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Ausgabe:

1914 Nr. 13

Spalte:

400-401

Autor/Hrsg.:

Dibelius, Franz

Titel/Untertitel:

Beiträge zur Sächsischen Kirchengeschichte. 27. Heft 1914

Rezensent:

Clemen, Otto

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399

Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 13.

400

1903 herausgegebene, Pijper entgangene Brieffammlung
einige Ergänzungen hätte bieten können. Treffend hebt
P. den zwar hiftorifch-richtigen, aber doch von Polemik
nicht freien Charakter des Berichtes hervor. Dogmen-
gefchichtlich fteht natürlich die Abendmahlsfrage im
Mittelpunkt. An zweiter Stelle wird das umfangreiche
.Evangelium der Armen' von Cornelis Cooltuyn geboten.
Es fällt in die Periode, da in den Nordniederlanden der
Calvinismus noch nicht durchgedrungen war; fo nimmt
es dogmatifch einen Vermittlungsftandpunkt ein, ohne z.B. die
Prädeftination zu vertreten. Das Leben des Verf. führt
P. eingehend vor; C. war urfprünglich römifcher Priefter,
wurde dann von der Inquifition verfolgt, flüchtete aber
1558 nach Emden, kam als Vertreter der dortigen Gemeinde
1565 nach London. Seine Schrift möchte ich ein
wenig anders beftimmen als P. Dieser fieht in derfelben
eine erbauliche Troftfchrift, während es üch m. E. um eine
Propagandafchrift unter den Katholiken für den reformierten
Glauben handelt; fo würde fich auch am beften die
Zufammenfchweißungder beiden, einer früheren und fpäteren
Epoche C. 's angehörigen Teile erklären, fie haben in
jenem Ziele einen Einheitspunkt. Als drittes Stück wird
unter dem Titel Vivat Rex Carolus eine Sammlung von
fünf auf Karl V. bezüglichen Flugfchriften geboten; zunächft
ein Brief der . Gefandten Franz' I. von Frankreich in
Coblenz an die Kurfürften in Frankfurt a. M., mit der für
Frankfurt geplanten Rede, dann eine Rede und ein Brief
des Grafen Hermann v. Neuenar an die Kurfürften zur
Empfehlung der Wahl Karls V., bez. an den Kaifer, endlich
eine Rede des Jak. Sobius an Karl V. Als viertes
Stück folgt eine fehr intereffante Ablaßinftruktion des
Propftes Adrian von Utrecht, des fpäteren Papftes, aus
dem Jahre 1515, die er als Oberkommiffar des Karl V.
von Leo X. zwecks Herftellung von Wafferdämmen bewilligten
Ablaffes erlaffen hat. Der Vergleich mit den
bekannten fpäteren Inftruktionen legt fich nahe und zeigt
viele Berührungen. Das fünfte Stück gibt einen Bericht
über den Sacco di Roma aus der Feder eines jungen
Belgiers, das fechfte 1529 zu Mecheln publizierte Artikel,
die die von den katholifchen Geiftlichen zu erhebenden
Taxen für Sakramentsfpendung u. dgl. feftfetzen, das
fiebente einen Bericht über die Kaiferkrönung Karls V.
in Bologna, das achte eine Zeitung über den Einzug des
Kaifers in München und Augsburg 1530, endlich das
letzte vier Traktate über die Art und Weife, ,wie wir
unferen Feinden, dem Teufel, der Welt und dem eigenen
Fleifch als chriftliche Ritter widerftehen follen', vermutlich
alle vier von ein und demfelben, einen Vermittlungsftandpunkt
einnehmenden Verfaffer; das erfte der vier
Stücke dürfte ein Katechismus fein. — In feiner Be-
fprechung diefes Bandes der .Bibliotheca' im ,Archiv für
Reformationsgefchichte' Bd. 10, S. 381 ff. zeigt O. Clemen,
daß Nr. 4 und 5 der unter dem Sammeltitel Vivat rex
Carolus vereinigten Stücke auch feparat bei Lazarus
Schürer in Schlettftadt 1519 erfchienen, das fechfte Stück
im franzöfifchen Original 1843 in den Bulletins de l'aca-
demieroyale des sciences deBruxelles veröffentlicht wurde,
und das achte Stück niederländifche Überfetzung einer
deutfchen Zeitung ift. Meine Vermutung gelegentlich der
Befprechung von Bd. 8 (diefe Zeitfchr. 1913, Nr. 16), daß
die Güte der Textrezenfion fich nach der Fremdfprachig-
keit für den Holländer richte, hat fich beftätigt: die hol-
ländifchen Texte laffen bez. der Edition am meiften zu
wünfchen übrig, find immerhin weit beffer als in den
erften Bänden. Daß das ganze Werk weiter geht, ift
freudig zu begrüßen; möchten doch auch die von Cramer
geplanten Werke Menno Simons trotz C.'s Tode bald
erfcheinen!

Zürich. Walther Köhler.

