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Ausgabe:

1914 Nr. 2

Spalte:

581-582

Autor/Hrsg.:

Heinrici, C. F. Georg

Titel/Untertitel:

Paulinische Probleme, erörtert 1914

Rezensent:

Bauer, Walter

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S8i

Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 20/21.

582

dem Exil wieder einen davidifchen König, der feinen Sitz
in Jefreel haben wird (3, 5; 2,2). Verf. bemüht fich dann
noch, eine Entwicklung in Hofeas Heilseschatologie aufzuzeigen
und die einzelnen Weisfagungsftücke zu datieren.

Im ftrengften Gegenfatz zur Hypothefe der reproduzierenden
Prophetie findet Vf. fomit das Nebeneinander
der Gerichts- und der Heilspredigt in den Propheten
felbft, und es ift kaum ein Vers, den er aus den urfprüng-
lichen Prophetenfchriften loslöft, auch von Arnos 9, 8—15
hält er V. II. 13h wenigftens mit einiger Wahrfcheinlich-
keit für urfprünglich. Aber feine Ausführungen, ins-
befondere über Arnos, leiden an dem Fehler, den er allerdings
mit einer Gruppe der gegenwärtigen Forfchung teilt,
daß er die Propheten als Vertreter eines eschatologifchen
Syftems betrachtet. In Wirklichkeit find fie praktifchere
und lebendigere Männer gewefen; fie reden nicht von einer
abfoluten Kataftrophe (dem ,Endgericht') und einem abfoluten
Heil (dem ,Reich Gottes'), fondern fie verkündigen
ihrem Volk nur eben ein gewaltiges politifches Unglück;
fie denken nicht an die .letzten Dinge', fondern an die
unmittelbar bevorftehende Zukunft, genau fo wie wenn
ein heutiger Prophet unferem Volk trotz feiner wirtfchaft-
lichen Blüte die Kataftrophe eines furchtbaren und unheilvollen
Krieges vorftellen müßte. Stellen wie Am. 2,13—16;
5, 11. löf. 27; 6,9; 7, 17, die Verf. namentlich anführt, enthalten
eben diefes und nicht mehr. Diefe prophetifche
Gerichtspredigt ift tatfächlich in Erfüllung gegangen, als
das Nordreich bald darauf von der Bildfläche verfchwand;
ein Endgericht und eine Aufrichtung des Reiches Gottes
dagegen kamen nicht. Vf. folgt auch dem Gefpinft des
.antiken vorderorientalifchen eschatologifchen Syftems',
das die Propheten beeinflußt habe, und doch ift diefes
Syftem immer noch unerwiefen.

Tübingen. Volz.

Heinrici, D. Dr. C. F. Geo.: Paulinifche Probleme, erörtert.
(VI, 95 S.) 8°. Leipzig, Dürr'fche Buchh. 1914.

M. 1.40; geb. M. 2 —

In einem fchmalen Büchlein nimmt Heinrici zu den
Problemen Stellung, die heute die Paulusforfchung bewegen
. Er weiß felbft, daß eine erfchöpfende Behandlung
mehrere Bände füllen würde. Aber er hatte das
be°reifliche Bedürfnis, bei den Erörterungen, in deren
Mittelpunkt der Apoftel fteht, nicht länger fchweigend
zuzuhören, fondern auch feinerfeits ein Wort zu fprechen.
Form und Umfang feiner Darbietungen find durch die
Veranlaffung bedingt, der fie ihren Urfprung verdanken.
Wir haben es mit, um einige Anmerkungen vermehrten,
Vorträgen zu tun, die H. vor Volksfchullehrern gehalten
hat. Konzentration auf die Hauptfachen, Beifeitelaffung
alles Entbehrlichen war das Gegebene. Daß H. vor
diefem Publikum nicht über textkritifche und chrono-
logifche Fragen fprach, auch über die Echtheit der Paulusbriefe
, Interpolationen und Quellenfcheidungen nur weniges
fagte, ift fehr begreiflich. Würde doch auch ein Auditorium
von Fachgenoffen, und vielleicht gerade einfolches,
heute für andere .paulinifche Probleme' größere Teilnahme
zeigen.

Das erfte Kapitel bietet eine knappe Gefchichte des
Intereffes wie des Verftändniffes für Paulus bis zur Gegenwart
. Das zweite handelt von den Quellen für das Werk
des Apoftels. Die Abfaffung der Apoftelgefchichte durch
Lukas erfcheint als überwiegend wahrfcheinlich. Von den
Paftoralbriefen gilt mindeftens der erfte für nachpau-
linifch. Der dritte Abfchnitt macht uns mit Perfon und
Eigenart des Paulus vertraut. Hier findet Wredes bekannte
Beurteilung des Apoftels Zurückweifung. Der
Polemiker Paulus wird uns aus feiner Eigenfchaft als antiker
Menfch heraus verftändlich gemacht. Das vierte
Kapitel fchildert das geiftige Rüftzeug des Paulus. Hauptfaktoren
find die Chriftusoffenbarung und der Prophetismus
. Spätjudentum und Hellenismus dagegen haben
mehr nur auf die Form feiner Darlegungen eingewirkt
. Die beiden letzten Kapitel ftellen den Inhalt
der paulinifchen Verkündigung in ihren wichtigften Momenten
dar (Kap. 5: Der Weg zum Heil und der Inhalt
der Heilsverkündigung, Kap. 6: Der Heilsbefitz in der
Gegenwart, feine Behauptung und feine verpflichtende
Kraft).

