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Ausgabe:

1914 Nr. 17

Spalte:

515-516

Autor/Hrsg.:

Wiener, Harold M.

Titel/Untertitel:

Pentateuchal Studies 1914

Rezensent:

Holzinger, Heinrich

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Seite 1

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Si5

Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 17.

516

S. 94 ftellvertretente Übernahme fremder Schuld. Starke Bedenken habe
ich gegen das, was S. 81 über Paulus' Bekehrung vorgetragen wird. Für
das Verbot des Schwörens (S. 90) weife ich noch auf Diels' Elementum
S. 80 hin.

Die Schrift, deren reichen Inhalt ich nur andeuten
kann, empfehle ich dringend den Lefern diefer Zeitschrift.
Sie zeigt, wie wichtig für das Verftändnis des Urchriften-
tums und feiner Terminologie auch die Erforfchung der
alten Volksreligionen ift,

Göttingen. P. Wendland.

Wiener, Harold M., M. A., LL. B.: Pentateuchal Studies.

(XVI, 353 S.) gr. 8°. London, E. Stock 1912. s. 6 —
— ,Wie fteht's um den Pentateuch?' Eine allgemeinver-
ftändl. Einführg. in feine Schickfale. Deutfche Ausg.
des engl. Werkes ,The origin of the Pentateuch'. Mit
Genehmigg. des Verf. überf. v. Johs. Dahfe. (IV, 132 S.)
gr. 8°. Leipzig, A. Deichert Nachf. 1913. M. 3.60
Weismann, Geh. Juftizr. Prof. Dr. Jakob: Talion und öffentliche
Strafe im Mofaifchen Rechte. Aus der Feftfchrift
f. Adolf Wach. (100 S.) Lex. 8°. Leipzig, F. Meiner
1913. M. 3.50

Über Wiener's Arbeitsweife hatte ich fchon in
Jahrgang 36, Nr. 9 (1911 Sp. 263 f.) diefer Zeitfchrift zu
berichten. Der dort angezeigten Schrift, ,The origin of
the Pentateuch', ift als Fortfetzung von W.s mir nicht
vorliegenden ,Essays in Pentateuchal Criticism' ein Band
Pentateuchal Studies gefolgt, eine Sammlung von Auf-
fätzen und Controverfen, die in den Jahren 1907. 10. 11
bis April 1912, in verfchiedenen Zeitfchriften erfchienen
find. Sie zeigen diefelbe Art. Daß W. auch wertvolle
Beobachtungen macht, z.B. beim Nachfpüren nach Gründen
der Zufammenftellung von Gefetzen, fei ausdrücklich getagt
. Seiner Überfetzung von The origin of the Pentateuch
fchickt Dahfe die vorfichtige Bemerkung voraus,
er fei nicht überall der Meinung des Verfaffers. Es ift
zu hoffen, daß das ein Euphemismus ift, daß er vielmehr
recht viel mißbilligt, insbefondere den unerträglich hochmütigen
Ton, in dem fich W. über die Geiftesverfaffung
der Kritiker ergeht. Daß das W. und D. gemeinfame
Streben, die Probleme der Literarkritik textkritifc,h fei's
zu löfen, fei's auf einen andern Boden zu ftellen nicht
feig oder böswillig ignoriert wird, zeigt vor allem Eduard
Königs foeben (Mai 1914) erfchienene ausführliche Aus-
einanderfetzung mit der ganzen Bewegung.

Wenn aber D. gerade Wiener's Ablehnung der Pen-
tateuchkritik als Ergebnis der realiftifchen Beobachtung
eines juriftifchen Fachmanns vorlegt, fo trifft es fich fehr
glücklich, daß gleichzeitig auf eine juriftifche Veröffentlichung
hingewiefen werden darf, deren äußerft umfichtige
Unterfuchung einer Einzelfrage dartut, einmal daß die
Gefetze des Pentateuchs verfchiedenen Stufen einer Rechtsentwicklung
angehören, und dann daß die ,realiftifche
Betrachtung' des Juriften, der hiftorifchen Blick befitzt,
die Richtigkeit der herrfchenden literargefchichtlichen
Anordnung der Hauptquellen des Pentateuchs beftätigt
und ihrerfeits begründet.

