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Ausgabe:

1914 Nr. 13

Spalte:

401-403

Autor/Hrsg.:

Hjärne, Harald

Titel/Untertitel:

Stat och Kyrka. Historiska utkast 1914

Rezensent:

Westman, Knut B.

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Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 13.

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zener Stifts. Ein zweiter Auffatz von B. ift betitelt: ,Die
Einführung der Reformation in den Parochien der fächfi-
fchen Oberlaufitz'. Da hier die Reformation nicht auf
einmal, auch nicht für größere oder kleinere Komplexe
zu einem beftimmten Zeitpunkt und von einer Zentral-
ftelle aus, eingeführt worden ift, der Prozeß vielmehr faft
ein Jahrhundert, 1524—1619, dauerte, mußte eine Parochie
nach der andern vorgenommen werden. B. behandelt
in alphabetifcher Reihenfolge erft die Kirchen der Vier-
ftädte Bautzen, Kamenz, Löbau, Zittau, dann die des
Landkreifes und gibt zum Schluß eine nach den Reformationsjahren
chronologifch geordnete Tabelle der Parochien
mit Angabe der Patronatsherrfchaft zur Zeit der
Einführung der Reformation.

An diefe letztere Abhandlung reihen wir den Auffatz
von Frdr. Ronneberger: .Eine Kamenzer Kirchenordnung
'. Sie ift von 1691. R. hat fie im Kamenzer Kirchenarchiv
gefunden und teilt fie zur Ergänzung des
III. Bandes von Sehlings ,evgl. Kirchenordnungen des
16. Jahrh.s' mit.

,Eine mittelalterliche Neujahrspredigt' druckt G. Bu c h-
wald aus Hdfchr. 1244 der Leipziger Univerfitätsbiblio-
thek (2. Hälfte des 15. Jahrh.s) ab. Sie ift befonders
formell intereffant; zugrunde liegt nicht eine Bibelftelle,
fondern ein deutfcher Reim.

,Charakterbild er Erzgebirgifcher Paftoren aus der
erften Hälfte des vergangenen Jahrhunderts' hat der ehrwürdige
Oberkirchenrat A. Weidauer beigefteuert. Er
macht aufmerkfam auf die vier Predigervereine, die der
Annaberger Superintendent D. Chriftian Heinrich Schumann
1836 in feiner Ephorie begründet hatte, um die
ihm unterftellten Geiftlichen zu wiffenfchaftlich-theologi-
fcher Fortbildung und zu freundfchaftlichem Austaufch
ihrer Gedanken und Amtserfahrungen anzuhalten, und
gibt dann — z. T. auf Grund eigener Kindheits- und
Jugenderinnerungen — fehr anziehende Lebens- und Cha-
rakerbilder von den Männern, die bei diefer Konferenzarbeit
befonders hervorgetreten find, in erfter Linie von
dem hochbegabten und .bezaubernd' liebenswürdigen
D. Schumann, fowie von feinem Vater, dem Buchholzer
Pfarrer Moritz Ferdinand Weidauer.

Wohl die fchönfte Gabe aber find die von dem
Röhrsdorfer Pfarrer Gröffel aus feinem Pfarrarchiv im
Auszug mitgeteilten .Briefe einer Patronin an ihren
Paftor vor 100 Iahren'. Sie find gefchrieben von der
Reichsgräfin Johanne Friederike von Reuß, geb. Baroneffe
von Fletcher, der Gemahlin des Grafen Heinrich 38. von
Plauen, an Chriftian Gottlieb Stöckhardt, der von 1801
Paftor substitutus, von 1813 Pfarrer von Röhrsdorf war.
Sie (lammen aus den Jahren 1806-1813, enthalten wichtige
politifche Nachrichten, zeugen aber vor allem von
der herzhaften Frömmigkeit und dem gefunden Urteil
der Verfafferin in theologifchen und allgemein fittlichen
und religiöfen Fragen und von dem idealen Verhältnis,
das zwifchen ihr und ihrem .teuerften Herrn Paftor' be-
ftand. Möchte Gr. die andere Hälfte des Briefwechfels,
die Briefe von Stöckhardt, bald folgen laffen!

Zwickau i. S. O. Clemen.

Hjärne, Harald: Stat och Kyrka. Historiska utkast. (XV,
210 S.) 8°. Stockholm, H. Geber (1912). Kr. 3.50

Die Olavus-Petri-Stiftung zu Uppfala, auf Initiative
des Herrn Prof. Nathan Söderblom, jetzt in Leipzig, gegründet
und nach dem großen Reformator Schwedens
genannt, ladet jährlich einen hervorragenden Gelehrten
ein, an der Univerfität Uppfala für Studierende aller Fakultäten
eine Vorlefungsferie über einen irgendwie zur
Religion in Beziehung flehenden Gegenftand zu halten.
Diefe Einrichtung hat nicht wenig dazu beigetragen, das
allgemeine Intereffe für theologifche Fragen an der Univerfität
zu heben. Da hat z. B. Eucken vom Gefetz des
Geifteslebens, Deißmann von Paulus, Herrmann von Religion
und Gefchichte, Vitalis Norftröm von Religion und
Gedanke gefprochen.

