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Ausgabe:

1914

Spalte:

449-451

Autor/Hrsg.:

Pohlenz, Max

Titel/Untertitel:

Aus Platos Werdezeit. Philologische Untersuchungen 1914

Rezensent:

Goedeckemeyer, Albert

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf Harnack
Fortgeführt von Professor D. Arthur Titius und Oberlehrer Lic. Hermann Schuster

Jährlich 26 Nm. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig Halbjährlich 10 Mark

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Pohlenz, Aus Piatos Werdezeit (Goedecke-
meyer).

Causse, Les Prophetes d'Israel et les Religions

de l'Orient (Greßmann).
Hölfcher, Die Profeten (Derf.).
Knudson, The beacon Lights of Prophecy

(Derf.).

F'riedinann, Der gefellfchaftliche Verkehr und
die Umgangsformen in talmudifcher Zeit
(Blau).

Roth, Rom und die Hasmonäer (Oscar Holtz-
mann).

Leipoldt, Vom Jefusbilde der Gegenwart (M.
Dibelius).

Raufchen, Florilegium patristicum. Fase. IX
(Holl).

Griffith, The Nubiau Texts of the Christian

Period (Zetterfteen).
Walt her, Die Anfänge Karl V (Bernays).

Archiv für Reformationsgefchichte. 10. Jahrg.
(Boffert).

Manen, Armenpflege in Amfterdam in ihrer
hiftorifchen Entwicklung (W. Köhler).

Grabau, Das evangelifch-lutherifche Prediger-
minifterium der Stadt Frankfurt a. M. (K. Bauer).

Dechent, Kirchengefchichte v. Frankfurt am
Main feit der Reformation (Derf.).

— Neuere Arbeiten auf dem Gebiete der Frankfurter
Kirchengefchichte feit der Reformation
(Derf.).

Lehmann, Sören Kierkegaard(RaoulHoffmann).
Herzog, Ralf Waldo Emerfon (Bornhaufen).
Storr, The Development of Euglish Theology

(Mackintosh).
L a f f o n , Grundlagen der Glaubenslehre (Johannes

Wendland).

Cohen, Das Dafein Gottes vom Standpunkt der
reinen Logik (Doruer).

Sawicki, Der Sinn des Lebens (Niebergall).
Front mel, Vom inwendigen Leben (Schian).
Langheinrich, Kirchengemeiudeorduuug für

das Königr. Bayern vom 24. Sept. 1912 (Seh-

ling).

Referate: Landers d orfer, Die Kultur der Baby-
lonier u. Affyrer. — Nieffen, Die Mariologie
des heil. Hieronymus. — Grabinski, Wie
ift Luther geßorben. — Byfe, Swedenborg.
I—IV. — Koch, Katholizismus und Jefuitis-
mus. — Theologifche Arbeiten aus dem Rhei-
nifchen wiffenfchaftlicheu Prediger-Verein.
N. F, 14. — Grape, In welchem Sinne
nenne ich Jefum Chriffum meinen Erlöfer bzw.
Verföhner ? — H o f f m a n u, Wie Iie fo fanft ruhn!

Mitteilung: (17) Vorträge auf der 126. Tagung der
amerikanifchen orientalifchen Gefellfchaft.

Redaktions-Notiz.

Wichtige Rezenflonen. — Neuetie Literatur.

Pohlenz, Max: Aus Piatos Werdezeit. Philologifche Unter-
fuchgn. (427 S.)gr.8ü. Berlin, Weidmann 1913. M. 10 —

Die zufammenfaffende Darfteilung von Piatos Werdezeit
am Schluffe des Werkes fchildert uns, wie ftch Plato
nach Sokrates' Tode gelobte, das Vermächtnis feines
Meifters hochzuhalten, wie er fich aber gerade deshalb
genötigt fah, nicht nur eine Auseinanderfetzung mit der
Sophiftik vorzunehmen, fondern auch über den völlig
dogmenlofen Zuftand der fokratifchen Philofophie hinaus-
zuo-ehen und ihr mit Hilfe der Pythagoreer eine pofitive
Ergänzung zu teil werden zu laffen. Sie zeigt uns weiter,
daß er fchließlich den anfangs noch gehegten Gedanken
an ein praktifche Politik aufgeben muß und auch auf
wiffenfehaftlichem Boden durch das Auftreten von Zweifeln
an der Möglichkeit der Erkenntnis in eine fchwere Krifis
hineingerät, aus der er fich nur durch das dem fokratifchen
Gedankenkreife fernliegende Studium der medizinifchen,
naturphilofophifchen, pythagoreifchen und vor allem der
mathematifchen Lehren — nicht aber der der Eleaten
(416) —, die er z. T. auf feinen Reifen nach Kyrene und
Aegypten kennen lernte, herauszuhelfen vermochte. So
gewann er feine neue Weltanfchauung, die für ihn, als er
den Meno fchrieb, in ihren Grundzügen feftftand (418). Er
wandte fich dann der Abfaffung des Staates zu, ging nach
Italien, um fich noch mehr mit den pythagoreifchen
Gedanken vertraut zu machen, kam dort in Berührung
mit Dion, und aus dem freundfehaftlichen Verkehr mit
diefem Manne entftand in ihm der Wunfeh, Schüler um
fich zu fammeln, um ihnen feine Gedanken mitzuteilen und
fie durch fie fortzupflanzen. So gründete er die Akademie
mit dem Phaedrus als Programmfchrift. —

