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Ausgabe:

1914

Spalte:

410-411

Autor/Hrsg.:

Girisch, E.

Titel/Untertitel:

Handwörterbuch des Bayrischen Staatskirchenrechts. 2., vollst. durchgearb. u. verm. Aufl 1914

Rezensent:

Sehling, Emil

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Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 13.

410

gende fyftematifche Ausführung überhaupt nicht, die
vielmehr genannte Theologien kaum mehr erwähnt und
ohne fie verftändlich ift. Hymmen weift W. Herrmanns
und E. Haupts Weg ab, die Autorität des Evangeliums
darin zu finden, daß es uns in Jefu Bild Gott finden laffe.
Denn fo komme Luthers rechtfertigender Glaube nicht
zuftande. Diefer allein faffe Gottes Offenbarung als
(fupranatural-abrupte) Offenbarung und fei dann felbft
Vergewifferung um den zentralen Inhalt der h. Schrift,
nämlich um das apoftolifche Zeugnis von Jefus als dem
Gekreuzigten und Auferftandenen. Nur durch diefes
haben wir den Glauben an Chriftus, haben alfo an ihm
die normative' Erkenntnisquelle, die fich uns als Gnadenmittel
erprobt, und das Gnadenmittel, das fich uns als
göttliche Wahrheit gewiß macht. Trotz des etwas reftrin-
gierenden Schlußabfchnittes könnte man mit ähnlicher
Argumentation auch die fonft abgelehnte Verbalinfpiration
beweifen. Die durch die geiftige Gefamtlage geftellten
Probleme hat Hymmen kaum tür fich als folche empfunden
, gefchweige denn auch nur annähernd gelöft. —

Tief dagegen empfindet Pfr. Walter Wolff-Aachen
in .Gefchichte, Idee und Symbol in der chrift-
lichen Religion' die modern-proteftantifche, durch
hiftorifche Kritik verfchärfte Antagonie des Glaubens,
der unmittelbar zu Gott und zur Ewigkeit will, und der
harten Gefchichte, die ihm den Umweg über Paläftina
vorfchreibt. Doch lehnt er den Erfatz der Gefchichte
durch abftrakte Ideen oder ihre Umdeutung zum Symbol
(Bouffet) ab als unmöglich, als den Einzelnen gegen den
geiftigen Reichtum der Gefamtheit ifolierend und als die
Paradoxie und Überweltlichkeit der Religion zerftörend.
Die Gefchichte ift nun einmal da und erzwingt fich Beachtung
. Die feelifche Antinomie ift wiffenfchaftlich
nicht lösbar, wirkt aber wie alle Denkverlegenheiten als
Anreiz für die Weiterentwicklung. —

P. Bockmühl-Odenkirchen fragt: „Wo ift die erfte
Ausgabe des Werkes von Johannes Anaftafius Veluanus:
,Der Leeken Wechwyfer' im Jahre 1554 gedruckt?" Unter
Aufbietung beträchtlicher typographifcher und provinzial-
kirchengefchichtlicher Kenntniffe erweift er Wefel als
Druckort.

Rezenfionen und die von P. Rotfcheidt-Moers be-
forgte reiche Bibliographie der rheinifchen theologifchen
Produktion von 1910 und Ii fchließen das Heft.

Stettin. J. Jüngft.

Steinmann, Doz. D. TL: Die Predigt von Schuld und Sünde

im Zufammenhang modernen Denkens und Wertens.
(Praktifch-theologifche Handbibliothek, 15. Bd.) (VIII,
134 S.) 8°. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 1913.

M. 2.40; geb. M. 3 —

Durch die Eingliederung in die Prakt.-theol. Handbibliothek
tritt dies Buch in eine Reihe mit den Studien
von Hackenfchmidt über die Chriftuspredigt für unfere
Zeit, von Baltzer über praktifche Eschatologie ufw. Es
unterfcheidet fich von ihnen, namentlich von Baltzers, aber
auch von Hackenfchmidts Arbeit, durch die faft rein
theoretifche Haltung. Die Folgerungen nach der Praxis
hin überläßt St. bis auf ganz allgemeine Richtlinien durchaus
feinen Lefern. Ich kann nicht umhin, das fowohl im
Sinne der Sammlung wie auch ganz allgemein im Inte-
reffe der Benützer einigermaßen zu bedauern. Wir brauchen
ja notwendig eine nähere Vermittlung zwifchen den
einfchlägigen Gedanken und der Praxis der Predigt wie
des Unterrichts. Vielleicht hätte, wenn St. felbft nicht
auf diefe Fragen eingehen wollte, ein anderer Mitarbeiter
ein ergänzendes Kapitel anfügen können? Damit foll nun
aber nicht gefagt fein, daß das Buch dem Praktiker nichts
nützen könnte. Im Gegenteil: ich wünfchte, daß jeder
Praktiker die hier geleiftete Gedankenarbeit gründlich
durchnähme, um klare Zielpunkte zu gewinnen. St. unter-