Harald Hjärne, der Altmeifter der fchwedifchen Ge-
fchichtsforfchung, der eine lange und für fchwedifche
Wiffenfchaft und Bildung außerordentlich bedeutungsvolle
Tätigkeit hinter fich hat, richtete auch früher, z. B. anläßlich
feiner Forfchungen über das Reformationszeitalter
in Schweden und über Guftav Adolph, vielfach feine
Intereffen auf die Rolle der religiöfen Motive und Bewegungen
in der allgemeinen Gefchichte, und erhielt 1911
von der theologifchen Fakultät zu Uppfala die theologifche
Doktorwürde. Die vorliegende Arbeit bietet feine
Olavus-Petri-Vorlefungen, im Jahre 1912 gehalten. Er
hat hier in Form von fünf zusammengehörenden Entwürfen
und in knapper, gedrängter, tief durchgearbeiteter
Darftellung einen Überblick über die ganze gefchichtliche
Entwicklung des Verhältniffes zwifchen Staat und Kirche
vom Gefichtspunkte des Staates aus gegeben. Es befteht,
fagt der Verf., zwifchen Staat und Kirche von Anfang
an eine Spannung, deren typifch ausgeprägte Formen
während verfchiedener Epochen — ,Die Kirche im heid-
nifchen Weltreiche', ,Die Chriftianifierung des Kaisertums',
,Das Kirchenreich des Mittelalters', .Staatskirche und Freikirche
', ,Die Säkularifierung der Staatsgewalt' — er in
erfter Linie zu charakterisieren ftrebt. Diefe Spannung
wechfelt zwar immer wieder ihre Geftalt, ift aber unlösbar;
,ein definitiver Ausgleich zwifchen diefen beiden Mächten
— das ift der Grundgedanke des Verf. — ift undenkbar,
infofern fie jede für fich ihr eigenes Wefen und ihre besondere
Lebenskraft bewahren wollen' (S. IX f.) — was
teils darauf beruht, daß eine dauernde Ausgleichung der
Gefellfchaftsgegenfätze im allgemeinen von hiftorifchem
Gefichtspunkt überhaupt nicht als möglich gedacht werden
kann, teils aber und Speziell darauf, daß das von Anfang
an und immer grundlegende Element der Kirche etwas
fo Irrationales wie der Glaube an Chrifti Auferstehung
ift, ein Glaube, der niemals mit unbedingt rationalen
Anfchauungen und darauf gegründeten Staatswefen völlig
vereinbar ift.

Als Stichprobe der Gedankengänge des Verf. mag
aus feiner Analyfe der heutigen fäkulariftifchen Staats-
auffaffung einiges mitgeteilt werden. Der Staat — fagt man
feit dem 18. Jahrhundert — fei eine rein weltliche Organisation
, die Kirche eine Gefellfchaft innerhalb des Staates
wie andere auch. Diefer Gedanke, der zum erften Mal
in der ffanzöfifchen Revolution ins Werk gefetzt wurde,
charakterisiert die kirchen politifche Lage unferer Zeit. Er
ift jedoch nur in mannigfachen Abstufungen durchgeführt,
kann z. B. auch mit einer gewiffen religiöfen Würde der
Staatsgewalt vereint werden (Kirchenpolitik Napoleons).
Sein extremfter Gegenfatz ift der Ultramontanismus. Aber
auch auf proteftantifchem Boden kann, ja muß er Spannungen
verurfachen. Die Staatliche Regulierung der Kompetenzen
der verschiedenen Kirchen oder religiöfen Vereine
muß von einem irgendwie pofitiv oder negativ
beftimmten Standpunkte hinfichtlich der Religion aus
vorgenommen werden. Die Grenzen diefer Kompetenzen
werden gewiß anders gezogen werden, wenn die Religion
als pfychifche Illufion, als wenn fie als Wirklichkeit betrachtet
wird. Und eine Behandlung der Religion lediglich
als Privatfache würde nur bedeuten, daß der Staat
eine Religionsauffaffung — nämlich die, welche die Religion
als gefellfchaftsbildende Macht unterfchätzt — gegen
andere unterstützte. Der Fflementarunterricht des Staates
muß fertige Lehren, .Dogmen', irgendeiner Art mitteilen;
auch wenn kein Religionsunterricht gegeben wird, können
Kollifionen mit dem, was im privaten Unterricht der
Religionsgefellfchaften gelehrt wird, nicht ausbleiben;
der Staat beftimmt den Inhalt feines Unterricht fo oder
fo — und nimmt dadurch Partei für oder wider die betreffende
Religionsgefellfchaft. Auch meldet fich vielleicht,
wenn der Religionsunterricht abgefchafft werden foll, wie
| in Frankreich, das Bedürfnis eines Moralunterrichts, der