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Ausgabe:

1914 Nr. 1

Spalte:

16-17

Autor/Hrsg.:

Williams, Hugh

Titel/Untertitel:

Christianity in Early Britain 1914

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 1.

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hatte von Anfang an, gerade wie Lebedew, Anftoß daran genommen,
daß Seeberg dieBifchofswahl zum Anlaß der Synode machen will, daß
er darin das ngäyiia instyov xal ävayxatöxaxov des Synodalfchreibens
fieht. Diefe Worte finden doch in der Ausrottung der arianifchen QC/ävia
und axäasig eine völlig ausreichende und gewiß nicht ,zu wenig konkrete
' Erklärung. Auf die Bifchofswahl bezogen, von der im Schreiben
mit keinem Wort geredet wird, fchweben fie ganz in der Luft. Auch
all das felbftgemachte Leid mit dem myfteriöfen Paulinus als Nachfolger
des Philogonius und den angeblichen Anfpielungen auf durch den übelbeleumdeten
Paulinus hervorgerufene Mißftände kommt in Wegfall, wenn
wir das Schreiben ohne Künfteleien lefen. Euftathius ift — fekundäre
Angaben, wie die des desorientierten Hieronymus, dürfen daran nicht irre
macheu — unmittelbar auf Philogonius gefolgt. Der muß ja nicht am
20. Dezember 322 geftorben fein (fo Loofs, RE 5, 626); 323 fteht geradefo
zur Verfügung. Dann bleibt Zeit genug für allerhand Unruhen vor der
Wiederbefetzung des Thronos durch Euftathius. Sollte freilich Philogonius,
wie Schwartz ohne nähere Begründung will, erft 324 geftorben fein, fo
würde unfere Synode erft im Vorfrühling 325 getagt haben. Diefen Anfatz
halte ich für zu fpät; man kommt mit Nicäa in's Gedränge. Fällt übrigens
die Bifchofswahl als Anlaß der Synode, fo erübrigen fich auch die an fich
fehr hübfehen Beobachtungen Seebergs über die Laienbeteiligung (zu den
anXoiaxegoi vgl. die simplices bei Tertullian, adv. Prax. 3). Endlich muß
ich beftreiten, daß der Plural im Schreiben erft da auftritt, wo der Bifchof
erklärt, allein nicht im Stande zu fein, die gewünfehte Ordnung wiederher-
zuftellen (Seeberg 106; vgl. fchon 105 A. 2). Das fjttöiv findet fich
vielmehr von Anfang an, nicht erft Zeile 12 des Seebergfcheu Druckes,
wie S. felbft irrtümlich angibt, fondern fchon 5, 6 und 7, und zwar überall
in der gleichen Beziehung. Die Worte iXQ-wv yäg eig x!jv xä>v 'Avxioyewv
xal lowv xljv ixxXtjoiav xxX., die einzige wirklich individuelle Stelle des
Schreibens, find meiner Meinung nach im Mund des vor kurzem von Beröa
nach Antiochien berufenen Euftathius ficher verftändlicher als im Mund
eines angeblichen Interventors. Ich möchte wirklich bitten, diefen aus
der Debatte auszufcheiden.

