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Ausgabe:

1914 Nr. 17

Spalte:

525-526

Autor/Hrsg.:

Hamelmann, Hermann

Titel/Untertitel:

Hamelmann‘s geschichtliche Werke. Kritische Neuausg. Band 2: Reformationsgeschichte Westfalens. Hrsg. v. Klemens Löffler 1914

Rezensent:

Lerche, Otto

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525

Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 17.

526

offenen e ä mit dem Hilfsvokal i. Vgl. die Ficker entgangene Abhandlung
H. Bauers Zeitfchr. f. württb. Franken 6,379,2.

Stuttgart. G. Boffert.

Hamelmann's, Hermann, gefchichtliche Werke. Kritifche
Xeuausgabe. Bd. II. Reformationsgefchichte Weft-
falens. Hrsg. v. Univ.-Bibl. Dr. Klemens Löffler. Mit
e. Unterfuchg. über Hamelmanns Leben u. Werke u.
e. Bildniffe. (Veröffentlichungen der Hiftor. Kommif-
fion f. die Prov. Weftfalen.) (LXXXIV, 443 S.) gr. 8".
Münfter i. W., Afchendorff 1913. M. 12 —

Über Hermann Hamelmann find wir durch neue Literatur
nicht befonders glänzend unterrichtet, und man fragt
vielleicht, ob die Mitteilungen über Hamelmann von folcher
Bedeutung find, daß fie eine fo gute und gründliche Behandlung
füglich erwarten durften. Die hefte wenn auch dürftige,
dafür aber leicht zugängliche Orientierung über Hamelmann
fand man bisher in der Realenzyklopädie für proteftantifche
Theologie und Kirche (3. Aufl.). Die neue von der hifto-
rifchen Kommiffion für die Provinz Weftfalen veranftaltete
Ausgabe von Hamelmanns hiftorifchen Werken hat zu-
nächft einige Kleinigkeiten von Detmer und Hofius,
dann aber noch zwei ebenfalls Weftfalen angehende
Schriften Hamelmanns, von Löffler herausgegeben, gebracht
. Löffler löft mit feiner vorliegenden Ausgabe von
H.s Reformationsgefchichte zum Teil ein von Detmer
gegebenes Verfprechen über Nachrichten von H.s Leben'
und Werken ein. Löffler fchränkt den Umfang des von
Detmer aufgeftellten Programms bedeutend ein, zeigt fich
aber in diefer Befchränkung durchaus glücklich: mit diefer
verhältnismäßig kurzen Vorrede und Einleitung zu feiner
Ausgabe wird der Erforfchung der Gefchichte der Kirche
und vor allen Dingen der Theologie wirklich gedient.
Hamelmann ift einer von den in ihrer Schärfe nicht all-
zufeltenen Theologen, die der Eifer um das Wort des
Herrn gefrefien hatte, die in ihrer ,rabies theologica' befangen
, blind jeden ihnen hingeworfenen Fehdehandfchuh
aufnahmen und fich in alle möglichen unfruchtbaren Streitigkeiten
einließen. Dem entfprechend ift ihr äußerer
Lebensgang auch wenig erbaulich, die perfönlichen Un-
ftimmigkeiten find zahlreich, um fo unerfreulicher bei
Hamelmann, als er durch feine perfönliche Eitelkeit mancherlei
Anftoß erregen mußte. So hatte er auch das
Afyl, das fich_ ihm, dem früheren Katholiken, nach
langem Suchen in Wolfenbüttel und dann in Gandersheim
als Generalfuperintendent und Kanonikus geboten hatte,
nicht recht würdigen können. Wunderlich bleibt es darum,
daß er die letzten Jahre feines Lebens (1573—1595) in
Oldenburg hat aushalten können. Als geborener Weftfale
hat er fich zeitlebens zur Heimat ftark hingezogen gefühlt
und ftets verfucht, die Heimat in den glänzendften P'arben
zu fchildern. Doch ift er dabei zuweilen nicht ganz richtig
vorgegangen, wie er fich durch feine Schärfe gegen die
Katholiken eine Stellung nach der anderen in der Heimat
verfcherzte. Auch in Gandersheim hat er ,eine große
papiftifche Hefe vorgefunden und ein Gewirr von Mönchen
und Nonnen', die er ihres Irrtums überführen wollte. Wenn
ihm auch eine ftarke Portion von Selbftüberhebung nicht
abzufprechen ift, wenn ihm auch eine gewiffe Eitelkeit
nicht ganz fremd ift, fo muß doch betont werden, daß
fein Privatleben ftets nicht nur durchaus einwandfrei, fondern
geradezu vorbildlich gewefen ift. Es ift auffallend, daß
die theologifchen Gegner jener Zeit oft, wenn fie mit ihren
wiffenfchaftlichen Argumenten zu Ende waren, das Privatleben
des Gegners angriffen und ihm meift grobe Trunk-
fälligkeit vorwarfen. Auch H. hat diefem Vorwurfe
nicht entgehen können: der Rat von Oldenburg aber forgt
für eine recht energifche Zurückweifung diefer Befchul-
digung.

