Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1914 Nr. 14

Spalte:

425-427

Autor/Hrsg.:

Schrörs, Heinr.

Titel/Untertitel:

Konstantins des Großen Kreuzerscheinung 1914

Rezensent:

Koch, Hugo

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

425

Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 14.

426

Bekämpfung der ,religionsgefchichtlichen' Erklärung der
Oden (S. 96 A. 7, S. 137 A 1): im Gegenteil fcheint mir
der weitere Fortfehritt in der Erklärung diefer Lieder
— und ein folcher ift noch immer fehr von Nöten —
zwar nicht allein, aber doch unter anderem davon abzuhängen
, daß man immer beffer die Vorgefchichte der
Vorftellungen und Bilder des Verfaffers erkennt, eine
Vorgefchichte, die, fo weit irgend möglich, zurück zu verfolgen
ift; es erfcheint mir fchwer begreiflich, wie man
eine fo felbftverftändliche Forderung ablehnen kann.

Die Schreibart des Verfaffers ift flüffig und klar,
leidet aber an einer Überfülle unnötiger Fremdwörter.
Man möchte ihm zurufen: Gedenke daran, daß du ein
Deutfcher biftl

Gießen. Hermann Gunkel.

Schrörs, Prof. Dr. Heinr.: Konltantins des Großen Kreuz-

erlcheinung. Eine krit. Unterfuchg. (V, 70 S.) gr. 8°.

Bonn, P. Hanftein 1913. M. 1 —

Woran die Dölger'fche Konftantin-Feftfchrift vorüber- I
gegangen ift, die Kreuzesvifion (vgl. diefe Ztfchr. Nr. 11),
das hat der Bonner katholifche Kirchenhiftoriker Heinrich
Schrörs zum Gegenftand einer, im Sommerfemefter 1913
in feinem kirchengefchichtlichen Seminar angeftellten,
kritifchen Unterfuchung gemacht. Es ift die eingehendfte
und gründlichfte Unterfuchung, die wir darüber haben.
Während der katholifche Kirchenhiftoriker Knöpfler noch
im Jahre 1908 die Tatfächlichkeit und den wunderbaren
Charakter des Vorganges verteidigen zu müffen glaubte,
und der Jefuit Savio in mehreren Artikeln der Civiltä
catholica 1913 die harmoniftifchen Künfte feiner Schule
fpielen ließ, kommt Schrörs zum Refultate, daß zwar die
Erzählung des Eufebius, im Unterfchied von der bereits
Anfänge der Sagenbildung enthaltenden Erzählung des
Laktantius, aufrecht zu erhalten fei, die Vorgänge felber
aber nicht als Wunder zu betrachten, fondern pfycholo-
gifch zu erklären feien. In der Hauptfache kann man
Schrörs nur zuftimmen, wenn fich auch im Einzelnen
gegen feine Darlegungen da und dort Bedenken melden.
Am wenigften befriedigt feine Auffaffung von der angeblichen
Augenzeugfchaft des Heeres oder einer Truppenabteilung
.

Er faßt den Satz bei Eufebius, daß Staunen wegen des Anblicks
wie den Kaifer fo auch das ganze Heer ergriffen habe, als eine Mitteilung
Konftantins, während er dies bei dem weiteren Satze, daß die Truppen
das Wunder auch gefehen hätten, dahingeftellt fein läßt (S. 28). In einer
Anmerkung dazu deutet er dann, im Widerspruch mit feiner eigenen Über-
fetzung, das ,9eu>göv iyevezo zov Savuatoq' fo: ,Das Heer habe darin
ein Wunder erblickt', was philologifch unhaltbar ift. Von wem anders
follte aber die Mitteilung, daß auch das Heer das Wunder (die wunderbare
Erfcheinungi gefehen habe, flammen als vom Kaifer, der vom Statinen
des Heeres berichtete? Das .Staunen' fetzt doch das .Sehen' voraus.

Eine andere Frage ift freilich die, ob jene Mitteilung auf pofitiver
Wahrnehmung oder nur auf einer Schlußfolgerung des Kaifers (S. 35
A. 2) beruhte. An fich hätte der Feldherr damals fich leicht eine pofitive
Kenntnis davon verfchaffen können und Eufebius muß ihn auch in diefem
Sinne verftanden haben. Dann ift es aber völlig unbegreiflich, warum
fich nicht die Kunde davon fofort wie ein Lauffeuer verbreitete. Es
bleibt alfo nur die Annahme einer nachträglichen Verfchiebung im Gedächtnis
des Kaifers übrig.

Konftantin konnte fpäter, als er von der Erfcheinuug erzählte, es
für felbftverftändlich halten, daß auch fein Heer fie gefehen und darüber
geftaunt habe, wie er felber, und es fo darfteilen, wie wenn er fich damals
davon überzeugt hätte. Wenn Schrörs S. 35 A. 2 fchreibt: ,Er
felbft war feil überzeugt, das Kreuz am Himmel mit der Schrift gefehen
zu haben, ^ alfo mußten es notwendig auch die Soldaten gefehen haben.
Das Stoioöv iytvezo zov &av/jazo<; gehört nicht notwendig zur Äußerung
des Kaifers', fo zeigt dies die ganze Verwirrung, da Schrörs dabei doch
felber diefen Satz als Äußerung des Kaifers vorausfetzt und ihn vom
Sehen eines offenkundigen Wunders, nicht, wie S. 28 A. [, vom Deuten
einer an fich mehrere Erklärungen zulaffenden Erfcheinung verlieht. Und
um die Verwirrung voll zu machen, heißt es S. 48: ,Was der Feldherr
durch eine Illufion zu fehen glaubte, konnte fich fuggeftiv den Soldaten
mitteilen', was an fich ganz richtig, aber mit Schrörs vorherigen Annahmen
nicht in Einklang zu bringen ift. Warum ferner zur Erklärung der nächtlichen
Chriftuserfcheinung eine Illufion oder eine Halluzination zu Hilfe
gerufen wird (S. Ö2 ift nicht einzufehen, da ein Traum vollftändig genügt
(Eufebius: vnvovvzi avzöj, Schrörs S. 27: .während der Nacht im
Schlafe').