Kuhlenbeck, Ludwig: Giordano Bruno. Seine Lehre v.
Gott, v. der Unfterblichkeit der Seele u. v. der Willensfreiheit
. (Die Religion der Klaffiker. Hrsg. v. G. Pfannmüller
. 1. Bd.) (70 S.) 8°. Berlin-Schöneberg, Prote-
ftantifcher Schriftenvertrieb 1913. M. 1.50; geb. M. 2 —

Aus bewährter Feder kommt hier eine wohl erwogene
Beurteilung Giordano Brunos, der fich gute Auszüge aus
feinen Schriften anfchließen. Immer und überall wird uns
feine Weltanfchauung als eine religiöfe fühlbar.

Kuhlenbeck hat die Frage nach Brunos Chriftentum
mit berechtigter Vorficht angerührt, denn deffen entfchei-
dende und letzte Äußerungen, wie auch den ganzen Verlauf
des Prozeffes in Rom kennen wir nicht. So lange
nicht die Kurie das diesbezügliche Aktenmaterial (wenn
folches vorhanden ift) für die Publikation frei gibt und
ganz vorzüglich die wichtigen Anlagen der Protokolle,
das dem Papft gewidmete Werk ,De Septem liberalibus
artibus' und die in der letzten Sitzung überreichte, ,eröffnete
, aber nicht gelefene' Denkfchrift, bis dahin dürfte
wohl kaum ein volles klares Bild des unglücklichen Nola-
ners, von dem Auf und Ab leiner fehnfüchtigen Leiden-
fchaft, zu erreichen fein. Es liegt ein Schatten über feinen
letzten Jahren. Gewiß dürfte, wie Kuhlenbek heute auf
Grund feiner fchätzenswerten Forfchungen als ficher annimmt
, der ganze Bruno-Prozeß von vornherein keineswegs
auf das tragifche Ende gerichtet gewefen fein. Erft
heben Jahre fpäter fand er den bekannten tragifchen Ab-
I fchluß als Justizmord. Ja der Verfaffer meint, die ungewöhnlich
lange Dauer der Unterfuchung laffe lediglich
der Vermutung Raum, daß einerfeits die römifchen Inqui-
j htoren fich große Mühe gegeben hätten, das Leben des
Angeklagten zu fchonen und ihn in den Zuftand noch
tieferer Zerknirfchung zu verfetzen, um einen umfaffenden
I Widerruf zu erzwingen; kndererfeits käme aber auch der
! fchwierige und von myftifcher Leidenfchaft befeelte Charakter
Brunos dazu, der zeitlebens ein Fanatiker des Gefühls
! gewefen ift. Er hätte ihnen den Urteilsfpruch in jeder Hin-
! ficht erfchwert. Vielleicht liegt gerade darin der tiefere Sinn
j feiner berühmten Worte vor feinen Richtern: /Majori forsan
1 timore judicium in me fertis, quam ego accipiam!' Zweifellos
ift diefer Ausfpruch verbürgt echt. Kuhlenbecks
Beurteilung von Brunos Lehre von Gott und der Welt zeigt
tiefgegründetes Verftändnis. Sehr richtig ift die Behauptung
, daß zwifchen Spinozas und Brunos Weltbild ein
großer Unterfchied beftehe. Die Gottesidee des Nolaners
ift kein fogenannter Pantheismus fondern eine myftifche
Betonung der Immanenz der Dinge in Gott. Bruno hat
nie den überweltlichen Gott abgelehnt, nur den außerweltlichen
. So tat es auch Goethe. Bruno bekannte fich zu
dem felbftbewußten, perfönlichen und lebendigen Gott, der
Herr des Seins ift. Man kann nicht von einem Pantheismus
des Nolaners reden. Er ftand diefer Weltanfchauung
fern.

Kuhlenbecks Arbeit ftellt diefe Wertung Brunos in
die Mitte feines Bildes, kritifch durchdacht und doch mit
perfönlicher Wärme.

Wien. Franz Strunz.

Beiträge zur Sächlifchen Kirchengelchichte, hrsg. im Auftrage
der ,Gefellfchaft f. fächf. Kirchengefchichte' v.
Drs. Oberhofpred. Dibelius u. Geh. Kirchenrat Prof.
Theodor Brieger. 27. Heft (Jahresheft f. 1913). (III,
239 S.) gr. 8°. Leipzig, J. A. Barth 1914. M. 4 —

Zwei wertvolle Auffätze verdanken wir wieder dem
unermüdlichen, kenntnisreichen Bon ho ff. Er betrachtet
erftens ,die Stiftungsurkunde des Wurzener Kollegiat-
ftiftes'. In ihr hat fich zugleich die erfte echte Urkunde
eines Meißner Bifchofs erhalten. Freilich liegt fie nur
noch in einer Kopie vor, der am Schluß Datum und
Zeugenreihe fehlen; die Weihe der Stiftskirche erfolgte am
16. Auguft 1114. Im Anfchluß daran gibt B. einen lehrreichen
Überblick über die ältefte Gefchichte des Wur-