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Ausgabe:

1914 Nr. 17

Spalte:

540-541

Autor/Hrsg.:

Heepe, Johs.

Titel/Untertitel:

Die Organisation der Altarpfründen an den Pfarrkirchen der Stadt Braunschweig im Mittelalter. Diss 1914

Rezensent:

Lerche, Otto

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Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 17.

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bok' utgiven av Sven Herner, Lund, C. W. K. Gleerups
Förlag. In Deutfchland gewinnen die biblifchen Lefe-
bücher gegenwärtig wefentlich an Bedeutung durch die
Erörterungen, die durch die neue Bibelrevifion hervorgerufen
find, und durch die dabei in alle Schichten und
Richtungen der evangelifchen Kirche eindringende Erkenntnis
, daß endlich eine gründliche Revifion der Lutherbibel
notwendig ift. Diefe aber follte nicht von oben
her in erfter Linie unter kirchenregimentlichen, kirchen-
politifchen und dogmatifchen Gefichtspunkten gemacht
werden, fondern vor allem unter pädagogifchen, volkstümlichen
und wiffenfchaftlich-fachlichen Gefichtspunkten
aus der Praxis heraus entftehen. Es ift nicht richtig, daß
man eine mühfam und künftlich der Tradition abgerungene
Revifion ohne Weiteres maßgebend macht. Man follte
vielmehr als die beften und wertvollften Vorarbeiten die
aus der Praxis und für die Praxis von Sachverftändigen
in der felbftlofeften und liebevollften Weife gefchaffenen
biblifchen Lefebücher betrachten, um von diefer Grundlage
aus eine wirklich befriedigende volkstümliche Neu-
geftaltung der Lutherbibel zu gewinnen.

Frankfurt a. M. W. Bornemann.

Referate.

Tücker, Miff.-Bifch. D. Alfr. R.: 18 Jahre in Uganda u. GTtafrika.

Übertr. v. O. Brandner. 2 Bde. (XXIV, 288 u. XII, 266 S. m.

1 Karte.) gr.8°. Dresden, O. Brandner 1912. M.7.50; geb. M.8.50
Warneck, Miff.-Infp. Lic. D. Joh.: 50 Jahre BatakmiCfion in Sumatra
. (301 S. m. 16 Taf. u. 1 Karte.) gr. 8». Berlin, M.

Warneck 1911. M. 2.50; geb. M. 3 —

Schi unk, Miff.-Infp. Mart.: Die norddeutrche MiiTion in Togo. 8°.

Bremen, Verlag der norddeut. Miffionsgefellfchaft. M. 2—
1. Meine Reife durchs Eweland. (VIII, 176 S. m. Abbildgn.

u. 1 Karte.) 1910. M. 1 —. — 2. Probleme u. Aufgaben.

