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Ausgabe:

1914 Nr. 13

Spalte:

395-396

Autor/Hrsg.:

Morin, Dom Germain

Titel/Untertitel:

Études, Textes, Découvertes. Contributions à la Littérature et à l‘Histoire des douze premiers siècles Tome I 1914

Rezensent:

Krüger, Gustav

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395

Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 13.

396

fcher Handfchriften Wefteuropas unter Ausfchluß der
Bibliotheken von Italien, Frankreich und Spanien. Es
war ein fehr glücklicher Gedanke, diefes Material zufammen-
hängend vorzulegen, ftatt es, wie für einzelne Bibliotheken,
namentlich Italiens, gefchehen ift, über eine ganze Reihe
von Jahrgängen der Analecta Bollandiana zu zerftreuen.
Es find im Ganzen 41 Bibliotheken, deren Material gebucht
wird, und 492 Handfchriften, die analyfiert werden.
Den Anfang macht Öfterreich mit 5 Bibliotheken, es
folgen Deutfchland mit 13, Dänemark und Schweden mit
je einer, Schweiz und Belgien mit je 2, die Niederlande
mit 3, fchließlich Großbritannien mit 14; die Bibliothek
von Holkham Hall, deren Katalog bereits in Bd. 25 der
Analecta Bollandiana erfchienen war, ift hier ausgelaffen.
Der Anzahl der aufgeführten Handfchriften nach flehen
an der Spitze die Wiener Hof bibliothek mit 106 und die
Bodlejana mit 102 Handfchriften; es folgen in weiten Ab-
ftänden München mit 67, Berlin mit 44, das British Museum
mit 31 und Brüffel mit 22 Handfchriften. Doppel-
ftellige Zahlen weifen noch auf Trinity-College in Cambridge
mit 16, Leyden mit 15, Christ-Church-College in
Oxford mit 11 und die Bollandiftenbibliothek mit 10 Handfchriften
. Eine ganze Reihe von Bibliotheken, fo die von
Erlangen, Straßburg, Wolfenbüttel, Bremen, Hamburg,
die Leipziger Ratsbibliothek, find mit einer einzigen
Handfchrift, auch mit zwei oder drei Handfchriften vertreten
. Die Regiftrierung gerade diefer kleinen Beftände,
die in ihrer Vereinzelung fonft überfehen werden müßten,
ift befonders dankenswert. Wer denkt wohl fo fchnell
an die Bibliotheken von Bremen, Hamburg, Dublin, an
die der Colleges von Oxford und Cambridge oder der
Highate-Schule bei London?

Die fplendide Ausftattung wie die Anordnung find
bekannt. Da in diefem Bande eine Mehrzahl von Bibliotheken
zur Darftellung kommen, find die analyfierten
Handfchriften auf dem Rande fortlaufend numeriert, und
in dem trefflichen Index sanctorum ift dann auf diefe
fortlaufenden Nummern verwiefen. Denjenigen Texten,
die in der zweiten Auflage der Bibliotheca hagiographica
Graeca fich verzeichnet finden, ift in der Befchreibung
der Handfchriften wie im Index die Nummer beigedruckt,
unter der fie in der Bibliotheca aufgeführt find. —
Welches wird die nächfte Gabe fein? Die Brüffeler Gelehrten
würden des Dankes aller Forfcher ficher fein,
wenn fie die Bibliotheken von Moskau und Petersburg
und etwaige fonftige ruffifche Bibliotheken in gleicher
Weife bearbeiten wollten; denn der Moskauer Katalog
von Wladimir ift für den des Rulfifchen Unkundigen
fchwierig zu handhaben.

Straßburg. Anrieh.

Morin, Dom Germain, D. Litt, O. S. O.: r-tudes, Textes,
Decouvertes. Contributions ä la Litterature et ä l'Hi-
stoire des douze premiers siecles Tome L (Anecdota
Maredsolana II. serie.) (XII, 526 S.) gr. 8°. Abbaye
deMaredsous(Belgique). Paris,A.Picard 1913. M. 10 —

Es wird manchem Gelehrten gehen wie Morin, daß
er fich nach einem Vierteljahrhundert literarifcher Tätigkeit
nicht aller feiner hier und dort verftreuten Arbeiten
zu erinnern vermag und das Bedürfnis empfindet, fie zu
fammeln und durchzufehen. Aber nicht bei Jedem wird
fich das lohnen, denn nicht Jeder gehört zu den Pfadfindern
und Bahnbrechern. Daß Morin einer von den
,chercheurs contemporains' ift, ,qui ont le plus contribue
ä faire progresser teile ou teile branche du savoir', ift ein
Rechtstitel, den ihm die Sachkundigen nicht beftreiten
werden. Wir begrüßen es daher dankbar, daß er fich
entfchloffen hat, eine große Revue über feine Arbeiten
abzuhalten, auszumerzen, was er nicht mehr anerkennen
will, auszubauen, was ihm den Ausbau zu lohnen fcheint.
Nur dagegen möchte man bei dem erft 53 jährigen Pro-

teft einlegen, daß er fein Unternehmen als ,une sorte de
testament' bezeichnet. Wir wünfehen im Gegenteil, daß
er uns noch manche neue Frucht unermüdlichen Schaffens
befcheren möge, und halten es nicht für ausgefchloffen,
daß er künftig auch an dem, was er uns jetzt als von,letzter
Hand' durchgefehen vorlegt, noch zu feilen finden wird.

