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Ausgabe:

1914 Nr. 15

Spalte:

474-475

Autor/Hrsg.:

Landersdorfer, Simon

Titel/Untertitel:

Die Kultur der Babylonier und Assyrer 1914

Rezensent:

Meissner, Bruno

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Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 15.

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werten, wie er fich überhaupt zu dem Problem des prak-
tifchen Dualismus ftellt. Eine Antwort auf die erfte Frage
gibt er S. 320. ,Ohne Rückficht auf das Jenfeits ergab
fich uns als höchfte Aufgabe diefes Lebens, durch um-
faffende Kulturarbeit in uns felbft und in unferer Umgebung
die Herrfchaft des Wahren und Guten auszubreiten,
alfo die Arbeit an der Verwirklichung jenes Zweckes, der
in der Ewigkeit feine vollkommene Ausgeftaltung findet.
Es ift demnach kein fcharfer Bruch zwifchen diefer und
jener Welt, fondern das feiige Jenfeits ift die Ausreifung
und Vollendung der Keime, die fchon in der fittlichen
Diesfeitsarbeit liegen.' ,Die Hoffnung auf die Erlöfung im
Jenfeits ift die bette Quelle für die Ausdauer und Arbeitsfreudigkeit
, die auch in fchweren Prüfungen des Lebens
nicht erlahmt.'

In diefer ruhigen und weitherzigen Weife werden alle
Glieder des praktifchen Dualismus behandelt, die zu
der uns oft widerfpruchsvoll erfcheinenden Zweifchichtig-
keit des Katholizismus gehören, welche aber feine um-
faffende Weite ausmacht: Autorität und Autonomie, Geiftes-
weltund Sinneswelt, Weltleben und Mönchtum, auch Offenbarung
und Vernunft. Alle Ausführungen find von dem
Wunfeh beherrfcht, im Sinne etwa von Eucken und
F. W. Förfter eine Vertiefung und Veredlung des ganzen
Lebens anzubahnen. Dabei umfpannt S. das ganze Gebiet
des praktifchen Lebens: Lebensziel, Erziehungsaufgaben
, Askefe, Arbeit, Leiden, Sünde und Erlöfung, Un-
fterblichkeit. Jedesmal fetzt er den ftets fachlich und
ruhig vorgetragenen modernen Auffaffungen, z. B. von
Nietzfche, vom Neubuddhismus u. a. feine perfonaliftifch-
geiftige gegenüber. Dabei tritt das, was wir als das
eigentlich Katholifche anfehen, fehr zurück. Das Wort
,Papft' habe ich nicht gefunden. S. fucht, foweit er kann,
der modernen Lebens- und Weltauffaffung entgegenzukommen
. So zeigt fich hier ein für die Kultur weit geöffneter
Katholizismus, wie ihn fich z. B. Köhler in der
Chriftlichen Welt erfehnt. Es gibt tatfächlich fo etwas
wie eine gemeinfame chriftliche Lebensauffaffung; mehr
als es hier gefchieht, braucht der Katholizismus uns oder
der Kultur nicht entgegenzukommen. Wir fühlen verwandten
Geift in anderen Formen.

Heidelberg. F. Niebergall.

Frommel, Otto: Vom inwendigen Leben. Predigten. (VII.
216 S.) 8n. Tübingen, J. C. B. Mohr 1913.

M. 3—; geb. M. 4 —

Das Vorwort zu diefen 24 Predigten fängt mit dem
Satz an: .Predigten find wie Gedichte: Niederfchläge eines
einzelmenfchlichen inneren Lebens'. Diefer Satz ift für
ihre Sonderart außerordentlich bezeichnend. Wie Gedichte
lefen fie fich; anmutend berührt ihre fein abgetönte
Sprache, ihre harmonifche Geftaltung. Niederfchläge des
inneren Lebens des Predigers find fie, mehr als Predigten
es fonft oft find; eine warmherzige, an Jefus genährte
Frömmigkeit fpricht aus ihnen, die die Diffonanzen des
Lebens auszugleichen, feine Hemmungen zu überwinden
und fo zur Höhe zu kommen trachtet; eine frohe Bejahung
echter Menfchlichkeit, in der fich die göttliche Geftalt
vollendet. Aber auch noch in anderem Sinne trifft jener
Satz zu: obwohl die Geftalt Jefu wieder und wieder durch
diefe Predigten geht, obwohl eine ganze Folge von 6 Predigten
die Erlöfung behandelt, obwohl F. den chriftlichen
Feiten mehrere Predigten widmet, fo find fie doch Niederfchläge
menfehlichen Lebens. Denn Jefus wird (wenn
auch durchaus nicht nur, fo doch fehr ftark) als die reinfte
,Offenbarung menfehlichenWefens' gewertet; feinMenfchen-
tum freilich war ,fo vom Göttlichen durchwaltet, daß
nirgends eine Spur des Gemeinen, nirgends etwas des
Menfchen oder Gottes Unwürdiges entdeckt werden kann'.
Unfere Erlöfung aber wird gelegentlich fo befchrieben,
daß fich an uns die Menfchwerdung vollziehen müffe, damit
Gott in uns werde (31). Göttliches und Menfchliches

