Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1914 Nr. 14

Spalte:

442-443

Titel/Untertitel:

Kunst und Kirche. Vorträge 1914

Rezensent:

Hennecke, Edgar

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

441

Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 14.

442

lchulen, wobei die Wahl der Konfeffion den Schülern
freigeftellt würde (S. 135) halte ich aus hier nicht darzulegenden
Gründen für ausfichtslos und bedenklich (vgl.
meinen Auffatz „Die Schulen für Eingeborene in den
deutfchen Schutzgebieten" in: Koloniale Monatshefte,
Mai 1914). Dagegen fcheint es mir die Pflicht der
Miffionen zu fein, den m. W. bisher noch nicht unternommenen
Verfuch zu machen, den Schülern diefer
in mancher Hinficht wichtigften Anftalten unferer Kolonien
planmäßig Gelegenheit zu geben, außerhalb des
Unterrichts das Chriftentum kennen zu lernen. Ein
anderer Vorfchlag betrifft die Anhäufung von Schulen
an demfelben Ort, die natürlich längft als ein fchwerer
Übelftand empfunden worden ift. Aber wenn der Ver-
faffer angefichts der Tatfache, daß z. B. in Lome 3 Fort-
bildungsfchulen beftehen, die von der Regierung, von der
evangelifchen und von der katholifchen Miffion unterhalten
werden, fchreibt (S. 137): ,Wäre es nicht viel gefunder,
wenn man auf dem Wege der Vereinbarung, meinethalben
auch des moralifchen Druckes dahin käme, daß, ich will
einmal fagen, die Miffionsfortbildungsfchulen eingezogen
werden, dafür aber konfeffionell verschiedener Religionsunterricht
an der ftaatlichen Fortbildungsfchule obligato-
rifch wird? So könnte Kraft, Zeit und Geld gefpart
werden, und keiner hätte Schaden, alle hätten Vorteil
davon' fo ift zwar die Tendenz diefes Vorfchlags durchaus
zu billigen, aber das vorgefchlagene Heilmittel der
Vereinbarung dürfte feiten zur Anwendung kommen.
Mir ift nicht er fichtlich, wie ohne Änderung des Schutz-
gebietsgefetzes diefer Zwang und diefe Neuordnung durchgeführt
werden kann, von andern Bedenken und Befürchtungen
, die fich an ein folches Vorgehen anknüpfen
würden, hier zu fchweigen.

Über die Einführung einer ftaatlichen Aufficht über
das gefamte Schulwefen der Kolonien ift bei Schlunk
manches Gute zu lefen. Ich halte fie für wünfchenswert,
glaube allerdings nicht, daß fie in abfehbarer Zeit eingeführt
werden wird. Der Vorfchlag (S. 140 f.) fie einem
Schulinfpektor zu übertragen, der eventuell aus den
Reihen der Miffionare genommen werden foll, fcheint mir
dagegen nicht zweckmäßig, da ein folcher durch das
dienftliche Abhängigkeitsverhältnis gegenüber feiner Mif-
fionsgefellfchaft gebunden wäre. Das Verlangen, die finanzielle
Sicherftellung des Schulbetriebes (S. 144 ff.) durch
Übertragung der Schullaften auf die Eingebornen zu
regeln, ift in feinem Endziel fachlich berechtigt, wir ftoßen
auch bereits auf die gelegentliche Erhebung von Schulgeld
. Aber die generelle Einführung einer Schulunter-
haltungspflicht bei den Eingebornen fetzt Verhältniffe
voraus, die zur Zeit noch nicht allgemein beftehen, und
fie würde einer Erhöhung der Eingeborenenfteuer gleich
kommen, die, wenn eine folche für möglich und zweckmäßig
erachtet würde, wohl nicht ohne größern Kampf
fpeziell für Schulzwecke beftimmt werden würde. Daß
der durch den Schulbefuch leicht eintretenden Entfremdung
der Eingebornen von der Arbeit ein Gegengewicht
gegeben werden muß, ift klar, aber es ift mir fraglich,
ob man mehr fordern darf als daß grundlätzlich mit
jeder Schule irgendwelche Arbeitsgelegenheit verbunden
wird, fo daß jeder Schüler nicht nur geiftig fondern auch
körperlich fich zu betätigen hat, wie ich es in meiner
Schrift .Miffion und Kolonialpolitik' S. 157 ausgeführt habe.
Wo die Anlegung von Schulfarmen möglich ift, werden
fie gewiß für diefe Aufgabe befonders geeignet fein, aber
nicht überall werden die örtlichen Verhältniffe es geftatten.
Übrigens ift der Vorfchlag Schlunks (S. 111) gelegentlich
fchon verwirklicht oder in der Verwirklichung begriffen.
Ich denke an die Mufterfarm Gaub der Rheinifchen Miffion
in Südweft, die, foviel ich fehe, in der Schlunk'fchen
Schrift gar nicht erwähnt wird. Die hier befindliche Gehülfen
fchule zeigt in vorbildlicher Weife, wie Geiftesarbeit
und Handarbeit verbunden werden kann, und der Leiter
diefes bekannten Inftitutes fprach mir bei meinem Befuch