Bei der Beurteilung von H.s literarifcher Tätigkeit
ift zunächft zu bewundern die große Anzahl feiner Schriften

vornehmlich zur niederfächfifchen Kirchengefchichte. Diefe
Werke haben jedoch zur Zeit nur noch einen mittelbaren
Wert durch die Vorreden, die viel bedeutfame Momente
der damaligen theologifchen Fragen erörtern. Seine pole-
mifchen Werke felbft find zum großen Teil aus den Vätern
o-efchöpft, und H. bemüht fich, den Katholiken zu zeigen,
daß ihre Lehren nicht allein mit dem Worte Gottes, fondei n
auch mit den Vätern, den eigentlichen Kronzeugen der
katholifchen Lehre, in Widerfpruch ftünden. Seine Arbeit
befteht da, wie überhaupt, weniger in Kritik und im Beurteilen
, als in einer fleißigen Sammlung, die alles zufammen-
gelefene vorträgt. Bis in das 19. Jhdt. hinein hat einige
Bedeutung erhalten H.s 1568 erfchienenes Buch ,de tradi-
tionibus apoftolicis'. Von den hiftorifchen Werken hat zu
ihrer Zeit große Bedeutung erlangt die oldenburgifche
Chronik, neben der viele Beiträge zur Gefchichte der weft-
fälifchen Bistümer zurücktreten. Eine tüchtige Leiftung
und immer noch wichtige Materialfammlung enthalten
feine verfchiedenen Beiträge zur weftfälifchen Gelehrten-
gefchichte. Löfiler, der fie ebenfalls herausgegeben hat,
fagt davon, fie hätten vielleicht den einzigen Fehler, daß
fie mehr unberühmte als berühmte Weftfalen behandeln.

Von größter Bedeutung für die Beurteilung nicht H.s
allein fondern feiner ganzen Zeit ift die Reformationsgefchichte
Niederfachfens, von der Löfiler die weftfälifchen
Partien aus einer ziemlich fchwierigen Überlieferung herausgibt
. Die Oldenburger Handfchrift ift die befte, leider
ift fie nicht vollftändig; die darnach angefertigte Wolfen-
büttler Handfchrift ift vollftändiger, trägt aber die Spuren
der Flüchtigkeit auf der Stirn und ift nicht mit allen
Zufätzen des Verf. verfehen. Eine Hamburger Handfchrift
ift hier (für Weftfalen) nicht von Bedeutung. Ein von H.
felbft vorgenommener Druck gibt nur Bruchftücke, aber
auch nicht nach den vorliegenden Handfchriften, fondern
vollftändig umgearbeitet. Aus der Maffe des vorhandenen
Materials heraus löft L. in einwandfreier Bearbeitung die
15 Weftfalen angehenden Kapitel, deren hiftoriographifche
Bedeutung er eingehend würdigt. Nach feinem eigenen
Urteil ift die von ihm herausgegebene Arbeit H.s fo zu
beurteilen: als unentbehrlich find zu bezeichnen die
Kapitel Ahlen, Paderborn, Gefeke, Mark, Dortmund
, Bielefeld, Herford, Höxter, Rietberg, alfo
mehrals dieHälfte. Tecklenburg und Wittgen ftein
find fehr dürftig und bereichern unfere Kenntniffe
nur wenig. Von den Abfchnitten Münfter, Minden,
LippftadtundSoeft würden wir die Teile, in denen
die Anfänge der Reformation erzählt find, entbehren
können. Bei Münfter und Soeft find fiefogar
faftwertlos. Die übrigen Partien diefer Abfchnitte
befchränken fich auf Perfonalien und Charakteri-
ftiken der evangelifchen und katholifchen Geift-
lichenbis 1 568 und gewähren erwünfchteEinblicke
in das innere kirchliche Leben, find alfo in ihrer
Art ebenfalls nützlich, und da andere Quellen
fehlen, unentbehrlich. Mir will Rheinen, als ob damit
die Notwendigkeit diefer Ausgabe zur Genüge dargetan
ift. Daß fie recht brauchbar ift, danken wir dem Herausgeber
, der außer der Einleitung mit einer vollftändigen
Bibliographie und Würdigung des Gefamtwerkes jedem
Kapitel einige Bemerkungen vorangeftellt und durch vielfache
Hinweife in den Fußnoten fowie durch ein Perfonen-
und Ortsverzeichnis die Benutzbarkeit erleichtert hat.

Wolfenbüttel. Otto Lerche.

Kühler, Dr. W. J.: Het Socinianisme in Nederland. (XII,
287 S.) gr. 8°. Leiden, A. W. Sijthoff 1912. M. 6 —

Wer in dem niederländifchen Religionsgemengfel der
Reformationszeit einen wichtigen Faktor für die Entwicklung
des Neuproteftantismus erblickt, wird diefe Gefchichte
des Sozinianismus mit Spannung zur Hand
nehmen, aber ich fürchte, er wird etwas enttäufcht wer-
! den. Denn manches, was er fucht, wird er nicht finden.