in Plarmonie geeint — das ift der überall anklingende
Grundton. Es fehlen nicht die Hinweife auf unfere Un-
erlöftheit, auf die ungeheuren Widerfprüche unferes Lebens,
auf fein Leid; aber der Prediger fucht fie zum Ausgleich
zu bringen, indem er fie in höherer Einheit zufammen-
klingen läßt. Diefe unfraglich moderne Stimmung paßt
zu der oben gefchilderten Sprache; fie paßt auch zu der
von allem Schema freien, die Einteilung äußerlich kaum
hervorhebenden Gedankenführung, zu der ganz zwanglofen
feinfinnigen Benutzung der oft knappen Textworte, zu ihrem
ganzen Gharakter als Kunftwerke. Andere, auch Moderne,
predigen anders, ziehen Zeitereigniffe und Zeitprobleme
ftärker heran, betonen mehr die religiöfen Erkenntnisfragen
, geben auch dem Erlöfungsgedanken anderen Inhalt
, ftellen Gott und Menfch fcharfer einander gegenüber.
Und je nach der eigenen Frömmigkeitsart wird F.s Weife
auch nicht alle Modernen gleichmäßig berühren. Ihre
großen Vorzüge, ihre eigene Schönheit, ihren zu freund-
lidrer Höhe führenden Einfluß hat fie ohne Frage. Gerade
für äfthetifch Gebildete, in der fonntäglichen Andacht vor
Allem Erhebung und Feier Suchende, kann fie viel bedeuten
.

Gießen. M. Schian.

Langheinrich, Bez.-Amts-Affeff. Dr. Ernft: Kirchen-
gemeindeordnung für das Königr. Bayern vom 24. Sept.
1912, nebft den Vollzugsvorfchriften. Handausg. m.
Erläutergn. (XII, 585 S.) 8°. München, Ji Schweitzer
Verl. 1914. M. 9.80; geb. M. 11 —

Von diefem Kommentar zur ,Kirchengemeindeordnung
für das Königreich Bayern vom 24. Septmbr. 1914' liegt
hier die 4., die Schlußlieferung vor. Sie umfaßt die Art.
55ff. bis zum Schluffe. Anlage und Charakter diefer
Lieferung find diefelben wie die der früheren Lieferungen.
Die Vorzüge des Buches find von uns fchon früher gewürdigt
worden; auch die vorliegende Lieferung, welche
die größere Hälfte des Gefetzes erläutert, weift diefelben
auf. Über Einzelheiten in den Bemerkungen kann man
verfchiedener Meinung fein; fo läßt fich z. B. darüber
ftreiten, ob wirklich, wie der Gefetzgeber uns glauben
machen möchte, an die Stelle der bisherigen Staatskuratel
die Staatsaufficht getreten ift; oder ob nicht vielmehr
günftigften Falles ein Mittelding zwifchen beiden (man
denke z. B. an Artikel 78 Abf. 2.), entftanden ift Aber,
wie ich fchon früher bemerkt habe, der Wert der Arbeit
liegt nicht in der theoretifchen Konftruktion, fondern
in einer klaren, fachlichen und korrekten Erläuterung des
Gefetzestexts für die Praxis. Diefes Ziel hat dem Ver-
faffer vorgefchwebt, und es ift ihm in vortrefflicher Weife
gelungen, dasfelbe zu erreichen. Die praktifche Brauchbarkeit
wird übrigens durch einen Anhang noch erhöht,
in welchem in gefchickter Auswahl die einfehlägigen
fonftigen Gefetze, Verordnungen und Minifterial-Ent-
fchließungen zufammengeftellt find. — Wir wünfehen
dem Werke eine recht freundliche Aufnahme.
Erlangen. Sehling.

Referate.

Landersdorfer, Dir. Dr. P. S., O. S. B.: Die Kultur der Babylonier
u. AlTyrer. Mit 31 Abbildgn. u. 1 Karte. (III, 239 S.) kl. 8".
Kempten, J. Köfel 1913. Geb. 1 —

Dem Bedürfnis nach einer populären Darftellung der baby-
lonifch-alTyrifchen Kultur kommt der Verf. in fehr zweckent-
fprechender Weife entgegen. Da er meift gute Quellen benutzt,
hat er ein fehr anfehauliches Bild des damaligen Lebens und
Treibens entworfen. In 14 Kapiteln führt er alle bedeutenderen
Erfcheinungen des öffentlichen und privaten Lebens vor: 1. Der
Schauplatz der babylonifchen Kultur. 2. Die Wiederentdeckung
der alten Kulturwelt. 3. Die politifche Entwicklung. 4. Die baby-
lonifche Kultur im allgemeinen. 5. Die Landwirtfchaft. 6. Handel
und Verkehr. 7. Staatsform und Staatsverwaltung. 8. Das Rechts-