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Ausgabe:

1914 Nr. 12

Spalte:

363-364

Autor/Hrsg.:

Pirot, Louis

Titel/Untertitel:

L‘Oeuvre exégétique de Théodore de Mopsueste, 350-428 après J.-C 1914

Rezensent:

Bultmann, Rudolf

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363

Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 12.

364

Pirot, Prof. D. Louis: L'Oeuvre exegetique de Theodore de j
Mopsueste, 350—428 apres j.-C. (XX, 334 S.) Lex.-8°.
Rom, Pontificii Instituti Biblici 1913. L. 5.60 |

Die Einleitung gibt einen knappen Überblick über 1
die Entwicklung der antiochenifchen Exegetenfchule.
Wichtig ift der Hinweis auf einen Pfalmenkommentar, der
1905 von Lebreton in der HS Coislin 275 entdeckt und
von Maries (Revue de Philologie XXXV 1911, p. 69) dem
Diodor von Tarfus zugefchrieben ift. Die Veröffentlichung
diefes Kommentars durch Maries foll bevorftehen. Nach j
Pirots Angabe würden durch ihn eine Reihe von Fragmenten
, die man bisher Theodor zufchrieb, als Diodor
zugehörig erwiefen. — K. 1 behandelt das Leben Theodors
, in K. 2 werden feine exegetifchen Schriften aufgezählt
und die Publikationen des erhaltenen Gutes genannt; ein
Anhang gibt eine Überficht über die noch unedierten
Fragmente. Das dritte Kapitel weift mit Recht Theodors
Unkenntnis des Hebräifchen nach, befpricht fein Verhältnis
zu den griechifchen Überfetzungen des AT. und fodann
die Frage, in welcher Textgeftalt ihm die LXX vorlag.
Das Ergebnis einer Einzelunterfuchung für die Bücher
Arnos und Maleachi ift dies, daß Theodor ein weit befferer
Zeuge für die lukianifche Textgeftalt ift als Theodoret;
fpeziell weift Theodors Text der kleinen Propheten weiteft-
gehende Übereinftimmung mit den Minuskeln 95 und 185
auf. Theodors Kanonkritik wird im 4. K. behandelt. Neu ift
der Zweifel an der Richtigkeit der Angabe des Leontius von
Byzanz, daß Theodor die Pfalmen-Überfchriften verworfen
habe. Wenn Theodoret in der Einleitung feines Pfalmen-
kommentars von ,gewiffen Leuten' rede, die dieÜberfchriften
der Pfalmen für gefälfcht halten, fo fpiele er vielleicht nicht
auf Theodor, fondern auf Diodor an. Die Fragmente, die
die Angabe des Leontius zu beftätigen fchienen, feien
wahrfcheinlich dem Diodor zuzufchreiben. Ein Urteil ift
nicht möglich, ehe die genannte Publikation von Maries
erfolgt ift. K. 5, 6 und 7 handeln nacheinander über
Theodors Anfchauung von der Infpiration, vom Literalfinn
und typifchen Sinn der Schriften, über feine herme-
neutifchen Regeln und endlich über feine Auffaffung der
meffianifchen Weisfagungen. Neues wird hier kaum gebracht
; das Material, das Theodors Erklärung des biblifchen
Sprachgebrauchs illuftrieren foll, könnte nur beffer geordnet
und durch Analogien aus den anderen Antiochenern
vermehrt einen wirklichen Begriff von der Methode diefer
Erklärung geben. Zu Pirots Behandlung von 54 ift zu
bemerken, daß der Text bei Migne 66, 676D von Elgrjxe
fisv rbv ^paljiov ab nicht mehr Theodor fondern Theodoret
zugehört. K. 8 gibt unter dem Titel ,les principales
opinions exegetiques de Th. de M. sur l'A et sur le NT.'
einen Überblick über Theodors Kommentare, foweit wir
fie befitzen oder uns ein Bild von ihnen machen können.
K. 9 endlich bringt die Nachgefchichte bis zur Verdammung
Theodors auf dem fünften Konzil.

Der katholifche Standpunkt des Verf. macht fich trotz
feines Bemühens um Objektivität geltend, fodaß das Bild
verzeichnet wird. Theodor erfcheint nicht als konfequen-
tefter Vertreter der Antiochener; als folche gelten vielmehr
Chryfoftomus und Theodoret. Und der Verf. wiederholt
immer wieder, die Irrtümer Theodors feien gerade
daraus zu erklären, daß er an den betr. Punkten von der
,hiftorifchen' Methode der Antiochener abwich. So tritt
in der Beleuchtung des Verf. das für Theodor Charakte-
riftifche, Eigene oft ftark zurück, während das ihm mit
den anderen Gemeinfame in den Vordergrund gerückt
wird. Man würde das in Kauf nehmen, wenn man in der
Einzelunterfuchung reich gefördert würde. Das aber ift
nicht der Fall.