Die Blutrache ift, wie Weismann feftftellt, von
Haus aus nicht Sache des Individuums, fondern Familienangelegenheit
, ein Ausgleich der durch eine Tötung herbeigeführten
Schwächung der Gemeinfchaft. Bei dem im
Vordergrund flehenden Gefichtspunkt der Schädigung
ift die Frage der Schuld gleichgiltig. Die Todesftrafe
für Tötung ift hierbei privatrechtlich. Das Bußgeld ift
dann nicht fowohl Loskaufung des Täters, als welche P
in Nu 35, 31 es charakterifhTcherweife verbietet, fondern
Entfchädigung an die Sippe des Getöteten. Innerhalb
des Gefchlechts gibt es urfprünglich keine Blutrache,
fondern der Mörder oder Totfchläger wird aus der
Familie ausgeftoßen, ein Gefichtspunkt, der für die Kain-

gefchichte Gen 4 wichtig ift; in 2 Sam. 14, 6ff findet
W. fchon ein fpäteres Stadium der Rechtsentwicklung.
Wie zäh aber alte Sitte ift, zeigt die Tatfache, daß das
talmudifche Recht für Tötung nicht Steinigung, die alte
Form öffentlicher Hinrichtung, fondern Hinrichtung
durch das Schwert vorfchreibt.

Die Überwindung der privatrechtlichen Betrachtung
verfolgt W. an der Entwicklung des Afylrechts.
Und hier dürften einzelne Unficherheiten fich bemerkbar
machen: Die iTVS> von Nu 35, 12 wird weder die Heimatgemeinde
noch' die Afylftadt, fondern eben doch die
Gefamtgemeinde bzw. deren Vertretung fein. Und auch
die Deutung des Todes des Hohenpriefters in Nu 35 als
einer Sühne ift gewiß ein Mißverftehen des Sinns von 1B2
im kultifchen Syftem von P, wie denn auch Dtn. 21, iff.
im Syftem von D nicht von einem Opfer redet.

Daß an der ifraelitifchen Rechtsentwicklung die
Religion des Volkes ftark beteiligt ift, fieht W. Vielleicht
unterfchätzt er den Anteil der alten Kultusreligion daran
etwas. Das Verfahren, das die, W. übrigens nicht entgangene
Stelle Ex. 21, 28 gegen ein Rind vorfchreibt,
das einen Menfchen totftößt, ift ein Anzeichen dafür,
daß fchon die alte Zeit in einer Tötung gleichzeitig eine
öffentliche Angelegenheit fah.

Stuttgart. H. Holzinger.

Briinnow's, R., Arabifche Chreltomathie aus Profalchrift-
ftellern. In 2. Aufl. völlig neu bearb. u. hrsg. v.
AuguftFifcher. (PortaLinguarum Orientalium. XVI.)
(XIV, 183, 2 u. 161 S.) 8°. Berlin, Reuther & Reichard
1913. M. 9 —; geb. M. 10 —

Das Erfcheinen der arabifchen Chreftomathie von
R. Brünnow in neuer Auflage ift mit großer Freude zu
begrüßen. Die Auswahl des Lefeftoffes in der erften
Auflage ließ nicht wenig zu wünfchen übrig, fo daß
viele Fachgenoffen ihrem Unterricht lieber die alten
Chreftomathien Arnold's oder Kofegarten's zugrunde
legten. Die zweite Auflage hat nur 29 Seiten Text aus
der erften übernommen. Die neu aufgenommenen Stücke
find aus den verfchiedenen Gattungen der Literatur forg-
fältig ausgewählt, wobei mit Recht befonderer Wert auf
,konkreten und lebensvollen Inhalt' gelegt wurde. Nur
ift es fchade, daß keine Proben aus der fo eigenartigen
geographifchen Literatur vorhanden find. Ich würde dafür
gern auf die meiften Suren verzichten, da doch
fchon dem angehenden Arabiften die Anfchaffüng eines
Koranexemplares zugemutet werden kann. Das Gloffar
ift mit hingebender Sorgfalt ausgearbeitet. Die neue
Chreftomathie wird fich rafch Bahn brechen und weit
über Deutfchlands Grenzen hinaus als unentbehrliches
Lehrbuch einbürgern. Das ift der fchönfte Lohn, der
dem Herausgeber für feine entfagungsvolle Arbeit be-
fchieden fein kann.

Königsberg i. Pr. Fr. Schwally.

Schweitzer, Priv.-Doz. Lic. Dr. Albert: Gefchichte der
Paulinifchen Forfchung von der Reformation bis auf die
Gegenwart. (XII, 197 S.) gr. 8°. Tübingen, J. C. B.
Mohr 1911. M. 4—; geb. 5.40

Der Autor will in diefem Buch eine Fortfetzung
feiner unter dem Titel Von Reimarus zu Wrede er-
fchienenen Gefchichte der Leben-Jefu-Forfchung geben.
Es ift nicht nur Fortfetzung, fondern geradezu Kopie.
Wie dort dient die ganze Gefchichte der Forfchung
einzig dem Nachweis der totalen Verirrung fämtlicher
Forfcher mit Ausnahme einiger Vorläufer, die das Rechte
doch nur halb gefehen haben, und des Verfaffers, der es
endlich gefunden hat. Wie dort befteht die Löfung in