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Ausgabe:

1914 Nr. 17

Spalte:

524-525

Autor/Hrsg.:

Hohenlohe, Graf Sigm. v.

Titel/Untertitel:

Kreuzbüchlein 1523. Neu hrsg. v. Johannes Ficker 1914

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 17.

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theologifchen Bildung zu einer allerdings wenig harmoni-
fchen Einheit. Der Tiefftand der Bildung des Klerus
befonders auf dem Lande war ein fehr großer. Erfahren
wir doch, daß viele Geiftliche, fogar ein magister scholae
nicht einmal fchreiben konnten. Auch die Klöfter bildeten
keine Brennpunkte geiftlicher Bildung. Die Gründung
Benedikts von Nurfia, Monte Caffino, befaß damals noch
keine Schule für Laien, nur die pueri oblati erhielten hier
Unterricht. Auch das Intereffe der irifchen Mönche, die
feit 600 nach Italien kamen, ift für die profane Literatur
nicht fo groß gewefen, wie man früher annahm. Erft das
Bildungsprogramm der karolingifchen Renaiffance belebt
das Intereffe an der klaffifchen Bildung von neuem und
riel in Rom, allerdings erft nach Karls des Großen Tod,
einen zeitweiligen Auffchwung hervor. Diefe Einwirkung
zeigt fich befonders auf der unter Eugen II im Jahre 826
gehaltenen römifchen Synode. Aber der allgemeine Niedergang
in Italien am Ende des 9. und Anfang des 10. Jahrhundert
zerftört bald wieder diefe Anfätze.

Heidelberg. G. Grützmacher.

Primrofe, Rev. James M. A.: Mediaeval Glasgow. (XII,
277 S.) gr. 8°. Glasgow, J. Maclehose & Sons 1913. s.7.6

Dies Buch gibt einen intereffanten Bericht über Haupt-
epifoden des geiftlichen und fozialen Lebens einer Stadt,
die in Schottland von großer Wichtigkeit war lange ehe
fie der Mittelpunkt des fchottifchen Handels und die
zweite Stadt Großbritanniens wurde. Es ift nicht Ge-
fchichte, aber P. fchreibt wie ein Hiftoriker, da er die
lokalen Archive forgfältig ftudiert und die beften Quellen
der Allgemeingefchichte bezüglich der Ereigniffe, über |
die er fchreibt, durchforfcht hat. Er wählt 10 Bifchöfe
aus, von denen jeder eine befondere Entwicklung illu-
ftriert: Jocelyn (1175—1199), unter dem Glasgow zu
einem Burgnecken wurde und als fein Bifchofsfitz Befreiung
von den Metropolitananfprüchen Yorks erlangte; Bou-
dington (1233—1258), der Gründer der jetzigen Kathedrale
; Wishart (1272—1316), der gewiffenlofe aber tapfere
Anhänger von Robert Bruce; Cameron (1426—1446),
den Rom für die Beftrebungen Jacobs I, über fchottifche
kirchliche Angelegenheiten zu herrfchen, verantwortlich
machte; Turnbell (1447—1454), der Gründer der Glasgower
Univerfität; Andrew ofDurisdere, gewöhnlich
Muirhead genannt (1455—1473), unter dem die Univerfität
in ein anderes Gebäude verlegt und die Kirchenmufik
entwickelt wurde; Blakader (1484—1508), der durch
ftarken Einfluß auf König und Parlament die Erhöhung
des Bistums zum Erzbistum zuftande brachte und der j
bei dem Strafgericht gegen die Lollards of Kyle (Wyklif-
fianer) den Vorfitz führte; James BeatonI (1509 —1522),
deffen Ruhm als tapferer Gegner kylifcher Bedrückungen
nur durch feinen Neffen Kardinal David Beaton übertroffen
wurde; Dunbar (1524—1547), David Beatons Rivale, der
im Jahre 1543 gegen das Lefen der Bibel in der Landes-
fprache proteftierte, jedoch damit nur die Verdienfte
Georg Buchanan's um feine großzügige chriftliche Kultur
ficherftellte, und James Beaton II (1551—1560), den
letzten der vorreformatorifchen Erzbifchöfe Glasgows, der
aus Schottland floh, als der Sieg der Reformer in Ausficht
ftand.

