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Ausgabe:

1914

Spalte:

619-622

Autor/Hrsg.:

Klein, J.

Titel/Untertitel:

Der Gottesbegriff des Johannes Duns Skotus vor allem nach seiner ethischen Seite betrachtet 1914

Rezensent:

Seeberg, Reinhold

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6ig Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 22/23. 620

druck, als habe St. die Zeit noch nicht gefunden, um
diefe letzte Periode fo fachgemäß durchzuarbeiten wie
die früheren. Damit aber foll kein Vorwurf ausgefprochen
fein. Im Gegenteil — und nun Itimme ich meine Leier
anders — ich bewundere die ganz außerordentliche Arbeitskraft
, mit der St. in kurzer Zeit den gewaltigen
Stoff, der ihm zur Bearbeitung übergeben war, bemeiliert
hat. Gewiß ift ihm diefe Leiftung durch die Arbeit
feiner Vorgänger, in erfter Linie Bardenhewers, wefentlich
erleichtert worden. Aber er hat doch fehr viel von
Eigenem hinzugetan, das dem Kenner nicht verborgen
bleibt. Befonders hervorzuheben ift die durchgängige
Benutzung und Anführung größerer Rezenfionen, die
leider fo oft in Vergeffenheit geraten, während fie mehr
enthalten, als manche in anfpruchsvollerem Gewände
auftretende Abhandlung. Mit Notizen zu Einzelheiten,
die ich mir fchon jetzt gemacht habe und weiter zu
machen gedenke, will ich den Lefer nicht aufhalten, fondern
ftelle fie lieber dem Verfaffer zur Verfügung. Hier
möchte ich nur fagen, daß die Sorgfalt, die St. auf die
Einzelangaben, fowohl des Textes wie der Bibliographie,
verwendet hat, höchften Lobes würdig ift.

Und nun noch eine Bitte an den Verlag. An diefer
Darftellung der chriftlichen griechifchen Literatur haben
die Theologen mindeftens das gleiche Intereffe wie die
Philologen. Im Namen diefer Intereffenten fpreche ich
den Wunfeh aus, daß Stählins ausgezeichnete Arbeit
künftig nicht nur als Sonderabdruck aus dem Gefamt-
werk vertrieben werde. Es kann ja kaum technifche
Schwierigkeiten machen, fie als eigenes Buch neben dem
Hauptwerk auszugeftalten, dem fie natürlich als befon-
derer Abfchnitt eingegliedert bleiben muß, das doch nun
aber einmal nicht für Theologen beftimmt ift. Andere
Paginierung, Normierung, Paragraphierung und ein be-
fonderes Regifter, das wäre, fo viel ich fehe, alles, was
nötig ift. Der buchhändlerifche Vorteil liegt auf der
Pland, zumal bei niedrig gehaltenem Preis. Der Dank
der Theologen wird ficher nicht ausbleiben. Wir haben
zurzeit außer Bardenhewers Patrologie, die bei aller Vortrefflichkeit
die Herkunft aus katholifcher Feder doch
nicht verleugnen kann, keine Darftellung in Handbuchoder
Grundrißform, die neben der von Stählin genannt
werden dürfte.

Gießen. G. Krüger.

MiraculaS. Georgii, ed. Joannes B.Aufh auf er. (XVI, 178S.
m. 1 Tafel.) kl. 8°. Leipzig, B. G. Teubner 1913.

M. 4 —; geb. M. 4.40

Diefe Ausgabe ift für die Legendenforfchung von
bedeutendem Wert, da fie nicht nur den Text der fchon von
den Bollandilten und H. Delehaye veröffentlichten Erzählungen
mit Heranziehung neuer Handfchriften ver-
beffert, fondern auch zahlreiche Inedita bringt. Es find
dies die Legenden de columna viduae in erweiterter Form,
de imagine perfossa, de iuvene Paphlagonensi capto, die
Vifion des Sarazenen in neuer Faffung, und noch 6 (bzw.
8) weitere neue Stücke. Die Sorgfalt der Ausgabe
fcheint, foweit dem Referenten ein Urteil zufteht, der Bi-
bliotheca Teubneriana in jeder Hinficht würdig.

Kiel. Fritz Kern.

Beimond, Prof. S.: Etudes sur la Philosophie de Duns Scot.

