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Ausgabe:

1914 Nr. 2

Spalte:

590-591

Autor/Hrsg.:

Stöckerl, Dagob.

Titel/Untertitel:

Bruder David v. Augsburg. Ein deutscher Mystiker aus dem Franziskanerorden 1914

Rezensent:

Lempp, Eduard

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589 Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 20/21. 590

eigentlich für eine Härefie eingeführt habe, keine glatte Antwort geben
(^P- SS> 24). ja er argumentiert gleich darauf (55, 26} von der Rekon-
nliation der — Flcifchesfiinder aus, was er gar nicht nötig hatte, wenn ihm
eine Tradition zu gunften der Idolatren vorläge. d'A. fucht felber S. 316
das Verfagen der Tradition zu erklären. Iii es aber bei feiner Voraus-
fetzung nicht eine fehr mißliche Sache, wenn in der Kirche niemand
mehr weiß, wie vor 40—50 Jahren die Bußpraxis bezüglich der Idolatren
warf s. 341 fpricht d'A. von den ,Lücken' der cyprianifchen Theologie,
S. 344 von der ,katholifchen Lehre' über die Schlüffelgewalt. Aber
welches ift denn im 3. Jahrhundert der Maßflab, um jene ,Lucken' feft-
zuftellen, wo war diefe ,katholifche Lehre' damals niedergelegt? Wir
kennen einigermaßen die Anfchauungen Kallifls, Cyprians, des römifchen
Klerus, Xovatians, die alle ,katholifch' fein wollten. Auch Novatians An-
fchauung uDd Praxis wird von Cyprian weniger mißbilligt als fein
Schisma. Eine .katholifche Lehre' als fertige Größe vorauszufetzen, ift
eine aufgelegte petitio principii.

Bei den Beflimmungen des Konzils von Ancyra über die Mörder
zeigen die Canones 21 und 23, daß mit fihv ftets die alte ftrenge, mit
äs die neue mildere Disziplin angegeben wird. Alfo ift auch in dem da-
zwifchenfteheuden can. 22 die lebenslängliche vKonziooiq der freiwilligen
Mörder die alte Übung, die Wiederaufnahme auf dem Todbette die
neue Milderung. Bezüglich der Sünder, die fich erft auf dem Todbette
bekehrten, fchreibt d'A. S. 380, es feien in der lateinifchen Kirche .manchmal
' ,gewi(TVn Kategorien' Abfolution und Kommunion verweigert worden,
und S. 382, es fei das, was zwei Jahrhunderte vorher Cyprian in feinem
Eifer von fclbft getan habe, fchließlich allgemeines Kirchengefetz geworden
, nämlich die Wiederaufnahme der fich erft auf dem Todbette
Bekehrenden — obwohl für Cyprian bekanntlich das Gegenteil eine Selbft-
verftändlichkeit ift, gegen die er gar keinen Widerfpruch befürchtet (Ep.
55' 23). Die Annahme einer doppelten Handauflegung, einer bei Übernahme
und einer nach Vollendung der Buße (S. 382 h) ift die reinfte
Willkür. Cyprian, der die Stadien der Buße ,secundum diseiplinae or-
dinem' oft genug aufzählt (Ep. 16, 2. 15, 1 u. ö.), fetzt die impositio
nianus durch Bifchof und Klerus immer an den Schluß, als den Akt,
durch den die I'önitenteu das jus comniunicationis erhalten. Das ent-
fpricht auch der inneren Bedeutung der 1 landauf legung in der alten
Kirche (Wiedermitteilung des durch die Sünde vertriebenen hl. Geiftes,
vgl. Joh. Behrn, die Handauflegung im L'rchriftentum 1911, 89fr., 184fr.).
Bezüglich des Limen ecclesiae, des Büßerplatzes im Abendland, flehen wir
uns näher, als d'A. merkt, und er flößt vielfach offene Türen ein (er
kennt auch nur meinen Auffatz in der Theol. Quartalfchrift 1900, 481 — 534
nicht auch den t903, 254—270, und auch jenen, wie es fcheint, nur in
der kurzen Wiedergabe Boudinhous). Es ift mir nie eingefallen, die
Schilderung der Buße der Fabiola bei Hieronymus, den hxä>l?.OQ TOrtOQ
bei Sozomenos, ,metaphorifch' zu faffen. Aber wenn die Entlüftung
der Büßer erft ,tout a Ia flu du Service divin' oder felbft ,avant la fin
de la liturgie' ftattfindet (S. 420), fo ift es eben immer noch keine der
,missa catechumenorum' gleichzeitige Büßerentlaffung. Und wenn man
bis ins fechfte Jahrhundert kommt, ehe man eine Nachricht über eine
Entfernung von Büßern mit den Katechumeuen findet und diefe Nachricht
(Konzil von Agde 506 c. 60) fich ziemlich deutlich als eine neue
Beftimmung einführt und zudem lautet, die betreffenden Pönitenten follen
fich entfernen ,cum catechumeni egredi commonentur', fo ift es um den
liturgifchen Akt einer ,missa paenitentium' übel btftellt.

