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Ausgabe:

1914 Nr. 9

Spalte:

273-274

Titel/Untertitel:

Goetz, Kirche u. Religion in England 1914

Rezensent:

Clemen, Carl

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Seite 1

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273 Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 9. 274

zeigt, und zweitens darin, daß fie andern die Durcharbeitung
einer breiten, heute nur allzu oft gefchmacklos anmutenden
Menge von Literatur erleichtert oder erfpart.
Freilich ift das Thema der Arbeit fo zugefpitzt, daß noch
immer genug für die Sack, Spalding und Teller zu tun
bleibt. Erft wenn das Werden und die Faktoren ihres
geiitigen und fpeziell religiöfen Lebens ganz im einzelnen
unterfucht find, wird man die Entwicklung der deutfchen
Aufklärung vollftändig verftehen; und zwar müßte man
mit der Unterfuchung fchon ein Glied weiter rückwärts
beginnen, etwa bei Reinbeck, der pietiftifche und wolf-
fifche Einflüffe typifch zu verbinden fcheint.

Marburg a. d. L. H. Stephan.

länder einmal wieder ein bei aller Kritik fo anerkennendes
Urteil über ihn zu lefen, noch dazu von einem ehemaligen
Auslandspaftor, der nicht feiten, wenn er auch Zeit finden
follte feine Umgebung auch bei ihren Sonntagsgottes-
dienften zu ftudieren, doch feine Voreingenommenheit
gegen das Fremde nicht los werden kann. Goetz fchildert
zunächft die Romantik und Gefetzlichkeit der enghfchen
Religiofität, ohne doch die guten Seiten auch diefer Eigen-
fchaften zu überfehen. In dem Kapitel: Anftokratie und
Arbeiterfchaft wird dann befondersdas foziale Verftandnis,
das die Staatskirche in ihrer Gefamtheit und vielen ihrer
Pfarrer verrät, hervorgehoben. Die religiöfe Bildung wird
ziemlich niedrig eingefchätzt, um fo höher die praktische
Frömmigkeit. Endlich werden Staatskirche und Freikirchen
nicht nur nach ihrer Verfaffung, fondern auch
nach ihrer religiöfen Stellung mit einander verglichen;
dabei wird die größere Lebendigkeit der Freikirchen
rühmend anerkannt, aber auch die Geldfklaverei, unter
der ihre Pfarrer faft ohne Ausnahme feufzsn, nicht ver-
fchwiegen. .Wollte man diefe Verhältniffe nach Deutfch-
land verpflanzen, wo der kirchliche Sinn fo viel geringer,
die Opferfreudigkeit fo bedeutend kleiner ift, und wo das
Fehlen einer alteingewurzelten kirchlichen Tradition bei
etwaigen perfönlichen Verftimmungen noch viel fchneller
das Band mit der betreffenden Kirche zerfchneiden würde,
fo bedeutete das für uns in Deutfchland ohne allen Zweifel

Vigener. Fritz: Gallikanismus und episkopaliftifche Strömungen
im deutfchen Katholizismus Zwilchen Tridentinum u.
Vaticanum. Studien zur Gefchichte der Lehre von dem
Univerfalepifkopat u. der Unfehlbarkeit des Papftes.
(V,84S.) gr.8°. München, R.Oldenbourg 1913. M. 1.80

In einer Befprechung meines Ketteier in diefer Zeitung
(1912, 19) hatte Vigener meine Darfteilung des Ver-
hältniffes Kettelers zum Unfehlbarkeitsdogma befprochen
und angedeutet, daß er darüber demnächft ausführlicher
zu handeln gedenke. In der vorliegenden Abhandlung

ift nun zwar von Ketteier vorläufig nur (S. 78, 1) anmer- j de~"griften"Schritt zu "einemVicheren Endel" Auf d'iefem

kungsweife die Rede, aber die Nachweife über das Fort- Wege ift das Problem der Trennung von Kirche und Staat

leben des .Galhkamsmus des vierten Artikels' (S.66), d.h. jedenfalls nicht zu löfen. Freiheiten laffen fich nicht

der Lehre von der in der Verbindung von Epifkopat und kopieren, fie müffen organifch wachfen. Und hier handelt

Inmat beruhenden Einheit der Kirche, dienen doch diefem eg fich nicht einmai um erftrebenswerte Freiheiten' (4of.).