(V, 170 S.) 1912. M. 1 —
Bei aller naturgemäßen Verfchiedenheit der Verbältniffe wie
der Autoren zeigen diefe drei Berichte von langjährigen und
erfolgreichen Miffionen eine Harke Konvergenz der Entwicklung.
Falt rein tagebuchartig und daher bisweilen ermüdend gleichförmig
ift die Darfteilung von Tucker; eine fchlichte Reifebefchrei-
bung bietet Schlunks erfter Band, während der zweite die brennenden
Miffionsprobleme gründlich erörtert. Am eindrucksvoll-
Iten ift durch die Verbindung konkreter Einzelzüge der Miffions-
arbeit mit großen Gefichtspunkten die Darftellung von Warneck.
Von ftarkem nationalem Intereffe getragen, dem gegenüber die
deutfchen Beftrebungen nicht eben glimpflich beurteilt werden
(vgl. I 38. 157 ff.), zeigt fleh die englifche kirchliche Miffion',
während die ,norddeutfche' Engländern wie Deutfchen gleichmäßig
zu dienen beftrebt ift, die ,rheinifche' Batakmiffion auf
Sumatra ausfchließlich den Holländern zugute kommt. Sehr
befonnen und nüchtern beurteilt den Erfolg der Miffionsarbeit
Schlunk; auch Warneck gibt eine eindringende Anaiyfe des Ba-
takfchen Chriltentums mit feinen Schwächen und Stärken (266ff).
Bei Tucker fehlt eine folche Würdigung falt ganz, und das hängt
mit feinem Mangel an religionsgefchichtlicher Orientierung zu-
fammen; die wenigen Notizen über die heidnifche Religion, die
er bringt, geben kein deutliches Bild. Ganz anders durchdacht
ift, was Schlunk über die ,Heidenpredigt' bietet (befonders in-
tereffant II 66 ff). Bei Warneck verlieht fich die gute Orientierung
von felbft; vieles aus den Schilderungen feines Buches über die
,Religion der Batak' wird erft im Zufammenhange der Miffionsge-
fchichte in feiner Tragweite verftändlich, ja dramatifch lebendig.
Höcht! erfreulich find die berichteten Erfolge. Die Uganda-Kirche
hat c. 63000 Getaufte (davon 18000 Kommunikanten). Das ift
fall ganz ein Erfolg der letzten Jahre. Die Batakkirche ift fogar
von 21000 Seelen im Jahre 1891 auf 103000 in 1911 gewachfen.
Dem gegenüber ift die ebenfalls 50jährige Norddeutsche Miffion zur
Zeit noch ftark im Rückftande; fie zählt in Südtogo 8200 Chriften
(3900 Abendmahlsberechtigte), ja fie ift zahlenmäßig von der katholischen
(Steyler) Miffion bereits überflügelt, die feit 1892 auf
10000 Chriften und 4800 Katechumenen gediegen ift. Überall
aber ift die Kraft des Heidentums bereits gebrochen; auf Sumatra
ift man auch bereits zu erfolgreicher Islam-Miffion fortge-
fchritten. Überall beginnen fich Volkskirchen zu bilden und
liehen Schul- und Verfaffungsfragen im Vordergrunde der Dis-

kuffion. Dies alles fowie die Auseinanderfetzung mit der einflutenden
modernen Kultur, die Hilfen und Hemmungen durch
die europäischen Regierungen beginnen der Miffionsarbeit ein
andres Ausfehen zu geben. Der Enthufiasmus tritt mehr oder
minder zurück, Reflexion und Theorie werden zu Notwendigkeiten.
Göttingen. Titius.

Winstanley, Edward William, D.D.: Jesus and the Future. An

Investigation into the eschatological Teaching attributed to
our Lord in the Gospels, together with an estimate of the
Signiflcance and practical Value thereof for our own Time.
(VIII, 415 S.) gr. 80. Edinburgh, T. & T. Clark 1913. s. 7. 6
Die eschatologifche Form des Evangeliums Jefu ift anzuerkennen
, aber fein innerer Gehalt ift unabhängig von diefer Form.
Diefer Erkenntnis dient die johanneifche Faffung, welche die
eschatologifche Verkündigung von den zeitgefchichtlichen Bedingtheiten
befreit und mit moderner Religiofität am eheften in
Einklang bringt. Das ift das Leitmotiv diefer Arbeit.