Diefe, hier nur ganz kurz f kizzierte, Entwicklung Piatos
gewinnt Pohlenz nach einer Einleitung über die Entftehung
des platonifchen Dialogs und die Frage nach feiner hiftorifchen
Treue durch ein eingehende und zugleich chrono-
logifch angeordnete Interpretation der Apologie, des
Ladies, Charmides, Hippias minor, Protagoras, Gorgias,
Meno, Ion, der erften Ausgabe des Staates, des Menexenus,
Phaedo, Phaedrus, Lyfis und Sympofiums, zu der befondere
Kapitel, Anhänge und Exkurfe über die öiaool Xoyoi, den
7- Brief, den großen Hippias, die Sophiftik und Rhetorik

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nach Piatos Auffaffung, Piatos Stellung zur athenifchen
Demokratie, Paufanias' Erotikos und Piatos und Xenophons
Sympofium hinzukommen, ganz abgefehen von vielen in
den größeren Zufammenhängen behandelten, höchft in-
tereffanten Einzelfragen wie Richtungen in der Sophiftik,
d-tla fioiga, Panhellenismus, Sprachftatiftik, Verhältnis
Piatos zu Gorgias, zu Ifokrates, Afchines, Xenophon und
anderes mehr, worüber die Regifter am leichterten orientieren
.

Die Interpretation ift überall von umfaffender Kenntnis
nicht nur der platonifchen Dialoge felbft, fondern auch der
ganzen hiftorifchen, rhetorifchen, medizinifchen, poetifchen
Literatur jener Zeit getragen, fodaß es dem Verf. oft
gelingt, äußerft intereffante Schlaglichter auf piaton. An-
fchauungen zu werfen. Befonders glücklich fcheint mir
von diefem Boden aus die Interpretation des Menexenus
und des Phaedrus gelungen zu fein. Und auch die Ausführungen
über den Gegenfatz zwifchen Protagoras und
Gorgias hinfichtlich des Verhältniffes von ?)6v und aya&öv,
fowie die über das Vorhandenfein einer erften Ausgabe
des Staates halte ich für. fehr beachtenswert. In anderen
Punkten muß ich freilich z. T. erheblich von P. abweichen.

Daß z. B. im Meno die neue Weltanfchauung Piatos in den Grundzügen
fchon feftftehe (418 vgl. 339, 316, 312), kann ich keineswegs zugeben
und vermiffe bei P. auch jeden Beweis dafür. Vorhanden ill im
Meno die Lehre von der Anamnefis — die als Arbeitshypothefe (alfo als
bloß fiktiv) zu bezeichnen (192, 311) aber kaum zutreffend fein dürfte —,
von der Ideenlehre aber findet fich dort keine Spur; und das damit zu
erklären, daß Plato ein ausführliche Behandlung des Hauptproblems in
anderem Zufammenhange fchon vorgefchwebt habe (312 vgl. 316). halte
ich für wenig glücklich. Wenig Uberzeugend find für mich auch feine
Ausführungen über den Lyfis. Und wenn er den Inhalt des Symp. in die
Worte faßt: .Wert hat nicht das einzelne Exemplar, fondern die Gattung,
Wert nicht der Menfch als Individuum, fondern die Menfchheit' ufw. (387),
fo fcheint mir das mit Piatos wiederholten Hinweis auf den ewigen Ruhm,
den fich der Einzelne durch den Eros erwerben könne, nicht ganz leicht
vereinbar zu fein.

Gänzlich ablehnen muß ich endlich feine Anfetzung
fowohl als auch feine Auffaffung des Phaedo. Allerdings
hat es wohl wenig Zweck, hier auf Einzelnes einzugehen
und anderswo fchon Gefagtes zu wiederholen. Ich will
mich deshalb ganz einfach zur Partei derer bekennen,
denen es nicht in den Kopf will, daß PI. einen Dialog, indem
fich über die Ideenlehre die Worte finden: Xtyoj ovöhv

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