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Ausgabe:

1914 Nr. 1

Spalte:

4

Autor/Hrsg.:

Faber, Georg

Titel/Untertitel:

Buddhistische und neutestamentliche Erzählungen 1914

Rezensent:

Oldenberg, Hermann

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Seite 1

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3

Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 1.

4

Propheten (befonders den Gefandten Gottes) und Heiligen
um ihre Hilfe d. h. Fürfprache bei Gott anflehen,
da die Hoheitsrechte Gottes dadurch nicht gefchädigt
werden. 2. Der Tote kann im Grabe fehen, hören und
den Koran rezitieren (8 unten). Beim Gräberbefuche muß
man ihm daher von der Seite feiner Füße nahen, weil
er dorthin feinen Blick gerichtet hat. 3. Man darf andere
als Gott, felbft Tote (die einem lieb find) anrufen, zu
ihnen beten (vgl. l), um ihre Fürfprache zu erhalten.
4. Durch Vermittlung der Propheten und Heiligen und in
diefem Sinne von ihnen können Wunder gewirkt werden.
Man darf die Heiligen um Hilfe bitten (vgl. 1 u. 3). Die
Propheten leben und wirken (13) in ihren Gräbern. Su-
jüti fchrieb zwei Bücher über diefe Frage. Der einzige
Wirkende im Weltall ift Gott. Die fekundären Urfachen
üben keine eigenen Funktionen aus (vgl. Afcharis Okka-
fionalismus). 5. Man darf die Gräber der Heiligen be-
fuchen, um durch fie Segen und Vermittlung zu Gott zu
erlangen. 6. Man darf fich beim Beten des Rofenkranzes bedienen
; denn dadurch will man Gott nicht etwa feine guten
Werke vorrechnen, um Anfpruch auf Belohnung zu erhalten
. 7. Man darf fich zum Beten eines Gebetsteppichs
bedienen, wenn auch das Beten auf der nackten Erde
als verdienftlicher (weil mühevoller und unbequemer)
angefehen wird. 8. Es ift an und für fich erlaubt, die
Hand eines Meifters als Achtungsbezeugung zu küffen;
denn die Handlungen müffen nach ihren Intentionen beurteilt
werden. 9. Es wird berichtet, daß vier Heilige1
fich in ihren Gräbern bewegen und wirken wie Lebende.
Diefes ift in dem Sinne richtig, daß fie von ihren Gräbern
aus Wunder wirken (vgl. Nr. 4). 10. Die myftifchen
Gloffolalien (Orakel, dunkle Ausfprüche) find vielfach
nicht tadelnswert. Sie dürfen jedoch nicht aufgefchrieben
werden, da fie für manchen einen Fallftrick bedeuten
(indem fie pantheiftifchen2 Inhaltes find).

Die (fufifche; 30,4 unt.) Lehre von der abfoluten
Einheit des Seins ift ein wefenlofes (unreales) Phantafie-
gebilde, hervorgerufen durch die Neigung zu den bekannten
Lehren, die die Inkarnation und Einheit (alles
Wirklichen) verkünden und zwar in der Weife, wie fie
einige den launifchen Einfällen (Leidenfchaften) Nachjagende
aufftellen. Sie behaupteten fodann, die Gefamtheit der
Meifter der Myftik habe diefe Theten verteidigt. Diefe
irrtümliche Vorftellung breitete fich weit aus und wandte
die Gläubigen von der wahren Philofophie und der Offenbarung
ab. Wer diefe Lehre3 annimmt (31,6) wird nach
gemeinfamer Auffaffung (der Theologen) als Ungläubiger
bezeichnet. Fälfchlich wollte man den Halläg 922 f diefer
Lehre bezichtigen. Wer jedoch (33,18) die Ausfprüche
der Sufis wörtlich glaubt, ift fchlimmer als ein Ungläubiger
und Anhänger der Trinität. Wie weit ift doch
letzterer von demjenigen entfernt, der alle erfchaffenen
Atome zu Göttern (im Pantheismus) machtl — Ein Jude
interpretierte in die Werke Arabis viele (haeretifche)
Lehren hinein. Dasfelbe ließen fich manche Gelehrte

achtenswert. Daß daneben eine geiftig höher flehende Schicht vorhanden
ift, die fich für philofophifche Fragen intereffiert, darf nicht über-
fehen werden. Sonft würde das Gefamturteil über die GeiftesverfaiTung
der slamifchen Theologen allzu ungünftig und ungerecht ausfallen.

1) Die Zahl vier hat offenbar mit der altmythologifchen der vier
Welteclten Verwandtfchaft. Als diefe Heiligen werden genannt: Manbigi
('Akil), Harrani (Haijät ibu Kais), Gfli (Gilaui, Abdalkadir) 11667 und
Ma'nSf (Karhi). 8l6f (der Prediger von Bagdad).