Im Schema Reich Gottes, Menfchenfohn, Auferftehung und
Leben, Gericht werden alle einfchlägigen Stellen fehr Sorgfältig
auf innere Wahrfcheinlichkeit und literarische Abhängigkeit
kritifiert. Um Jefu eigene Anficht zu gewinnen, muß die Zahl
der eschatologifchen Data ftark reduziert werden; er hat die vorgefundenen
Begriffe fpiritualifiert, indem er den des Gottesreichs
der politifchenFärbung entkleidete und aufdiefittliche Vorbereitung
des Reichs alles Gewicht legte, und andere Begriffe, wie Lohn,
Hölle ufw. als bloße Bilder gebrauchte, um das fittliche Leben
nach feiten der Verantwortung zu Marken. Wertvoll ift in diefen
Ausführungen befonders die umfangreiche Heranziehung der
fpätjüdifchen Literatur. Am eheften eigenartig find die praktifchen
Reflexionen über die Bedeutung des eschatologifchen Ausblicks
Jefu für moderne Religiofität. Johannes hat weiter fpiritualifiert:
bleibende Gegenwart Jefu im Geilt, ewiges Leben in der Gegenwart
, zeitliches Selbftgericht durch Stellungnahme zu Jefus; wenn
Jefu Sohnesbewußtfein im Gefühle feiner Gemeinfchaft mit Gott
beftand, fo ift für uns die Identifikation des Charakters mit ihm
der Weg zu unferer Gemeinfchaft mit Gott. Diefe Umwandlung
der Eschatologie ift in Jefu eigener Stellung, wie in Recht und
Pflicht der Kritik begründet, praktifch wertvoll für alle Zeit, und
kein Verluft fondern Gewinn. Das Buch ift eine klare Einführung
in das vorliegende Problem.
Königberg i. Pr. Pott.

Heepe, Jons.: Die Organifation der Altarpfründen an den Pfarrkirchen
der Stadt Braunfchweig im Mittelalter. Diff. (Göttingen)
(IV, 69 S.) gr. 80. Göttingen 1913.
Diefe hiftorifcheDiffertation eines Braunfchweigifchen Paftors
bietet in drei Kapiteln die Rechtsform, die Adminiftration und
den Dienft der Pfründen bzw. Pfründeninhaber. Von hoher prinzipieller
Bedeutung ift allein der erfte Abfchnitt, der fich mit der
Rechtsform befaßt. Heepe legt dar, daß es drei Arten von Pfründenübertragungen
gegeben habe, und zwar nach einander Kaplanei,
Befehlung und Lehen. Bei der Kaplanei kommt die bedeutendfte
Stellung dem Pfarrer zu, an feine Perfon ift die Stiftung gebunden,
er mietet den Meßpriefter, und der Rat hat nur die vorfichtig
gehandhabte Oberaufficht. Mit dem durch die große Schicht 1374
erfolgten Sturz des alten ariftokratifch gefinnten, mit den Pfarrern
mehrfach verwandten und befreundeten Rates tritt eine Änderung
ein. Der neue demokratifche Rat bemühte fich fchärfer um die
Aufficht über die beftehenden Altarpfründen und um die Stiftung
neuer Vikarien ufw.: er machte fie von feiner Genehmigung fowie
von der Erfüllung beftimmter Bedingungen abhängig. Der Geift-
lichkeit blieb nichts anderes übrig, als fich dem Rate zu fügen,
wie wir das auch bei der Stiftsgeiftlichkeit in Goslar durch
Schillers Buch gefeiten haben (vgl. Th.L.Ztg. 1913 (XXXVIII)
Sp. 559f.). An die Stelle der Kaplanei, der früheren Rechtsform,
tritt die Befehlung in wenigen Fällen als Übergangsform, dann
das Lehen. Damit ift eine innerliche Wandelung der Pfründen
eingetreten. Der Rat hat für die alten Stiftungen nicht mehr das
lebhafte Intereffe, er hat über fast alle Stiftungen das Patronat erworben
und kann da die ihm geeignet fcheinenden Perfonen ein-
fetzen. Mir will nicht recht einleuchten, wie die große Umwandlung
auf politifchem Gebiet in der Stadt Braunfchweig eine kirchenrechtliche
Verfchiebung im Charakter der geiftlichen Stiftungen
hat anregen oder befördern follen. Und da liegt — will es mir
fcheinen — auch der Fehler der Arbeit, daß fie zwar ein koloffales
Material aus dem Stadtarchive in Braunfchweig recht gründlich
verarbeitet, daß fie aber zu wenig Rückficht nimmt auf die parallelen
Erfcheinungen in anderen Städten und Gegenden, daß die