Mit gleicher Energie wie fein Schüler Deißmann betont
H., daß Paulus kein Syftematiker gewefen ift. Die
Darlegungen des Apoftels werden vielmehr durch die
Anforderungen der Miffionsarbeit und der Seelforge von
Fall zu Fall beftimmt. Widerfprüche enthalten fie nicht.
Wohl find Gedankenreihen vorhanden, die nebeneinander
herlaufen. Sie find jedoch aus einer gefchloffenen Grund-
anfchauung erwachten und ergänzen fich daher gegen-
feitig. Die gemeinfame Bafis aber, das ift das Evangelium
Jefu, deffen Hauptwahrheiten der Apoftel richtig erfaßt
und in originaler Weife reproduziert hat. Die Behauptung,
jenes Evangelium fei bei ihm unter dem Einfluß des
Spätjudentums und des Hellenismus in tiefgreifender
Weife verändert worden/leidet vor allem an dem Fehler,
den vielfach bildlichen Charakter der Redeweife des
Apoftels zu überfehen. Nur deshalb konnte man in ihm
in dem Maße, wie es gefchehen ift, den Myftiker fehen,
ihm gar eine myftifche Sakramentslehre, die naturhafte
Wirkungen fordert, aufbürden. ,Der Geift Gottes, den er
erfahren hat, wirkt nicht naturhaft, fondern er weckt
den Glauben und erneut die Gefinnung', fo fchließt
Heinrici.

Die reiche Belefenheit H.s in profaner Literatur alter
und neuer Zeit offenbart fich auch in feiner neueften
Schrift und macht feine Darlegung auch da, wo fie betretene
Pfade geht, intereffant und lehrreich. Daß er mit
der theologifchen Forfchung völlig vertraut ift, bedarf
nicht ausdrücklich der Erwähnung. Selbft mit ihren
jüngften Produkten hat er fich auseinandergefetzt. Die
Übertreibungen der Modernen lehnt er ab. Mir will freilich
fcheinen, daß er auch manche zutreffenden Erkennt-
niffe, die jene zutage gefördert, verwirft. Er unterfchätzt
meines Erachtens doch die Bedeutung, die das Spätjudentum
, befonders die Apokalyptik und der nichtjüdifche
Hellenismus für die geiftige Welt des Apoftels gehabt
haben. Ohne ihre Berückfichtigung werden fich wichtige
Beftandteile der paulinifchen Verkündigung fchwerlich in
ihrer Entftehung erfaffen laffen.

Als Verfehen möchte ich notieren, daß S. 62 Johann Gerhard mit
Paul Gerhardt verwechfelt ift.

Breslau. Walter Bauer.

Eidem, Erling: Pauli Bildvärld. Bidrag tili belyfande af
Apoftelns omgifning, uttrycksfätt och fkaplynne. I. Ath-
letae et milites Christi. (VIII, 251 S.) gr. 8°. Lund,
Lindftedt (1913).

Inhalt: i. Die Quellen; 2. Allgemeine Anmerkungen über die
Bilderfprache, befonders die des Paulus; 3. Aus Rennbahn und Schaubühne
; 4. Krieg und Kriegsmänner.

Der Verf. diefer Habilitationsfchrift hat fich vorgenommen
, die Welt des Paulus in bezug auf die von
ihm angewandten Bilder zu Unteraichen. Von der zielbewußten
Arbeit der Wiffenfchaft, befonders der letzten
Jahrzehnte, die Eigenart und Abhängigkeit des Apoftels
zu erkennen, zeugt faft jede Seite. In befonnenen, wohl
abgewägten Urteilen ftellt der Verf. feinen Standpunkt
dar. Er fcheint bei aller Selbftändigkeit beftrebt zu fein,
womöglich die richtige Mitte einzuhalten. So z. B. in
betreff jüdifcher oder helleniftifcher Beftimmtheit des
Paulus, Abhängigkeit von der kynifch-ftoifchen Diatribe,
Einfluß von feiten der Myfterienfrömmigkeit. Ähnlich
ift fein Urteilen über Einfeitigkeiten von Deißmann (Art
der Paulusbriefe; undogmatifche Ausdrucksweife des

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