Zweck, fofern eben Ketteier vor dem verhängnisvollen Kann man dem und dem meiften Andern nur zu-

18. Juli auch diefe Pofition vertreten hat. Wenn das in ftimmen, fo wird mancher über die theologifche Bildung

meinem Schnftchen nicht genügend hervorgetreten ift fo der Pfarrer und die Behandlung von Problemen durch

freue ich mich, m Vigeners Darlegungen nunmehr das ! fie wohl etwas anderer Meinung fein. Wie früher, fo

Richtige begründet vorgetragen und die Haltung der werden auch jetzt noch manchmai neue Anfchauungen

deutfchen Theologie gegenüber der papahftifchen Theorie (ogar auf die Kanzd gebracht, wenn nicht für fie zuerft

klar beleuchtet zu finden. Man kann aus feiner Abhand- ausgebildet; wer eine Gefchichte der Theologie in England

lung viel lernen, vornehmlich, weil er bisher Unbenutztes fchreiben will, muß vielfach Prediger zitieren. Damit hängt

und wenig Benutztes aus Quellen und Literatur gut zu- Eufammen> daß Goetz nirgends der Unitarier und anderer

fammengetragen und richtig gruppiert hat So tragt er liberaler Denominationen oder Richtungen gedenkt; und

manches bei zur Korrektur von Friedrichs Gefchichte, die | das Hegt vielleicht wieder daran, daß er feine Eindrücke

als Ganzes immer noch unerreicht ift. Zum Nachdenken [ in erfter Linie nicht, wie die meiften andern, in London

reizt u.a. der Hinweis auf eine gewiffeUberfchatzung des : fondern in der Provinz empfangen hat. Aber fofern es

Einfluffes von de Maiftres berühmtem Buch auf die kirch- 1 fich eben um ganz England handelt, ift das Bild, das er

liehen Kreife. In der ftarken Betonung von Gregors XVI. von Kirche und Religion entwirft, wohl doch das richtigere.

Trionfo bin ich mit Vigener ganz einig. Schön hat er 1

Möhlers Bedeutung mit wenigen Strichen gezeichnet. Aber

auch die erfte Hälfte der Schrift, die in großen Zügen
einen Überblick über die gallikanifchen und epifkopali-
ftifchen Strömungen bis zum 19. Jahrhundert gibt, ift lefens-
wert. Übrigens kommt auch der Papalismus zu feinem
Recht, was man nach dem Haupttitel der Abhandlung
nicht vermuten würde. Wie im zweiten Teil Cappellari,
Perrone und Philipps, fo werden im erften Canus, Cani-
fius, für deffen Beurteilung erft die Briefe abfchließendes

Bonn. Carl Clemen.

Richter, Dr. Guftav Theodor: Spinozas philolophifche Ter

minologie hiftorifch und immanent kritifch unterfucht.
1. Abteiig.: Grundbegriffe der Metaphyfik. (170 S.)
gr. 8°. Leipzig, J. A. Barth 1913. M. 5—

Spinozas Philofophie ift gewiffermaßen ein klaffifches
Beifpiel für die Bedeutung und zugleich für die Schwie-
Matenal gebracht haben, Gregor von Valentia und Htm- | rigkeiten der Terminologie innerhalb eines philofophi-

ä'fchar^ herausgehoben. Alles in allem bringt uns diefe
Abhandlung einen guten Schritt vorwärts. Da Vigener
herv-orhebt, daß die von Grauert in München vermißte
benritt Laroves über allein feligmachende Kirche in Freiburg
yorha^ fei, bemerke ich, daß auch unfere Uni-
ZSS?*a,bhothek fie- wie die anderen Schriften Caroves,
Mf ^dlT Bibl'othek geftifteten Büchernachlaß
von Leopold Schmid.

fchen Syftems. Wenn fchon den Zeitgenoffen Spinozas
das Verftändnis feiner Gedanken dadurch erfchwert war,
daß er feine Begriffe mit überlieferten Terminis bezeichnete
, in denen der langgewohnte urfprüngliche Inhalt
fchließlich doch immer wieder nachwirkt, fo fleht vollends
der heutige Menfch, der an dem fprachlich-gedanklichen
Gemeingut jener Zeit nicht Teil hat, vielem ratlos gegenüber
. Diefe Frage des Verhältniffes Spinozas zum hifto-
Gießen. q Krüeer. ' rn"cb gegebenen Sprachgebrauch, wie auch die beiden

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Goetz, Pfr. Lic: Kirche u. Religion in England. (42 S.) gr. 8°.

Berlin-Schöneberg, Proteftantifcher Schriftenvertrieb
x9i3- M. —60

Es ift eine Freude, neben der noch immer weitverbreiteten
Verkennung des religiöfen Charakters der Enganderen
, dem Lefer Spinozas fich mehr oder minder
aufdrängenden Hauptfragen: der Konfequenz der Terminologie
in feinen Werken und der Aufrichtigkeit feiner
metaphyfifch-theologifchen Ausdrucksweife erfordern daher
eine ,philologifch vorgehende Detailunterfuchung
welche die hiftorifchen Bedingungen der Termini im einzelnen
feftftellt und ihre Entwicklung in Spinozas eigenen