die Hoffnung aus, daß die Schule fich bei Überweifung
von ausreichendem Land ganz felbft erhalten würde.
Ich füge noch hinzu, daß die Ausführungen über die
Ausbildung der eingebornen Gehülfen (S. 147) mir zu
knapp erfcheinen, daß eine Behandlung der Internatsfrage
vollftändig fehlt, daß die Beftreitung des Charakters
der Miffionsfchulen als Bekehrungsanftalten (S. 68) m. E.
mehr behauptet, als gefagt werden kann, da ja felbft unmittelbar
darauf mit Recht bemerkt wird, daß die Miffionen
die Schularbeit bewußt mit der Abficht tun, den
Übertritt zum Chriftentum vorzubereiten.

Leider hat Schlunk den Gebrauch feiner Schrift für
wiffenfchaftliche Zwecke dadurch erfchwert, daß er fich
auf den Abdruck eines recht fummarifchen Verzeichniffes
der Spezialliteratur befchränkt, und davon Abftand nimmt,
durch eine literarifche Einführung in den Stand der Verhandlungen
über die einzelnen Fragen dem Lefer es zu
ermöglichen, ohne allzugroßen Zeitaufwand feftzuftellen,
an welchen Punkten feine Ausführungen über das auch
fchon von andern gefagte hinausgehen.

Und auch für die im Text fich findenden Zitate ift bis auf wenige
Ausnahmen der Fundort nicht angegeben vgl. Schmidlin S. II, Warneck
S. 12, Hermand S. 112. Der Kunftwart wird S. 20 angeführt, ohne daß
der betreffende Artikel geuaunt wäre, Prof. Becker in Bonn wird S. 134.
bekämpft, ohne eine Angabe darüber, wo die beauftandete Äußerung im
Zufammenhang nachzuleien ift. Es wäre wünfcheuswert gewefen, ftatt
eine fo allgemeine Bezeichnung ,Parlamentsbericht einer für Britisch-Siid-
Afrika eingefetzten Kommiffion für Eingebornenangelegenheiteu' S. 136
einen bibliographifch exakten Nachweis zu erhalten.

Ich habe diefe Ausftellungen nicht unterdrückt, weil
die Schlunk'fche Schrift auf gründlichen Studien beruht
und über das Niveau der landläufigen Miffionsliteratur
fich weit erhebt, alfo eingehendere Kritik verdient. Mein
Gefamturteil fafle ich dahin zufammen, daß fie die Beachtung
aller Intereffenten beanfpruchen darf und jedem
empfohlen werden kann, der fich über die gegenwärtigen
Schulfragen unferes kolonialen Unterrichtswefens informieren
will.

Göttingen. Carl Mirbt.

Vorträge zur Einführung in die kirchliche Kunft. Auf Ver-
anlaffg. der 13. fächf. Prov.-Synode veranftaltet u. hrsg.
vom königl. Konfiftorium der Prov. Sachfen. (VIII,
136 S. m. 69 Abbildgn.) gr. 8». Halle, Buchh. des
Waifenhaufes 1913. Geb. in Pappbd. M. 4 —

Kunlt und Kirche. Vorträge aus dem im Mai 1913 zu Dresden
abgehaltenen Kurfus f. kirchl. Kunft u. Denkmalspflege
hrsg. vom Evangelifch-luther. Landeskonfiftorium. Mit
61 Abbildgn. auf 32 Tafeln. (V, noS.) 8°. Leipzig,
B. G. Teubner 1914. M. 4—; geb. M. 5 —

Der Hauptzweck folcher Vortragskurfe befteht darin,
.Architekten und Theologen zueinander in Verbindung
zu bringen, fo daß fie ihre Aufgaben innerhalb der kirchlichen
Kunft verftehen lernen' (Gurlitt zu Dresden, S. 16).

Der erfte fand zu Halle a. S. im April 1913 ftatt,
vom Kgl. Konfiftorium der Provinz Sachfen veranftaltet,
das damit einer Anregung der Provinzialfynode folgte,
die ihm auch die Mittel dafür bereit ftellte. Der zweite
wurde in der Pfingftwoche 1913 in Dresden vom Landeskonfiftorium
in Gemeinfchaft mit dem Verein für kirchliche
Kunft und der Königl. Kommiffion zur Erhaltung
der Kunftdenkmäler veranftaltet, beide an zwei Tagen
durchgeführt, was bei den reichen Programmen Bewunderung
verdient und, wie Referent aus feiner Teilnahme
an dem erfteren bezeugen kann, an die Spannkraft und
Aufnahmefähigkeit der Zuhörer keine geringen Anforderungen
ftellte. Der Druck der Vorträge, die zumeift
auch mit Lichtbildern ausgeftattet waren, ermöglicht den
Befuchern, fich nachträglich lebendig in die Tagungen
zurückzuverfetzen, und kann auch den fonft Intereffierten
eine ergiebige Quelle der Belehrung werden. Bei dem
wachfenden Intereffe und der vielfeitigen Förderung, welche