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Ausgabe:

1914 Nr. 9

Spalte:

260-262

Autor/Hrsg.:

Schlatter, Adolf

Titel/Untertitel:

Das Wunder in der Synagoge 1914

Rezensent:

Staerk, Willy

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Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 9.

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nach der Praxis des durch fie zu bewirkenden Zaubers,
befpricht die Perfonen der Exorziften und ihrer Auftraggeber
, die Geftalten der erwähnten Geiftwefen (Engel,
Dämonen), fchließlich das Alter der Schalen und den
Urfprung diefes eigentümlichen Zaubermittels. Mit einer
umfaffenden Literatur- und Sachkenntnis verbindet der
Verfaffer eine gute philologifche Schulung. Deshalb find
feine Überfetzungen fo zuverläffig und feine Kommentare fo
fruchtbar wie es der gegenwärtige Stand der Forfchung
nur zuläßt. Bei der Nachprüfung habe ich meine Auf-
merkfamkeit befonders den fchwierigen Stellen zugewandt,
bin aber, wie ich offen bekennen muß, meiftens nicht
weiter gekommen als der in diefer Literatur außerordentlich
gut eingelefene Verfaffer. Das rätfelhafte Epitheton
des Hermes Nr. 2,2. 27,4 bzw. Metatron (Stübe 5), sin,
das von Montgomery als ,welcher in Ja (= Jahveh) ift'
gedeutet wird (S. 123), möchte ich lieber als tozfl auf-
faffen, ein adjektivifches Attribut, das etwa dem grie-
chifchen öolioq (Preller 13 328) entfprechen mag. fiiOVX:
Nr. 29,11 könnte, falls das X auf Verfchreibung beruhte,
als hebr. rTStt (,Gebot') gelefen werden, ein Wort, das als
Gottesname zwar nicht zu belegen ift, aber immerhin denkbar
wäre. Nr. 42 ift kein Zaubertext wie alle vorhergehenden
Stücke, fondern enthält die weit verbreitete Legende
von der Begegnung des Propheten Elia mit dem weiblichen
Dämon Lilith, die gerade hingehen will, um einem
neugebornen Kinde das Blut auszulaugen. Diefer Text
beruht auf einer Abfchrift Profeffor Gottheils und foll
nach deffen Mitteilung gleichfalls von einer Schale des
Nippur-Fundes flammen. Da aber das Original aus der
Sammlung des Mufeums der Univerfität Pennfylvania an-
fcheinend verfchwunden ift, muß die Frage nach der
Herkunft einftweilen offen bleiben. Das fehr dankenswerte
Gloffar (S. 265—306) berückfichtigt auch die Wörter und
Eigennamen der fchon früher veröffentlichten Zaubertexte.
So ift diefe Ausgabe zu einem Handbuch der fernitifchen
Zauberfchalenkunde geworden und zu einer wertvollen
Grundlage für alle zukünftige Forfchung.

Gießen. Fr. Schwally.

Groot, Dr. Joh. de: Palelteijnfche Maffeben (opgerichte
Steenen). Academifch Proeffchrift. (VII, 95 S. m.
Abbildgn. u. Taf.) Groningen, J. B. Wolters 1913.

Der erfte Teil behandelt die alten Maffeben im gegenwärtigen
Paläftina. Das bereits früher entdeckte Material
ift forgfältig gefammelt und gelichtet.

Mit Recht werden die unter Nr. 24 erwähnten Steinpfeiler für
römifche Meilenfteine, die unter Nr. 30 und 35 für Überrede von Öl-
uud Weinpreffen erklärt. Neuentdeckt id, zum erdenmal befchrieben
und abgebildet wird ,die Gefpenderburg' bei Jerufalem (Nr. 38); ihre
Deutung als Maffeben wird abgelehnt, wie auch ich überzeugt bin, mit
Recht. Solche zweifelhaften Steinpfeiler, zumal wenn de in der Nähe
moderner Steinbrüche dehen, find für die wiffenfchaftliche Erkenntnis
wertlos.

Leider fehlen in diefem Katalog eine Reihe von
Steinen, die inmitten von Steinkreifen und Steinquadraten
aufgerichtet find (z. B. bei 'ejün müsa). Das Refultat ift:
Die Maffeben des gegenwärtigen Paläftina find aus-
fchließlich (falfch S. 57 ,gewoonlijk') Grabdenkmäler;
denn fie find (als Menhirs) immer mit Steinftuben (Dolmen),
Steinkreifen (Kromlechs) und Steinquadraten verbunden,
an deren fepulkraler Auffaffung nicht der geringfte Zweifel
möglich ift oder fein follte.

Der zweite Teil behandelt die Maffeben der paläfti-
nifchen Ausgrabungen.

Mit Recht wird Dur die berühmte Stelenreihe von Gezer anerkaont;
ihre Deutung muß unficher bleiben, weil der Befund keinen Auffchluß
darüber gibt. Der zweiten, angeblich gefalbten und geküßten Säule flehe
ich nach wie vor fkeptifch gegenüber. Auf ein Heiligtum weift nichts,
und von Kinderopfern kann nicht die Rede fein; vgl. jetzt auch die Ausführungen
Eduard Meyers (im ,Archäologifchen Anzeiger' 1913, 2 Sp. 80ff.).
Was die Ausgrabenden foult noch für .Maffeben' ausgegeben haben, find
einfache Bauglieder, wie de Groot richtig bemerkt hat.