Pirots Buch bedeutet nur in wenigen Punkten einen Fortfehritt über
Kihns 18S0 erfchienenes Werk .Theodor von Mopsuestia und Junilius
Africanus als Exegeten'. Es folgt im Wefentlichen fafl genau dem Aufriß
Kihns; feine Frageftellung ift die gleiche; der Verf. iutereffiert fich
hefonders für das in die Augen Fallende: Theodors Kanonkritik, feine
Anfchauung von Infpiration und Weisfagung. Von der Eigenart der

! Arbeitsweife Theodors erhält man kein Bild. Über die Anlage der Kommentare
erfährt man fo gut wie nichts, über die Technik der Exegefe
I garnichts. Die paraphrafrerende Erklärungsart Theodors weiß der Verf.
nicht weiter zu würdigen als durch den Satz: .Souvent aussi, si le texte
est clair, l'explication litterale de Theodore se borne ä repeter la meine
idee en des termes differents, et son Interpretation n'est alors qu'une
paraphrase Sans grand interet es sans aueune originalite'1 Ebenfowenig
ift die Aufgabe gefördert, Theodors Stellung innerhalb feiner Schule genauer
zu befchreiben. Adrians Eisagoge, die für die Erkenntnis der traditionellen
Technik der Exegefe außerordentlich inftruktiv ift, wird nur
zweimal flüchtig erwähnt. Es überrafcht deshalb nicht, daß der Verf.
die wichtige Frage nach dem Verhältnis der antiochenifchen Exegefe zur
j antiken Kommentarliteratur überhaupt nicht berührt. (Vgl. z. B. den
Auffatz von K. Praechter über die griechifchen Ariftoteleskommentare,
Byz. Ztfchr. 1909, S. 516—538). Endlich aber hat Pirot nicht einmal
das feit Kihn neu erfchloffene Quellenmaterial genügend verwertet. Daß
ihm die Einleitung zu einem Kommentar zur Apoftelgefchichte, die von
Dobfchütz im Americ. Journ. of Theol. 1898 S. 353—387 veröffentlicht
und mit großer Wahrfcheinlichkeit Theodor zugefchrieben hat, entgangen
ift, mag ohne große Bedeutung fein. Aber Pirot bafiert überhaupt feine
Ausführungen zum größten Teil auf das fchon Kihn bekannte Material,
vor allem auf Theodors Kommentar zu den kleinen Propheten. Wie
wenig der Kommentar zu den kleinen Paulinen verarbeitet ift, zeigt K. 8.
dem ein analoger Abfchoitt bei Kihn nicht eutfpricht, und in dem allerlei
aus dem Paulinen-Kommentar nachgetragen wird, was in die frühereu
Ausführungen gehörte. Der fyrifch erhaltene Johanneskommentar (ed.
Chabot, Paris 1897) ift überhaupt nicht benutzt. Ein einmal (S. 200)
herangezogenes griechifches Fragment, das fich bei Migne findet, ftand,
wie der Syrer zeigt, gar nicht in Theodors Johanneskommentar.

Marburg. Bultmann.

Handbuch der Kirchengefchichte für Studierende, hrsg. v. Guft.
Krüger. 2. Tl. Ficker, Prof. D. Dr. Gerh., u. Pfr. Lic.
Dr. Heinr. Hermelink: Das Mittelalter. (IX, 278 S.)
Lex. 8°. Tübingen, J. C. B. Mohr 1912. M. 5—;

geb. M. 6 —

Da Hermelink im III., der Reformation und Gegenreformation
gewidmeten Teile (1911 erfchienen, vgl. die
Befprechung von W. Köhler in diefer Zeitfchrift 38, 144
—146) die Vorgefchichte der Reformation mit einbezogen
hatte, ergab fich für diefen II. Teil die Mitte des 15. Jahrhunderts
als Abfchluß. Der Stoff ift nun fo eingeteilt
worden: 1. Zeitraum: Das frühe Mittelalter. Die Kirche unter
der Vorherrfchaft der weltlichen Gewalten. Vom Anfang
des 8. bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts. 2. Zeitraum: Das
eigentliche MA. Die Kirche unter der Vorherrfchaft des
Papfttums. Von der Mitte des 11. bis zum Anfang des
14. Jahrhunderts. 3. Zeitraum: Das fpäte MA. Die Kirche
unter der Vorherrfchaft der nationalen und konziliaren
Gewalten. Vom Anfang des 14. bis zur Mitte des 15.
Jahrh.s. Die beiden erften Zeiträume hat Ficker, den
letzten Hermelink bearbeitet. Im Vorwort kommen beide
Bearbeiter nach einander zum Worte. F. rechtfertigt
fich, daß er in den Abfchnitten über die Frömmigkeit,
das kirchliche Recht, die kirchliche Kunft nach langem
Schwanken fich Befchränkung auferlegt habe. Dagegen
betont H., daß er ,im Unterfchied' von F. ,über die Ge-
fchichte der Wiffenfchaft und Frömmigkeit, fowie über
die ftaatlichen und kirchlichen Rechtsanfchauungen wefent-
lich ausführlichere Nachrichten gebracht' habe. Zwar
feien diefe Dinge nicht für die folgende Entwicklung von
befonderer Wichtigkeit, aber fie ftänden gegenwärtig im
Mittelpunkte der lange vernachläffigten Forfchung über das
fpätere Mittelalter. In einer fpäteren Bearbeitung (d. h.
wenn das Intereffe fich wieder mehr auf andere kirchen-
gefchichtliche Probleme gerichtet hat) könnten die betr.
Abfchnitte vielleicht gekürzt werden. — Es könnte danach
fcheinen, als ob zwifchen den beiden Bearbeitern eine
tiefergehende Meinungsverfchiedenheit über die Stoff-
auswahl beftanden hätte. Jedenfalls fällt aber diefe Differenz
nicht irgendwie unangenehm auf. Nur muß man im allgemeinen
fagen, daß H. den Studenten noch viel mehr
mit Stoff überfchüttet als F., der ihm aber auch fchon
reichlich viel zumißt. Es kann anmaßend erfcheinen,
wenn ein Gymnafiallehrer an einem von zwei Univerfitäts-
dozenten verfaßten Studentenbuch Kritik übt. Wenn man
aber in erfter Linie den Zweck des Buches ins Auge