L Dieu. Existence et Cognoscibilite. (XVI, 368 S.)
8°. Paris, G. Beauchesne 1913. fr. 4 —

Klein, Dr. J.: Der Gottesbegriff des Johannes Duns Skotus

vor allem nach feiner ethifchen Seite betrachtet. (XXXI,
242 S.) gr. 8°. Paderborn, F. Schöningh 1913. M. 3 —

Seit ich im Jahr 1900 meine ,Theologie des Duns
Scotus' veröffentlicht habe, ift eine Fülle kürzerer und

längerer Arbeiten über den großen Denker erfchienen.
Vor allem find es katholifche Forfcher gewefen, die durch
mancherlei Veröffentlichungen das Verftändnis des Duns
Scotus fich zu fördern bemüht haben. In Quaracchi
wird feit 1912 das Opus Oxoniense neuediert. 1910 erfchien
ebenda eine neue Ausgabe des Tractatus de primo rerum
omnium prineipio. Der Herausgeber diefer beiden Werke
Marianus Fernandez-Garcia legte auch im J. 1910 ein Le-
xicon scholasticum vor, in dem eine Menge scotiftifcher
Begriffe und Definitionen erklärt wird. Vor allem aber
find die verdienftlichen Arbeiten des Pater Minges anerkennend
zu erwähnen, die durch forgfältige exegetifche
Erörterungen in manchen Punkten das Verftändnis der
fcotiftifchen Lehre geklärt haben. Diefen Arbeiten fchließen
fich in würdiger Weife die oben genannten an. Beide
Autoren wollen ihre Studien fortfetzen, worüber man fich
angefichts des bisher von ihnen Gebotenen nur freuen kann.

Das Buch Beimonds hat es lediglich mit philofophi-
fchen Problemen der fcotiftifchen Lehre zu tun. Der Verf.
geht fehr genau vor, indem er aus den einzelnen Stellen die
pofitiven Anfchauungen des Duns entwickelt und zugleich
die Gegenfätze, an denen Duns fich orientiert und die er
widerlegt, genau berückfichtigt. Das ift bei fcholaftifchen
Detailftudien gewiß die einzig vernünftige Methode. Der
Gefahr, daß man dabei den Überblick über die Hauptfache
aus dem Auge verliert, ift B. im ganzen entgangen
. Er behandelt die fcotiftifchen Gottesbeweife,
fodann die wichtigften metaphyfifchen Beftimmungen des
göttlichen Wefens und fchließlich die Probleme, die fich
an die Univocität des göttlichen Seins bei Duns fchließen.
Es handelt fich bei letzterem — genauer gefagt — um
die Frage, ob die aus der Beobachtung der Welt gebildeten
Begriffe und fo vor allem der Seinsbegriff auf
Gott angewandt werden dürfen. Wird das verneint, fo
fcheint der Agnoftizismus unvermeidlich zu fein, wird es
dagegen bejaht, fo drohen Anthropomorphismus, Pantheismus
und ,Modernismus'. Die Löfung befteht in der
Hauptfache darin, daß die Univocität prinzipiell nicht als
unitas generis, fondern als unitas analogiae zu faffen ift.
Wenn man nun erwägt, daß im Sinn des Duns Scotus
allen formalen Begriffen objektive Realitäten korrefpon-
dieren, fo kann man freilich, wie es von thomiftifcher Seite
her gefchieht, von einem formalisme realiste de l'univo-
cite de letre bei Duns fprechen. Dem gegenüber foll aber
die Univocität nur fein une abstraction, ni plus, ni moins
(S. 253). Das göttliche Sein ift alfo formal oder real ver-
fchieden von dem weltlichen Sein, es ift aber als Sein
analog dem Sein von diefem, und dadurch wird es dem
menfehlichen Verftande ermöglicht, fpekulative Formeln
von Gott zu bilden. Es ift im einzelnen nicht unintereffant,
bei dem Verfaffer nachzulefen, wie fich bei Duns das
Problem fchürzt und wie es gelöft wird. — Charakteriftifch
ift übrigens für dies Buch wie für die ganze katholifche
Scotusliteratur die Gefliffentlichkeit, mit der die Differenzen
zu Thomas verkleinert oder als rein formal hingeftellt
werden. In Fettdruck läßt Beimond drucken: il n'y ä pas,
il ne peut pas y avoir, de Duns Scot ä S. Thomas, d'oppo-
sition radicale, en regard de la verite fondamentale de
la philosophie chretienne (S. 325f.). Das ift gewiß richtig.
Duns ift wirklich kein Häretiker gewefen, er ift auch nicht
eine Rüftkammer der ,Moderniften', wie wohl behauptet
wird. Er war genau fo fehr wie Thomas ein gläubiger
Katholik. Aber eben daher follte man doch feine Differenzen
zu diefem in ihrer Schärfe beliehen laffen, freilich
fie auch nicht, wie es früher nicht feiten gefchah, auf
Grund fehr allgemeiner Eindrücke von der Sache, ins
Vage und Grenzenlofe übertreiben. Noch möchte ich
bemerken, daß fich Beimond mit der deutfehen Literatur
über Duns nicht bekannt gemacht hat.

Auch die Schrift von Klein ift dem fcotiftifchen
Gottesbegriff gewidmet. Der Verf. hat die Werke des
Duns gründlich ftudiert und gibt feine Gedanken in klarer,
freilich hie und da etwas breiter Reproduktion wieder.