Die neuefte Literatur wurde ziemlich vollftändig be-
rückfichtigt, nur meine, im Frühjahr 1913 veröffentlichte
Schrift ,Konftantin der Große und das Chriftentum' wurde
der Erwähnung nicht gewürdigt, obwohl (oder weil?) wir
in der Auffaffung von Konftantins Religiofität ganz über-
einftimmen, einer Auffaffung, wegen der ich von der
München- Gladbacher ,Apologetifchen Korrefpondenz' (1913
Nr. 18) heftig gefchmäht wurde. Auch nach Schrörs war
für Konftantin das Labarum ein ,magifch wirkendes Zeichen',
ein .Talisman', ein .Amulett' (S. 61 f.), wobei er fich freilich
darüber nicht weiter ausläßt, daß ein Eufebius an einem
folchen abergläubifchen — ,zum minderten halbabergläu-
bifch' (S. 63) ift fehr milde ausgedrückt — Gebrauch eines
chriftlichen Symbols nichts auszufetzen findet, ihn fogar
rühmend hervorhebt. Zur Möglichkeit einer Maffenfugge-
ftion (S. 48) vergl. außer Pelman, Pfychifche Grenzzuftände2,
Bonn 1910, 232 auch Le Bon, Die Pfychologie der Mafien.
Deutfche Ausgabe 1912, 24 und v. Pöhlmann, Die Welt-
anfehauung des Tacitus2, München 1913, 48h und 85. In
der Unterfuchung von Schrörs kommt nicht bloß der
Hiftoriker, fondern auch der Theologe zu Worte, der die
Gotteswürdigkeit eines Wunders in einem beftimmten
Falle prüft. Diefe Seite der Frage wird zwar, weil mehr
vom religiöfen Gefchmack und Gefühl abhängig, ftets mit
Subjektivismus behaftet bleiben, fie muß aber doch dort
erwogen werden, wo die Möglichkeit von Wundern prinzipiell
anerkannt wird — Schrörs erklärt eine gegenteilige
Anfchauung für eine .philofophifch unhaltbare Voraus-
fetzung' (S. 41) —, und fie dient da zum minderten zur
Einwicklung einer von der hiftorifchen Kritik gereichten
bitteren Pille. Wenn aber Schrörs von den biblifchen
Wundern deshalb abfehen will, weil fie ,als folche durch
die göttliche Offenbarung beglaubigt' feien (S. 52), fo ift
doch daran zu erinnern, daß fonft — fo auch im Moderniften-
eide — die (biblifchen) Wunder als .äußere Beweife der
Offenbarung' hingeftellt werden. Es müffen alfo die Wunder
zur Beglaubigung der Offenbarung und die Offenbarung
zur Beglaubigung der Wunder dienen, ein Zirkel, der dadurch
nicht beweiskräftiger wird, daß er, wie bekannt,
beim Verhältnis von Kirche und Heiliger Schrift wiederkehrt
. Auch wenn Schrörs den Gedanken an eine etwaige
Erdichtung der Kreuzeserfcheinung mit der Bemerkung
abweift: ,Als ob bei den Heiden ein vom Chriftengott
gewirktes, aber von ihnen felbft nicht gefehenes Wunder
durchfchlagend gewefen wäre' (S. 39), fo wird dabei wieder
von den biblifchen Wundern abgefehen, deren Erzählung
in den Evangelien doch ficher bei folchen durchfchlagend
wirken will, die fie nicht felber gefehen haben. Zum Schluß
gibt Schrörs feiner Überzeugung Ausdruck, daß auch die
durch Konftantin bewirkte Wandlung der Dinge unter
dem Einfluß von oben geftanden fei, und fügt bei: .Aber
das läßt fich im einzelnen Falle nur gläubig ahnen; an
fich liegt es außerhalb des Bereiches der hiftorifchen For-
fchung'. So richtig das ift, fo darf doch daran erinnert
werden, daß in Rom an maßgebender Stelle eine andere
Auffaffung herrfcht. In einem die italienifchen Seminare
betreffenden Zirkularfchreiben derKonfiftorialkongregation
vom Jahre 1912 wird vom kirchengefchichtlichen Unterricht
verlangt, ,che nell' insegnamento orale e nei testi non sia
trascurata od omessa la parte sopranaturale, che e vero,
essenziale, indispensabile elemento nei fasti della Chiesa'
(Acta apost. Sedis IV [1912] Nr. 14 P- 492)- Da? gebt
doch über ein .gläubiges Ahnen' hinaus. Bekanntlich hat
diefelbe Konfiftorialkongregation durch ein Schreiben ihres
Sekretärs, Kardinals de Lai, vom 7. Januar 1913 den
Gebrauch desFunk'fchenLehrbuches derKirchengefchichte
in den Seminarien verboten mit der charakteriftifchen
Begründung: .Wegen feines naturaliftifchen Geiftes gibt
diefes Buch ein fchiefes Bild von der Gefchichte der Kirche,
j die faft als die Entwicklung menfehlicher Ereigniffe erfcheint
ohne Berufung auf die Mitwirkung Gottes' (Chronik der
chriftl. Welt 1913, 494; vgl. Krüger im .Proteftantenblatt'
1913 Nr. 45). Dabei beginnt Funks Lehrbuch mit dem

**