meinen Anteil an der
Erforfchung der Koine und der biblifchen Gräzität nicht in
gebührender Weife zur Kenntnis feiner Lefer gebracht hat.

Es ift doch üblich, daß man in Literaturangabeu den Urheber neuer
Anfchauungen, nicht irgend einen fpäteren Vertreter derfelben anführt.
Ich könnte ein Dutzend Fälle nennen, wo mein .Hellenismus' vor andern
anzuführen war. Ich hebe jedoch nur einen Fall hervor, weil er mir
befonders gravierend fcheint und außerdem auf meine Befprechung an
diefer Stelle Sp. 421 f. zurückgeht: zu § 388 (S. 219) wird nur Moulton
als Zeuge dafür genannt, daß der heutige pontifche Dialekt noch den
Infinitiv nach Verben der Bewegung kennt; aber Moulton felbft fetzt
bei diefer Erwähnung (Einleitung 323 f.) eingehend auseinander, zu
welchem Zweck ich die pontifche Dialekterfcheinung verwertete; auch
in meinem Auffatz ,Prinzipien der Koine-Forfchung' (in den neuen Jahrb.
f. d. klaff. Alt. XVII 246 ff.) handle ich darüber: diefer Auffatz fehlt
freilich in der Literaturüberficht Debrunners S. XV. Ich muß mir daher
mein Recht wahren und darf verlangen, daß man nicht in einer faft ab-
fichtlich fcheinenden Weife mich ignoriert, denn ich glaube in einigen
nicht unwichtigen Fragen der Koine-Forfchung den Boden bereitet zu
haben, auf dem man feit über zehn Jahren weiterarbeitet.

In der fogenannten Hebraismenfrage ift D. vorfichtig
und zurücldraltend; auch darin ift ein Fortfehritt gegenüber
Blaß zu erkennen. Im Ganzen kann ich den Standpunkt
Debrunners billigen, wenn ich auch die Formulierung
in § 7 nicht unterfchreibe. In der Annahme
einzelner Hebraismen kann ich jedoch dem Verfaffer
nicht immer folgen. Die Neubearbeitung meines Hellenismus
', die ich bald herauszubringen hoffe, wird mir
Gelegenheit zu genauerer Stellungnahme geben.

Straßburg. Albert Thumb.

Wilkinson, Prof. William Cleaver: Paul and the Revolt
against Him. (VIII, 258 S.) 8°. Philadelphia, The Grif-
fith & Rowland Press 1914. $ 1 —

Der verehrungswürdige Verfaffer fteht in der vorderften
Reihe der literarifchen Kritiken- und Profa-Schriftfteller,
ift ein Dichter von großer Begabung und ein Sachverftän-
diger in theologifchen Fragen. Er war mit den Gründern
der Univerfität Chicago eng verbunden und hat feit Beginn
derfelben den Lehrftuhl für Poefie und Kritik innegehabt
, ift aber feit einigen Jahren emeritiert. Der
vorliegende Band ift m. E. fein wichtigftes theologifches
Werk. W. ift ein Erzkonfervativer und kann wohl als der
bedeutendfte Verfechter der alten Orthodoxie angefehen
werden. Mit Feder und Wort hat er die Flut des Modernismus
unter denEvangelifchen Amerikas einzudämmen
gefucht, und die liberale Haltung der Univerfität Chicago
und ihres theologifchen Seminars ift jahrelang ihm ein
Dorn im Auge gewefen. Der Titel des vorliegenden
Werkes zeigt die Natur und das Ziel feiner Polemik. Er
ift feft davon überzeugt, daß das Lofungswort der Modernen
: ,Zurück zu Chriftus' in Wahrheit ,Fort von Paulus'
und das Diskreditieren der vollkommenen Infpiration der
Apoftelgefchichte und der Paulinifchen Briefe die Aufgabe
des fupranaturalen Elements in der Bibel und in der