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Ausgabe:

1914 Nr. 2

Spalte:

580-581

Autor/Hrsg.:

Baumgartner, Walter

Titel/Untertitel:

Kennen Amos und Hosea eine Heilseschatologie? 1914

Rezensent:

Volz, Paul

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Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 20/21.

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ihre Überrefte doch nur kurze Zeit, fo daß fie fchwerlich
den Gedanken an ein Fortleben der Toten mit ihren
Wunden, das allein eine Halle als Obdach bedingte, an
diefer irdifchen Stätte wachriefen. Denn wie N. S. S^ff
ausführt, foll Valhall erft nach Vermifqhung mit dem
Heireich und nach der Verbindung mit Ooin und feinem
himmlifchen Gooheim in die himmlifche Sphäre, erhoben
fein. Urfprünglich exiftierte eine Valhall ohne ÖSin. Wie
verträgt fich das mit N.s .Erörterungen S. 27fr., wo die
engfte Verbindung zwifchen Oöin und der Walftatt und
Valhall nachgewiefen wird? Gewiß ift Valhall die Halle
der in der Schlacht Gefallenen, , aber fie hat m. E. ftets
im engen Zufammenhang mit Oüin geftanden und hat
fich mit deffen Wandel im Glauben des Volks und der
Dichter verändert. Daher ift die Entwicklung des Wodanglaubens
die einzige fefte Grundlage, die die Entwicklung
der Valhallvorftellungen erklärt. Hier rächt fich die
vollftändige Nichtbeachtung der Volksüberlieferung. Mit
keinem Worte erwähnt N. die heiligen Valhallberge in
Schweden, die den Schlüffel zur gefchichtlichen Entwicklung
des Valhallglaubens bieten und in denen auch
von andern (vgl. Hellquift, Ark. f. nord. fil. 21, 139) eine
ältere Stufe des Valhallglaubens gefunden worden ift, als
fie in den isländischen , Zeugniffen vorliegt. Als Toten-
und Windgott war Oöinn Herr des valr, in den Bergen
lebte diefer fort, wie ja auch N. das Eingehen der Toten
in Berge aus den nordifchen Quellen erweift. Die Zeug-
niffe der Unterfchicht alten Wodanglaubens, die aus der
nordifchen Profaliteratur ftammen und fchon deshalb
höheren Wert als die ftilifierten poetifchen Zeugniffe haben,
fchüttelt N. fchnell ab. ,Für unferen Zufammenhang find
diefe Mythen wie alles, was mit dem „Windgott" Wodan
zu tun hat, glücklicher , Weife belanglos' (S. 60). Durchaus
nicht. Für N. ift Oöinn nur der Kriegs- und Himmelsgott
, und von diefer Auffaffung aus ftellt er alle feine
Kombinationen ein. Was fpricht für diefen Himmelsgott?
Die Langobardenfage des Paulus Diaconus und höchftens
die Hliöskjälfsszene, die fich beide durch die Auffaffung
des Gottes als alten Windgottes erklären laffen. Nicht
ein Zeugnis aus dem reichen nordifchen Wortfehatz und
den zahlreichen , Kenningar läßt fich beibringen, aus dem
eine Verbindung Oöins mit, dem Himmel hervorgeht. Als
Toten- und Windgott ift Oöinn Herr des Luftreiches und
der Wolken, nicht aber des Himmels. Immer mehr komme
ich zur Überzeugung, daß ,Himmelsgott' ein chriftlicher,
aber nicht ein heidnifcher Begriff ift. Nach chrift-
lichem Dogma ,Unfer Gott ift im Himmel' hat man den
Begriff inftinktiv in heidnifche Religionen verpflanzt. Nur
PTfcheinungen in der Luft und am Himmel, wie Wind,
Wolken, Sterne, gaben Veranlaffung zur Götterbildung,
aber nicht jene Wölbung, die wir als Himmel bezeichnen
und wo wir unfere Gottheit wohnen laffen. Recht gebe
ich N., daß wir mit dem Begriff der Seele als Hauch
oder Schatten etwas vorfichtiger fein müffen, als es bisher
gefchehen ift. Daß aber damit der Glaube unferer
Vorfahren an das Fortleben der Toten im Luftreiche,
den faft alle Völker haben, begraben fei, muß nach
fchwerwiegenden Zeugniffen bezweifelt werden. Zur Ge-
fchichte der nordifchen Sprache hat N. mehrere wichtige
Beiträge im vorliegenden Buche geliefert, religionsge-
fchichtlich ift es mehr Rück- als Portichritt. Auch er
hätte von A. Olrik lernen können.

Leipzig. Mogk.