Intereffant find die drei Säulen in teil es-säfi, deren
Bedeutung von Macalifter, Vincent (S. iC3ff.) u. A. völlig

verkannt ift; da fie durch untergelegte Steine auf diefelbe
Höhe gebracht worden find, müffen fie das Dach getragen
haben, wie de Groot mit Recht behauptet. Damit ift
aber, wie hinzugefügt fei, die Nachricht von Jdc. 16,25 ff.
durch die Ausgrabungen beftätigt. Unabhängig haben
v. Lichtenberg (Ägäifche Kultur S. 41, 145) und Gunkel
(Reden und Auffätze S. 52) die beiden ,Mittelfäulen' des
Dagon-Tempels zu Gaza, die von Simfon umgeftürzt
werden, aus kretifchen Vorbildern abgeleitet. Die Funde
auf Kreta find aber nicht eindeutig, und Säulen als Dachträger
find dort bisher nicht ficher nachgewiefen worden.
Vgl auch Paläftina-Jahrbuch 1909 S. 124 über Häufer im
modernen Philiftäa.

Der dritte Teil behandelt die Maffeben im Alten Teftament nach
ihrer verfchiedenen Bedeutung, der vierte ihren Urfprung und ihre Entwicklung
. Auf Grund der Tatfachen wird die von Anderen behauptete
phallifche Urbedeutung mit Recht abgelehnt. Nach de Groot galten die
aufgerichteten Steine in der früheften Zeit als Merkzeichen von Dämonen-
Wohnplätzen ; fpäter wurden fie dann zu Gottheiten in Beziehung gefetzt.
Diefe Hypothefe ift möglich und verdient Beachtung, muß aber unficher
bleiben, wie jede derartige Rekouftruktion. Das Ältefte, was man ficher
erkennen kann, ift die fepulkrale Bedeutung der Malfteine, wenigftens
auf paläftinifchem Boden.

Es ift fehr zu bedauern, daß der Verfaffer nicht auch
das babylonifche, ägyptifche und vorderorientalifche
Material überhaupt mit herangezogen hat. Da in Paläftina
Mifchkultur herrfchte, laffen fich die hiftorifchen Fragen
nur auf Grund des vollftändigen, d. h. den ganzen
vorderen Orient einfchließenden Stoffes löfen. Eine
fpezififch-paläftinifche Archäologie ift eine Halbheit. Damit
foll das Verdienft diefer Abhandlung nicht gefchmälert
werden. Die Sammlung ift, wenn auch auf befchränktem
Gebiet, forgfältig, das kritifche Urteil nüchtern und be-
fonnen und von hiftorifchem Sinn getragen. Da archäo-
logifch fo wenig gearbeitet wird, fo ift jede Vermehrung
des Materials dankbar zu begrüßen. Hoffentlich folgen
nun bald andere Sammlungen, die dringend wünfchens-
wert find, der Steinftuben, Steinkreife und Steinquadrate,
wenn möglich auf Grund fremder und eigener Beobachtungen
.

Berlin-Wertend. Hugo Greßmann.

Schlatter, Prof.D.A.: Das Wunder in der Synagoge. (Beiträge
zur Förderung chriftlicher Theologie, XVI, 1912, 5. Heft,
S.48—86). 8°. Gütersloh,C.Bertelsmann 1912. M. 1.50

Schlatters Auffatz ift die Entgegnung auf die pole-
mifchen Bemerkungen, die C. Fiebig in dem Artikel
,Die Wunder Jefu und die Wunder der Rabbinen' (Z. f.
wiff. Theol. 54. Jahrgang 1912 S. 158—179) zu deffen Ausführungen
über die Wunder Jefu (im 1. Bd. der .Theologie
des N. T.s' S. 260ff) gemacht hatte. Dort hatte Schi, die
Thefe aufgeftellt, alles das, was über wunderbare Wirkungen
der Rabbinen überliefert fei, gehe nicht über das
hinaus, was in der Kirche je und je wiederkehrt. ,Es
ftellt zwar zwifchen dem Wunderbericht und dem, was
die Zeitgenoffen Jefu denken und tun, eine fefte Verbindung
her, fchafft aber zu ihm keine Parallele'. Diefem
von Schi, behaupteten fpezififchen Charakter der Wunder
Jefu ftellte Fiebig die Thefe entgegen, der Vergleich
der Wunderberichte, die von den Rabbinen überliefert
find, mit den Wundern im Evangelium zeige gerade im
Gegenteil, daß den Großen der Synagoge diefelben wunderbaren
Kräfte, diefelbe eigenartige Macht über die
Dinge zugefprochen werde wie Jefus. Auch fie führten
ihre Krafttaten letztlich wie Jefus auf den Glauben d. h.
auf Gott zurück, diefe aber beftänden nicht bloß, wie
Schi, behaupte, in Gebetserhörungen, fondern auch in
wirklichen Heilungen und anderen direkten Eingriffen in
den Naturlauf. Es fehle hier wie dort auch nicht an
exorziftifchen Praktiken und die Frage der Gefchichtlich-
keit der erzählten Wunder fei fchließlich hier wie dort
diefelbe.

Schi, ftellt nun diefen Behauptungen Fiebigs zunächft
nochmals den literarhiftorifchen Befund gegenüber