fucht in Teil I die Stellung von Schuld- und Sündenbe-
wußtfein im Ganzen der chriftlichen Frömmigkeit, auch
in der gefchichtlichen Verkündigung (Jefus, Paulus,
Auguftin, Luther, die Epigonen und die Pietiften, die
kirchliche Sündenmetaphyfik und das religiöfe Bewußtfein
). Sehr fein ift hier namentlich die Herftellung der
Beziehung zwifchen Jefus und Paulus; nicht daraufkomme
es an, ob Jefus das Urteil allgemeiner Schuldhaftigkeit
der Menfchen fchon felbft gefällt hat, fondern darauf, ob
fich diefes Urteil aus dem Zufammentreffen feiner Art
und ihrer Forderungen mit der .natürlichen' Art des
Menfchen zu Recht ergab oder nicht (9). Es fehlt in
diefem hiftorifchen Gang ein Paffus über den Methodismus,
der mit Rückficht auf die Gemeinfchaftsfrömmigkeit ent-
fchieden Berückfichtigung verdient hätte. Teil II befpricht
die Widerftände gegen die Predigt von Schuld und Sünde,
und zwar fowohl die vom ,Fleifch' her wie die von der
Tradition und dem .modernen Bewußtfein' herkommenden;
unter den letzteren nennt St. als wichtige Faktoren das
Kulturbewußtfein, das Perfönlichkeitsideal, die Hinwendung
zur materiellen Kultur, das Bewußtfein der fozialen Gebundenheit
und den naturwiffenfchaftlichen Determinismus
, endlich die Gottesunficherheit unferer Tage. Schon
diefer Überblick zeigt, daß St. die Fragen in der Tiefe
anfaßt. Er führt die Unterfuchung aber fo, daß er dem,
was am modernen Bewußtfein berechtigt ift, verftändnis-
voll entgegenkommt und doch der zum Kern des Chri-
ftentums gehörenden Wahrheit von des Menfchen Schuld
und Sünde ihren Ernft und Nachdruck wahrt. Die alten
Wahrheiten ftellt er — fo fein eigenes Vorwort — in den
Zufammenhang modernen Denkens und Wertens ein. St.
erweift fich dadurch als der geeignete Mann, um gerade
den Modernen das Verftändnis für das Chriftentum als
Religion der Sünden- und Gnadenerfahrung zu öffnen.
Was er in den verfchiedenften Partien des Buchs über
die Kluft zwifchen diefem Chriftentum und der modernen
Religionsftimmung (133) und über feinen Abftand von
rationalifierendem Moralismus (80) fagt, ift ebenfo beachtenswert
wie die Warnung vor dem Operieren mit überlieferten
Repertoir-Wendungen (82) und vor einem Arme-
fündertum, das den vollen Ernft fittlichen Willens ver-
miffen läßt (85). Die Anleitung, einen .pofitiven Zufam-
menfchluß der geiftigen Vertiefungen des Schulderlebens
mit dem Berechtigten des Perfönlichkeitsideals aufzuweiten'
(107 ff), ift befonders wertvoll. Daß auch im theoretifchen
Teil eine Auseinanderfetzung mit der Vollkommenheitslehre
fehlt, ift bemerkenswert; der ,moderne' Menfch, mit
dem St. rechnet, kennt fie nicht, aber für die Praxis ift
das doch fchade. Das tiefgrabende Büchlein würde m. E.
gewonnen haben, wenn feine Ausdrucksweife noch leicht-
flüffiger geftaltet worden wäre; doch hat St. nach diefer
Richtung hin bereits Manches getan.

Gießen. M. Schi an.

Girilch, E., Dr.jur. etrer. pol. H. Hellmuth u. H. Pachel-
bel: Handwörterbuch des Bayerilchen Staatskirchenrechts.

2., vollftändig durchgearb. u. verm. Aufl. (VII, 527 S.)
kl. 8°. München, J.Schweizer 1914. M. 7.80; geb.M.9 —

Diefes Handwörterbuch ift auch in feiner zweiten
Auflage von Wiffenfchaft und Praxis freudigft zu begrüßen
. Daß es einem wirklichen Bedürfniffe entfpricht,
erfieht man fchon daraus, daß es in verhältnismäßig kurzer
Frift die 2. Auflage erlebt hat. Das bayrifche Staats-
kirchenrecht ift eines der allerfchwierigften Kapitel des
Kirchenrechts, ja, des modernen öffentlichen Rechtes überhaupt
. Die Erkenntnis desfelben, das außer auf der
Verfaffung, auf zahlreichen Gefetzen, Verordnungen,
Minifterialentfchließungen, Entfcheidungen der Behörden
und der Gerichte, auch auf Gewohnheitsrecht und Herkommen
beruht, bietet dem Juriften und dem Verwaltungsbeamten
die größten Schwierigkeiten. Die Materie