Die Erzählung von der Abweifung des Kaifers Theodofius durch
Ambrofius an der Kirchentüre hätte d'A. (S. 417 und 430) wirklich nicht
aufzuwärmen gebraucht, da fie nicht bloß von mir böfem Menfcheu, fondern
auch von ganz braven katholifchen Theologen, wie dem Jefuiten
van Ortroy und dem Benediktiner Chryfoftomus Baur ins Reich der
Legende verwiefen wurde. Davon, daß die von der fpäteren Theologie
als locus classicus für das Bußfakrament verwendete Stelle Joh. 20, 22 f.
von Cyprian und andern Vätern auf die Taufe bezogen wurde, hört man
bei d'A. (vgl. S. 36. 195. 283, wo Gelegenheit dazu gewefen wäre) eben-
fo wenig etwas, als über die vielverhandelte Stellung des Chrysoflomus
zur Beichte, obwohl d'A. öfter auf ihn Bezug nimmt. S. 445 behauptet
er, die Novatianer hätten den Ritus der Handauflegung zur Geiftes-
mitteilung, alfo die .Firmung' nicht gekannt, weshalb bei einer Konverfion
diefe Handauflegung nachgeholt worden fei — eine apologetifche
ümftellung der Tatfache, daß Papft Stephan zwar die Taufe, aber nicht
die Handauflegung der Schismatiker und Häretiker anerkannte, weil er
mit Cyprian darin übereinftimmte, daß der heilige Geift nur in der katholifchen
Kirche wirkfam fei und nur in ihr mitgeteilt werden könne
(Ep. 74 u. a.). Auch die Behauptung, daß die Rückfälligen (fchon vor
der Beftimmung des Papftos Siricius vom Jahre 385) auf dem Todbett
Abfolution und Kommunion empfangen hätten, ohne daß man davon
,eu public et 1 tous' gefprochen hätte (S. 452), Hellt fich völlig außerhalb
des Bodens der hiftorifchen Dokumente und fetzt wieder eine ,Men-
talrefervation' voraus, die wir dem Altertum zu infinuieren lediglich keinen
Grund haben.

Es wäre zum Buche d'A's noch vieles zu bemerken,
da es auf Schritt und Tritt zum Widerfpruche reizt und
an den gefchichtlichen Zeugniffen fich reibt. Diefe Besprechung
hat aber bereits zu viel Raum in Anfpruch genommen
. Darin hat d'A. tiefer als Funk gefehen, daß
die Bußfrage mit dem Kirchenbegriff folidarifch ift
(S- 397). Aber eben darum wird die Frage von ihm
nicht wiffenfehaftlich gelölt, fondern bei allem hiftorifchen