Der einzige Anlaß zur Berufung der Synode dürfte
fomit der Wunfeh des Euftathius gewefen fein, die durch
arianifche Geiftliche, insbefondere die vom Alexandriner
exkommunizierten Presbyter, in feine Gemeind e hier eingetragenen
Unruhen und Parteiungen befeitigt, das Unkraut
, um in feiner Sprache zu reden, ausgejätet zu fehen.
Sicherlich ein jrgüyfia ejitlyov xal ävayxatöxaxov. Daß
die Synode auch Fragen der Kirchenzucht ihre Aufgabe
zugewendet hat, wie das Schreiben fagt und die Kanones
beweifen, ohne übrigens damit irgend eine Änderung ihres
Programms vorzunehmen (gegen Harnack), bedarf fo
wenig einer Erklärung, wie es die nieänifchen oder irgend
welche anderen Kanones bedürfen. Bei nüchterner Betrachtung
der Sachlage fcheint es auch gar nicht notwendig
, in der Berufung der Synode fo etwas, wie den
Vernich zu fehen, ,auf eigene Fauft Kirchenpolitik zu
machen' (Harnack 1909, 404). Falfch fcheint es mir
weiter, die Befchäftigung mit der Perfon des Eufebius von
Cäfarea fo in den Vordergrund zu rücken, wie es noch
Seeberg tut. Ift man fich einmal klar darüber, daß die
Frage nach der Befetzung des Bifchofsftuhles ganz aus-
fcheidet, fo . fallen natürlich auch die Folgerungen, die
Seeberg daran für das Verhältnis der Synode zu Eufebius
geknüpft hat.

Und von jetzt ab kann ich nun wieder Hand in
Hand mit Seeberg gehen. Was er über das Bekenntnis
der Synode ausführt, finde ich vortrefflich und bis
in die Einzelheiten hinein beachtenswert.

Auch, um eine folche Einzelheit zu erwähnen, den Erfatz des ngoo-
mnov in der Überfetzung von Schwartz durch das allein richtige
vnöaxaaic. Dazu vergleiche man übrigens die leicht zu überfehenden
und gewiß auch Seeberg unbekannt gebliebenen Bemerkungen eines
Ungenannten bei J. F. Bethune-Baker, Nestorius and his Teaching, Cambridge
1908, 212ff., bef. 22off. Lehrreich erfcheint mir auch die Betrachtung
des Homoufios (das im Antiochenum fehlt) unter dem Gefichts-
punkt des Gegenfatzes gegen Arius, der das Wort polemifch gebraucht
hatte, und unter Ablehnung feines abendländifchen Urfprungs (dazu vgl. jetzt
auch Schwartz, Konftantin, 139 f.). Wo hier etwa Differenzen vorliegen,
wird man fich leicht einigen können. Auch mit der Wegräumung von
Harnacks Bedenken gegen das Verhältnis des Synodalfchreibens zur
Enzyklika des Alexandriners und gegen die ,große und hieratifche Synode
von Ancyra' bin ich ganz einverftanden. Gerade diefe Ausdrucksweife
des Schreibens gehört für den melius informatum zu den Echtheitsmerkmalen
. Und darüber, daß mit dem Synodalfchreiben nun auch der Brief
Konftantins in die Reihe echter gefchichtlicher Urkunden rückt (Loofs
nannte ihn, nebenbei bemerkt, in feiner ßefprechung von Pitra in diefer
Zeitung 9, 1884, 594 zweifellos unecht und mußte ihn fo nennen), wird
man fich nur freuen dürfen. Es kann ja Einbildung fei, aber mir wenig-
ftens will, nachdem mir einmal der Star geftochen ift, die Gefchichte
der Monate vor Nicäa jetzt viel lebendiger erfcheinen als vorher. Auch

der verurteilte Eufeb und feine nunmehr ganz verändert erfcheinende
Stellung in Nicäa machen mir keine Schwierigkeiten mehr. Aber an
Eufebius von Ifaura glaube ich nicht und bedauere nur, daß ich nicht
Ruffifch kann, um mich an Lebedews Argumenten ftärken zu können.