2) Als häretifche Lehren in diefem Sinne werden (28, 8) aufgezählt
die von der Inkarnation (Gottes in den Imamen) oder 2. der Einheit (alles
Seienden) oder 3. daß es erlaubt fei, fich (im Bewußtfein eins zu fein
mit dem göttlichen Wefen) über andere (die noch nicht zu diefer ,höch-
ften' Erkenntnis gelangt find) ftolz zu erheben'. Der Pantheismus wird
(ib Z. 11) als die Lehre von der Einheit (wahda = ittihäd Z. 8) bezeichnet

3) Sie wird 30, 2 definiert: ,Gott erfchafft (zwar) die Dinge der Welt,
ift aber mit ihnen identifch'. Die Gefetzmäßigkeiten der Weltdinge
find für das menfehliche Leben die religiöfen Pflichten. Wenn nun im
Pantheismus die Weltdinge kein befonderes Sein befitzen, fallen auch
ihre Gefetze fort und ebenfo die religiöfen Pflichten. Alles ift göttliches
Sein und Gott kann fich nicht felbft verpflichten. Daher der sufifche
Libertinismus (32 unt.).

und Fromme zu Schulden kommen. Infolgedeffen griff
man das Syftem der Myftiker an (34,3). Für uns ift der
Prüfftein der Wahrheit jedoch nur der Koran.

In treffender Weife charakterifiert daher Anbäbi
(Samsaddlen Muhammad), der den Druck diefes Werkes
von abul Hudä überwachte, feinen Meifter: ,Er war ein
Abkömmling der älteften Generation der Theologen (in
ihm lebte diefe noch fort) und ein Segen für die fpäteren
Gefchlechter, indem er Offenbarung undWiffen (,Religions-
gefetz' und myftifche Erkenntnis) in Harmonie brachte'
(die berühmteften Theologen unter den Myftikern vor
dem Vorwurf der Haerefie fchützend).

Bonn. M. Horten.

Faber, Dr. Geo.: Buddhiltifche und neuteftamentliche Erzählungen
. Das Problemihrer gegenfeit. Beeinfluffg.,unter-
fucht. (Unterfuchungen z. Neuen Teft. 4. Heft.) (70 S.)
8°. Leipzig, J. C. Hinrichs 1913. M. 2.50; geb. M. 3.50

Eine neue Behandlung des in den letzten Jahren und
Jahrzehnten fo viel befprochenen Themas, im Ganzen ver-
ftändig und befonnen, wenn auch — was wohl in der
Natur der Sache liegt — nicht eben wefentliche Fort-
fchritte bringend.

F. lehnt die Hypothefe des Einfluffes buddhiftifcher
Vorftellungen auf das Neue Teftament ab. Wer fein
Refultat annimmt, wird feine Argumentation, die Polemik
j gegen entgegengefetzte Auffaffungen doch hier und da
I von Kleinlichkeit nicht frei finden. Der Glaube an die
j Ableitung der Simeonsgefchichte aus der buddhiftifchen
| Afitaerzählung liegt mir durchaus fern. Aber prinzipiell
möchte ich doch nichts dagegen einwenden, daß der
äv&gcojtog öixaiog xal tvXaßrjg von Luc. 2,25 fehr wohl
, aus dem pancäbhijnah der buddhiftifchen angeblichen
1 Vorlage umgeformt fein könnte. Dies Wort bedeutet
I einen mit fünf übernatürlichen Kenntniffen oder Vermögen
I ausgeftatteten Weifen, alfo, fagt F., ,ein Attribut, das dem
I Nichtinder fchlechterdings unverftändlich fein mußte'.
Gewiß: wird aber nicht eben darum ein Nichtinder, der
die Gefchichte nacherzählt, das in einen feinem eigenen
Vorftellungskreis angemeffenen Ausdruck geiftiger oder
feelifcher Vollkommenheit umformen?

Über F.s Behandlung von Einzelfragen der neutefta-
mentlichen Exegefe habe ich kein Recht zu urteilen. Was
er über buddhiftifche Dinge fagt, ift nicht immer einwandfrei
. Daß fich Hlnayäna und Mahäyäna als füdliche
und nördliche Richtung des Buddhismus gegenüberftehen
(S. 3 A. 1), ift, gelinde gefagt, recht fchief ausgedrückt.
Üeber die Bezeichnung des Königs Asoka als eines Paulus
des Buddhismus (S. 17) möchte ich ebenfo urteilen. Durchaus
zu beanftanden fcheint mir die Bemerkung (S. 8):
,Gegen das Alter und die Authentie der chinefifchen Ver-
fionen verfchollener Päli- oder Sanskrittexte wird ftets die
fpäte Zeit der Überfetzung fprechen'. Betreffs des buddhiftifchen
Gegenftücks der Gefchichte vorn Quadrans der
Wittwe ift F. die große und wichtige Publikation E.Huber's,
Agvaghosa Sütralamkära traduit en frangais sur la version
chinoise de Kumärajiva (Paris 1908) entgangen (s. dort
S. 119). Daß Entlehnung diefer buddhiftifchen Erzählung
aus chriftlicher Quelle für wahrfcheinlich zu erachten fei,
möchte ich kaum einleuchtend finden.

Göttingen. H. Oldenberg.

Smith, John Merlin Powis, Ph. D., William Hayes Ward,
D. D., L. L. D., Julius A. Bewer, Ph. D.: A critical
and exegetical Commentary on Micah, Zephaniah, Nahum,
Habakkuk, Obadiah and Joel. (The International Critical
Commentary.) (XIX, 363 u. 146 S.) 8°. Edinburgh,
T.&T. Clark 1912. Geb. sh. 12.6

William Rainey Harper veröffentlichte 1905 den
erften Teil eines Kommentars zum Dodekapropheton, der