Apparate mit dogmatifchem Schwerte zerhauen. Von der
,Einfetzung' eines von der Taufe verfchiedenen, zweiten
,Bußfakraments' durch Jefus Chriftus weiß man in den
erften Jahrhunderten nichts. Mit dem Pattor Hermae beginnen
die Geburtswehen, die dem, nachher in den Sakra-
mentsftand erhobenen, kirchlichen Bußinftitut das Leben
gaben. Diefes ift nicht von oben herabgekommen, weder
vom Himmel, noch von priefterlicher Herrfchfucht, es ift
aus den tiefften Seelennöten der Chriftenheit empor-
geftiegen. Die Maffe war es, die der Kirche die Ausübung
einer ,Schlüffelgewalt' aufzwang, weil sie ohne
Prieftertum und Sakramente nicht leben und fterben
konnte. Die Kirche felbft verftand fich nur zögernd und
ungern dazu, das Recht der Sündennachlaffung, das fie
durch die Taufe übte, nochmals anzuwenden. Mußte fie
doch damit zugleich einem Ideal entfagen und ihren
Heiligkeitsbegriff aus dem Perfönlichen ins Dingliche
überfetzen. Daß die Waffertaufe nicht wiederholt werden
könne, ftand fett. So blieb nichts übrig, als den zweiten
Teil der Taufhandlung, die Handauflegung, zu wiederholen
, um dem Sünder nach geleifteter Buße den hl.
Geift wieder zu verleihen, den die Sünde vertrieben hatte.
Die Abfolution ift gewiffermaßen eine repetierte ,Firmung'.
Wie fich von der Taufe die Handautlegung als Firm-
fakrament ablöfte, fo bekam die Firmung eine Doublette
in der Abfolutionshandauflegung. Es gab einen Akt,
wo beide Bedeutungen der Handauflegung ineinander-
floffen, die Aufnahme von Schismatikern und Häretikern.
Stephan fchrieb, es folle beim Alten bleiben, ,ut manus
i]Iis imponatur in paenitentiam'. Und Cyprian verfteht
darunter (Ep. 74) die erftmalige Geiftesmitteilung durch
die Firmung und er hat Stephan nicht mißverftanden.
Beide meinten wirklich dasfelbe.

München. Hugo Koch.

Stöckerl, Pat. Dr. Dagob., O. S. F.: Bruder David v. Augsburg
. Ein deutfeher Myfliker aus dem Franziskanerorden
. (Veröffentlichungen aus dem kirchenhiftor. Seminar
München. IV. Reihe, Nr. 4.) (XVI, 284 S.)
München, J. J. Lentner 1914. M. 6.20

Als ich vor 16 Jahren in Briegers Ztfchr. f. Kirchen-
gefch. eine Studie über David v. Augsburg veröffentlichte,
war ich mir wohl bewußt, nichts Abfchließendes bringen
zu können, da die mir zugänglichen Quellen und Manu-
fkripte zu dürftig waren. Inzwifchen haben 1899 die
Franziskaner von Quaracchi eine ganze Fülle von Manu-
fkripten durchgefehen und auf Grund davon eine neue
Ausgabe der Novizentraktate Davids veranftaltet. S. hat dazu
noch in der Münchener Hof- und Staatsbibliothek eine
größere Anzahl von Manufkripten, in denen die anderen
Werke Davids fich finden, beigezogen; leider hat offenbar
auch er weder die Predigten noch die Legende Davids
finden können.

Man wird nicht fagen können, daß er dem Leben
Davids und feinem Charakterbild wefentlich neue Züge
hätte beifügen können, nur die Wirksamkeit Davids in
Nied er- und Obermünfter war mir nicht bekannt gewefen,
aber S. befchränkt fich hier S. 16—21 auf die Wiedergabe
des literarifchen Kampfes zwifchen Wilhelm und Väth,
ohne ein eigenes Urteil vorzubringen und zu begründen.
Auch wird Davids Eigenfchaft als Myfliker ftärker in den
Vordergrund gerückt, als ich es damals tat. Es kommt
dabei in erften Linie darauf an, was man Myftik heißt.
S. eignet fich (S. 99) die etwas weite Definition von Michael
an, wonach unter Myftik das ganze geiftliche Leben
verftanden werde, infofern es aufgefaßt und gepflegt werde
unter dem Gefichtspunkt des Strebens nach der vollkommenen
Vereinigung mit Gott. Aber felbft wenn man
diefe Definition gelten läßt, fo weiß S. wenigftens aus den
lateinifchen Schriften Davids eigentlich auch nicht mehr
myftifche Spuren anzuführen als in den von mir fchon