Der Band zerfällt in zwei ungleiche Hälften. Die
erfte (S. I—71) hat Morin felbft als Jntroduction biblio-
graphique' bezeichnet. ,Revue bibliographique' wäre
deutlicher gewefen, denn es handelt fich nicht um eine
Einleitung in das, was folgt, fondern um eine umfaffende
Überficht über Morins bisherige Arbeitsleiftung. In 114
Abfchnitten, denen faft die doppelte Zahl von Publikationen
zugrunde liegt, zieht M. die Summe deffen, was er zu
ebenfo vielen Thematen aus der Literargefchichte der
erften 12 Jahrhunderte zu fagen gehabt hat. Der Mit-
forfcher darf ihm beftätigen, daß diefe Arbeit im eigentlichen
Sinne pofitiv, aufbauend gewefen ift. Wie viele
Urkunden hat doch Morin der Vergeffenheit entriffen, wie
viele hat er in die richtige Beleuchtung zu fetzen gewußt,
wie feiten ift fein Urteil in die Irre gegangen. Wo das
nach feiner eigenen Meinung der Fall war, da hat er die
betreffende Arbeit nicht wieder aufgenommen: ce qui ne
s'y trouve point mentionne, bien qu'il semblät devoir
letre, je l'ignore et le desavoue. Das fcheint zuzutreffen
auf die Hypothefe, der zufolge Martin von Brakara der
Verfaffer des Athanafianums fein follte. Wenigftens finde
ich fie nicht erwähnt. Der ambrofianifche Urfprung
von de sacramentis wird in Nr. 14 noch behauptet, in den
Additions et corrections aber verneint. Ebenda wird die
Vermutung ausgefprochen, daß die priszillianiftifche Schrift
de trinitate ebenfo von Inftantius herrühren möchte wie
die Schriften des Würzburger Kodex. Über die Perfon
des Ambrofiafter wird eine abfchließende Studie in Ausficht
geftellt.

Das eigentliche Korpus des Bandes, die größere
Plälfte alfo (S. 72—501), bilden 10 ältere Abhandlungen,
durchgefehen und um Textdrucke erweitert. Wir erhalten
dabei folgende größere Inedita: de similitudine carnis
peccati von Pacian von Barcelona, de trinitate (f. oben)
ad Gregoriam von Arnobius dem Jüngeren, 14 dem Weft-
text der Apoftelgefchichte entlehnte Stücke aus dem
Schlettftadter Lektionarium, dazu einige kleinere Stücke
in neuer Rezenfion. Da der Band als tome premier bezeichnet
ift, fo dürfen wir hoffen, im zweiten weitere
Kleinodien zu erhalten, deren Studium der Literatur- und
Dogmengefchichte zugute kommen foll.

Gießen. G. Krüger.

Graf, Pfr. Dr. Georg: Des Theodor Abü Kürra Traktat über
den Schöpfer und die wahre Religion. Überfetzt. (Beiträge
zur Gefchichte der Philofophie des Mittelalters,
XIV, 1.) (66 S.) gr. 8°. Münfter i. W., Afchendorff
1913. M. 2.10

Die theologifchen Verfuche ca. 800 innerhalb des
orientalifchen Chriftentums find nicht nur für die Kenntnis
diefer Konfeffion fondern auch für die des Islam von
Bedeutung, der in jener Zeit fich wie der lernende Schüler
zum Chriftentume verhielt. Der arabifche Text der vorliegenden
Abhandlung wurde 1912 von Cheikho veröffentlicht
und von Graf in klarer Weife überfetztl. Die herr-

1) In Kleinigkeiten könnte man das Original vielleicht anders deuten
13, 18 .Gefamtzuftand' = die Vollendung, höchfte Steigerung aller Eigen-
fchaften, ,Spur' mm Wirkung einer Urfache (oft), 15, 7 und oft ,einer außerhalb
feiner Natur liegenden Urfache unterworfen' = in unnatürlichem
Zuftande oder 17,18 entgegen ihrer Natur, 18,2 Maß — Zahl (der
Wirkungen) ein auch in muslimifchen Diskuffionen häufiger Terminus,
21,11 erfchaffenen Druckf. f. erfchaffenden, ,fagen' oft beffer durch .einwenden
', ,objizieren' erfetzt, Druwän = Darwän z. les. 25,9: 1000 arab.
Text: 7000 (Druckf.), 29,9 Geld und Ähnliches = Geld in entfprechen-
dem Maße (ohne wa), 35, 1 unt. Glück ft. Unglück, 43, 1 ,er wendet fich
ab' = er ift langmütig, nachfichtig, 44, 14 ,da' für ,wenn' 45, 18 Leben
Text: Leib.