Hurwitz, Solomon Theodore Halevy, Ph.D.: Root-Deter-
minatives in Semitic Speech. A contribution to semitic
philology. (Contributions to Oriental Plistory and
Philology. No. VI.) (XXII, 113 S.) gr. 8°. New York
(Lemcke & Buechner) 1913. $ 1.50

Die Frage nach den Wurzeln bildet mit der nach der
Verwandtfchaft zwifchen dem Semitifchen und Indogermanischen
das Paar von Problemen, das an der Peripherie
der femitifchen Sprachwiffenfchaft fteht, aber ebendeshalb
ein außergewöhnliches Intereffe einflößt. Die zweite von
diefen beiden Fragen, die nach dem Verwandtfchaftsgrad
des indogermanifchen und des femitifchen Sprachftammes,
hat ja nunmehr durch den dänifchen Gelehrten Herrn.
Möllerin feinem Vergleichenden indogermanifch-femitifchen
Wörterbuch' (Göttingen 1911) eine beachtenswerteste Beantwortung
gefunden. Die andere Frage, die fich zunächft
auf das Verhältnis von Wurzel und Stamm im Semitifchen
bezieht, ift gerade in den letzten Jahren lebhaft verhandelt
worden. K. Ahrens befpricht den Stamm der fchwachen
Verba im Semitifchen (ZDMG. 1910, 161 ff). Während er
die urfprüngliche Zweibuchftäbigkeit des Grundftammes
der fchwachen Verben vertritt, geht z. B. Brockelmann
in feinem Grundriß der vergleichenden Grammatik der
femitifchen Sprachen (1908—12) von der ursprünglichen
Triliteralität der fchwachen Verba aus. Welche An-
fchauung will nun Hurwitz in feinem Buche über die
Wurzeldeterminative zur Geltung bringen? — In einem
erften Teile zeigt er noch einmal mit guten Gründen, daß
hinter dem dreikonfonantigen Grundftamm eine zwei-
buchftäbige Wurzel fteht, die mehr oder weniger ficher
erkannt werden kann. Sie wirkt fozufagen im Unterbewußtfein
der Sprachfeele nach, indem z. B. bei der
Bildung von abgeleiteten Intenfivftämmen das Schwächere
Element eines Grundftammes zurückgestellt wird (vgl.
kilkel mit kül). In diefem erften Teile trifft er, wie er
auch mehrfach durch Zitate aus meinen Darlegungen anzeigt
, mit meinem Urteile wefentlich zufammen. Im zweiten
Hauptteile unterfucht er die mehr als dreibuchftäbigen
Stammbildungen. Daraus zieht er wieder das Refultat,
daß der dreibuchftäbige Stamm ,ein entwickelter Stamm'
fei (S. 67). Aber was nützt es, wenn er (S. 69) über das
zurückhaltende Urteil hinausftrebt, das z. B. Nöldeke
(Neue Beiträge zur fem. Sprachwiffenfchaft 1910, S. 180)
formuliert hat? Eine plaufible Zurückführung der wahr-
fcheinlichen fekundären Elemente der triliteralen Grund-
ftämme auf die Bildungselemente der abgeleiteten Verbal-
ftämme (n, t, Spir. lenis etc.) läßt fich doch nicht geben.
Mein Gefamturteil kann deshalb nur diefes fein. Trotz
alles Fleißes und aller Sauberkeit der Unterfuchung hat
der Verf. doch das Gebiet der ficheren oder wahrscheinlichen
Erkenntniffe über Wurzel und Stamm im Semitifchen
nicht wefentlich erweitern können.

Bonn. Ed. König.

Baumgartner, Walter: Kennen Arnos und Hofea eine Heils-
eschatologie? Diff. (Zürich). (67 S.) gr. 8°. Zürich, A.
Schaufelberger 1913.

Verf. gibt ein klares, felbftändiges Referat, das nicht
bloß den gegenwärtigen Stand derForfchung gut erkennen
läßt, fondern heue Anregung bringt. Bei Arnos beschäftigt
er fich mit den beiden Fragen, ob der Prophet überhaupt
Heilseschatologie ausfprach und ob die Weisfagung9, 8—15
vom Propheten Stammt. Die erfte Frage wird bejaht;
Arnos denke zwar zunächft nur an das Gericht und male
dies mit allen Schrecken aus, da er aber doch fein Volk
nicht ganz fahren laffen könne, ,fchwelge er nachher in
den Schilderungen der Heilszeit', mit denen er fich über
die trübe Gegenwart tröfte, ohne daran zu denken, daß
er das Volk vorher durch das Gericht habe ganz zugrunde
gehen laffen. Während fo bei Arnos die Heils-
weisfagung ohne Zufammenhang, ja im Widerfpruch zu
der Gerichtspredigt fteht, Schlägt Hofea eine Brücke
zwifchen beidem. Diefer Prophet erkennt in feinem Eheerlebnis
das Gefchick feines Volkes. Nachdem das Volk
im Exil geläutert ift, wird es von Jahwe wieder angenommen
, wie Hofea fein ungetreues Weib auf Jahwes
Befehl hin nicht völlig verfloßt, fondern nach einer Zeit
der Abfchließung wieder aufnimmt. Israel bekommt nach