Von den Argumenten Harnacks gegen die Echtheit
der Urkunden (1909, 424f.) bleibt — wenn ich das
dritte, gegen Eufebius von Ifaura gerichtete als für mich
nicht vorhanden ausfchalte — eigentlich nur das erfte
beftehen: ,daß weder das Synodalfchreiben noch die große
anatolifche Synode, der es angehören foll, in der kirchenrechtlichen
und in der publiziftifchen Literatur des 4.
Jahrhunderts und der Folgezeit vorkommt, fpeziell(,) daß
weder Eufebius noch Athanafius fie erwähnt hat (haben)'.
Es ift zugleich das bedeutendfte. Weder Schwartz noch
Seeberg haben es zu befeitigen vermocht. Aber wenn
es den Verteidigern der Echtheit gelungen ift, den Verlauf
der gefchichtlichen Ereigniffe an Hand der neuen
Urkunde verftändlicher zu machen als bisher, fo liegt
eben darin ein ftarker Beweis für die Möglichkeit, daß
derartige Dokumente oder gar gefchichtliche Ereigniffe
von Bedeutung in der Verfenkung verfchwinden können.
Den jungen Autor, der fich inzwifchen in Greifswald habilitiert
hat, darf man zu feiner Erftlingsarbeit beglück-
wünfehen. Als hervorstechenden Zug feiner kritifchen Art
möchte ich die Befonnenheit, die Zurückhaltung gegenüber
den eigenen Aufstellungen hervorheben. Auch wo
er diefe Aufstellungen mit Bestimmtheit in den gefchichtlichen
Zusammenhang einreiht, wie beim Interventor und
der Bifchofswahl, bleibt er fich des hypothetifchen Charakters
feines Unternehmens bewußt. Das unterfcheidet feine
Konstruktion der Vorgänge vorteilhaft z. B. von der Seecks,
bei dem man nie weiß, ob er objektive Gefchichte oder
fubjektive Einfälle berichtet. Erhebliche Verfehen find
mir nicht aufgefallen; nur S. 163 A. 1 ift Bardenhewers
Patrologie ftatt der Gefchichte der altkirchlichen Literatur
(S. 2 A. 5 richtig) angeführt. Störend ift, zumal bei
einem Buch ohne Register (das auch hier notwendig
gewefen wäre) die Bezugnahme auf früher erwähntes mit
dem Wörtchen ,oben'. Ich habe ficher mehr als eine
Stunde gebraucht, um alle Verweife festzulegen.

Gießen. G. Krüger.

Williams, Prof. Hugh, M. A., D. D: Chriltianity in Early

Britain. (VII, 484 S.) gr. 8°. Oxford, Clarendon Press
1912. s. 12. 6

Diefes Buch ift hervorgewachfen aus Vorlefungen, die
der Verfaffer 1905 in Birkenhead für die Davies Stiftung
während derGeneralverfammlung derCalviniftifchenMethodisten
von Wales (Welsh Calvinistic Methodists) gehalten
hat. Da er über der Drucklegung geftorben ift, fo haben
Freunde und Kollegen an dem Theologifchen Seminar
in Bala die Herausgabe ermöglicht. Es wäre auch zu
bedauern gewefen, wenn diefes lehrreiche, intereffante, mit
großer Gelehrfamkeit und Umficht gefchriebene Werk
nicht der Öffentlichkeit übergeben worden wäre.

Das Werk beginnt mit einer Einleitung über Britannien
als römifche Provinz und endet mit der Darlegung
der Differenzen zwifchen der alten britifchen Kirche und
der angelfächfifch-römifchen Neufchöpfung. Schon damit
ift bezeichnet, daß der Verf. das britifche Christentum
nie ohne den Hinblick auf die feftländifchen Ver-
hältniffe behandelt. Und in der Tat legt er den höchsten
Wert darauf, den Gang des britifchen Christentums und
feinen Charakter durch die Klarlegung der kirchlichen
Zustände des Festlandes zu beleuchten. Das tritt nicht
weniger bei der Schilderung der Ausgänge des Christentums
in Britannien zutage (Kap. 2 u. 3), wie etwa bei
der breit angelegten Charakterisierung des Konzils von
Arles (Kap. 9) oder des Pelagius und des Pelagianismus
in Britannien (Kap. 13.) Es ift dies von großer Bedeutung;
denn gegenüber neueren Versuchen, die Unterfchiede zwifchen
der britifchen und der feftländifchen Entwickelung