Außerdem gibt P. Skizzen von Elphinftone, der, obgleich
nicht Bifchof von Glasgow, doch einen großen
Teil feines Lebens dort zubrachte, von St. Rollox oder
St. Roche, dem ein großer Teil des heutigen Glasgow
feinen Namen verdankt, von dem Bifchofspalaft und dem
Marktkreuz und beiläufig auch von verfchiedenen hifto-
rifchen Charakterzügen der Stadt, die durch ihre indu-
ftrielle Größe durchaus nicht verwifcht find. Ohne Zweifel
ift das Intereffe an manchen Einzelheiten ausfchließlich
lokal, doch als Ganzes illuftrieren fie wirkfam die wider -
ftreitendenEinflüffe — geiftliche, religiöfe und nationale —
welche fleh in Schottland vom 12 —16. Jahrh. geltend

machten. Hier und da ift die Farbe lebhafter als die Urkunden
, die P. anführt, rechtfertigen, fo z. B., wenn er
Boudington ,einen Gottesmann mit einem offenen, vorurteilsfreien
Geift und einem ausgezeichneten Charakter'
nennt (S. 33) und Cameron the Magnificent mit St. Johannes
Chrysostomus vergleicht (S. 79), aber die Tatfachen
werden ehrlich und klar dargeftellt und P. hat
viele wichtige Berichte zufammengebracht, was der kurzgefaßten
fchottifchen Chroniftenweife Mannigfaltigkeit verleiht
. Seine einzige erhebliche Abweichung von der hi-
ftorifchen Treue kommt von dem übermäßigen Gewicht
her, das er den Angaben des Legendenkrämers Jocelyn of
Turneaux betreffs St. Ninian und St. Kentipern beilegt.
Es hätte auch erwähnt werden müffen, daß, wenn die
Domherren von Glasgow einen Bifchof auswählten ohne
den Papft um Rat zu fragen (S. 65), fie ein gefetzliches
Recht ausübten. Die päpftliche Einwilligung — mit
welcher der Paffus verbunden war, daß das Domkapitel
die Wahl ,in Unkenntnis' von des Papftes .Vorbehalt'
getroffen hatte — war eine Formel, durch die die Päpfte
jener Zeit einen neuen Anfpruch erhoben, die Bifchöfe
fowohl auszuwählen als auch zu beftätigen. Faft in jedem
Falle einer Vakanz in Schottland erklärten fie anfangs
die durch die Domkapitelherren getroffene Wahl für
nichtig und dann beftätigten fie fie.

P.'s Buch macht Anfpruch, forgfältig von denen ge-
lefen zu werden, die zu verliehen wünfehen, in welchem
Umfang die Gefchichte der mittelalterlichen Kirche Schottlands
mit der anderer Länder übereinftimmte oder davon
abwich.

Edinburg. A. R. MacEwen.

Hohenlohe, Graf Sigm. v.: Kreuzbüchlein 1523. Neu hrsg.
v. Johs. Ficker. (Quellen u. Forfchungen zur Kirchen- u.
Kulturgefch. v. Elfaß-Lothringen. I.) (XLVI, 23 S. m.
1 Abbildg. u. 4 Taf.) Lex.-8°. Straßburg i. E., K. J.
Trübner 1913. M. 4.50

Beffer hätte das neue Unternehmen für die Kirchen-
gefchichte von Elfaß und Lothringen nicht eingeführt
werden können, als durch die neue Ausgabe des Kreuzbüchleins
des Straßburger Domdekans, die Ficker dem
einftigen Statthalter Fürft Hermann zu Hohenlohe Langen-
burg zu feinem achtzigften Geburtstag widmen und in
einem vorläufigen Abzug noch vorlegen konnte, während
er die Buchausgabe nicht mehr erlebte. Denn kaum eine
| der kleinen Reformationsfchriften außer etwa Luthers hat
eine fo fchöne Ausftattung und gründliche gelehrte Einleitung
und Erläuterung des Inhalts bis zu den einzelnen
Teilen des Titelbildes, das am meiften aufBaldung weift,
aber doch ihm nicht fleher zuzufchreiben ift, und der
Bedeutung von Köpfeis Signet gefunden. Ficker zeichnet
den Boden, dem das Büchlein entflammt, die Stellung
des Domkapitels und der Domgeiftlichkeit zur religiöfen
Frage, die Veranlaffung zu der Schrift, die ftatt bisheriger
mündlicher Ausfprache des Domdekans kräftiger wirken
follte, ihre Zufammenhänge mit den reformatorifchen Gedanken
, befonders Butzers, die Bedeutung des Kreuzes
für die ftolze Geiftlichkeit, deren Reformbedürftigkeit
fcharf beleuchtet wird. Wohl hallen Luthers Bibel und
feine erften reformatorifchen Schriften wieder, aber anderes
fpezififch Lutherifche fehlt. Dagegen weift Ficker Zufammenhänge
mit dem religiöfen Humanismus und den
trüben, fchweren, oft apokalyptifchen Gedanken des ausgehenden
Mittelalters nach. Wertvoll find die Zitate aus
Lambert. Genau werden die verfchiedenen Drucke und
ihre Veranlaffung befprochen. Dem Text find fachliche
und fprachliche Anmerkungen beigegeben.

S. 10 Z. 15 1. mitling ftatt milting. S. 5 Anm. ift noh nicht
noch, fondern nahe; gar nahe ift beinahe. Henifch. Thef. 1355 Z. 6. S. 15
Z. 8 inen = ihn. Vgl. FrAnke, Schriftfprache Luthers S. 188. Das
rätfelhafte bleyhet =< blähet S. 16 Z. 1 erklärt fich aus dem fränkifchen