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Ausgabe:

1914 Nr. 8

Spalte:

245

Autor/Hrsg.:

Krüger, Alfred

Titel/Untertitel:

Die geschichtliche Entwicklung der Verfassung der Kirche Augsburgischer Konfession v. Elsaß-Lothringen v. 1789 - 1852 1914

Rezensent:

Adam, Joh.

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245

Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 8.

246

und da der Gegner bekanntlich immer am fchärfften fieht, | Peisker, Paft. Lic. Dr.Mart: Die Freiheit der Wiffenfchaft in

Theorie u. Praxis der römifch-katholifchen Kirche dar-
geftellt und beurteilt. (125 S.) 8°. Gütersloh, C.Bertelsmann
1912. M. 2.50

Der Verf. hat die Gefahr durchaus vermieden, mit
landläufigen Schlagworten oder von einzelnen anftößigen,
aber vielleicht vereinzelten Fällen aus gegen römifche
Geiftesknechtung loszuziehen. Nicht nur durch die ruhige,
vorfichtige Art feiner Beweisführung, fondern vor allem
dadurch, daß er zuerft fragt, ob ein feiner Kirche gehor-
famer römifch-katholifcher Gelehrter die innere Freiheit
haben könne, die zu wahrer wiffenfchaftlicher Forfchung
nötig ift, und erft dann von der äußeren Befchränkung
der Wiffenfchaft in der römifchen Kirche durch Index
und verwandte Maßregeln fpricht Bei jener erfteren
Frage zeigt P. (in Auseinanderfetzung mit Hertling, Do-
nat u. a), wie der Grundgedanke, durch deffen Erweis
katholifche Gelehrte ihre Unterwerfung unter das kirchliche
Lehramt im ganzen Umfang rechtfertigen (daß nämlich
Gott in Chriftus eine Kirche mit unfehlbarem Wahr-
heitsbefitz geftiftet habe), philofophifchen und fchwer-
ften hiftorifchen Bedenken unterliegt und die Art der hier
errichteten Autorität nicht durch Analogien gedeckt wird.
Danach wirkt dann, was er über die äußeren Zwangsmittel
fagt, mit denen die katholifche Kirche ihre Herr-
fchaft über die Seelen erhalten möchte, um fo ftärker;
fein Ergebnis ift fcharfe Ablehnung der geiftigen Scheinfreiheit
, die in der römifchen Kirche herrfcht Einzelheiten
: daß das Problem innerer Freiheit der Wiffenfchaft
Krüger, Dr. jur. Alfred: Die gefchichtliche Entwicklung der für die katholifchen Gelehrten des Mittelalters noch nicht
Verfalfung der Kirche Augsburgifcher Konfeffion v. Elfaß- exiftierte (S. 86). ift wohl zuviel behauptet; die Behand

find manche Konfequenzen des Modernismus aufgedeckt,
deren fich diefer felbft noch nicht bewußt geworden ift.

Vgl. z. B. S. 63 das über die Unficherheit der Gefühlserkenntnis Gefügte
, S. S3 die pantheiftifchen Folgerungen, fo verfehlt es dann freilich
wieder ift, den Pantheismus in einem Atem mit Atheismus zu nennen,
wie S. 59 gefchieht. Dabei fteht B. gewiß ganz auf dem rechten Flügel
feiner Kirche, aber die Xuancierungen find hier nicht allzu ftark, fofern
es fich um kirchlich unanftößige Dogmatik handelt. Es wird ja nicht
gerade jeder fo rückhaltlos der Textkritik ihre Grenze fetzen wie B.
(vgl. S. 123: ,über der hiftorifchen und philologifchen Textunterfuchung
flehen die Analogie des Glaubens, die Schrifterklärung der Väter, die
Entfeheidungen der kirchlichen Lehrautorität', oder S. 128: ,es ift eine
ausgemachte Tatfache, daß die Kirche den Sinn einer Reihe von biblifchen
Texten für jeden Katholiken feftgeftellt hat'), aber vorhanden ift diefe
Grenze darum doch. Und das Antichambrieren der katholifchen Dozenten
bei den Bifchöfen bez. wo es nicht gefchieht, die Reibung zwifchen
Bifchof und Profeffor zeigt, wie B. das Richtige getroffen hat mit feinem
Satz: ,Die Profefforen der Theologie find und bleiben ihrem Bifchof gegenüber
Untergebene und Schüler, die er zu belehren und auf dem Wege
zum Himmel zu leiten hat' (S. 13S). S. 454 wird dem Apoftel Petrus
fchon die Infallibilität zugefchrieben — völlig konfequent. Das find
Spitzen, gewiß, aber man kann fie vom Katholizismus nicht abbrechen,
höchftens zurücktreten laffen und heften Falles diffimulieren.

Der Modernismus aber — wenigftens in den Vertretern,
die die Enzyklika Pascendi treffen will — fchafft eine
ganz neue eiEenntnistEeoretifche Grundlage, die darum
auch eine ganz neue Praxis nach fich ziehen muß. Sie
macht ihn uns fympathifch, denn fie ift letztlich prote-
ftantifch, wie man päpftlicherfeits richtig fah, aber beraubt
ihn der Katholizität.

Zürich. Walther Köhler.

Lothringen v. 1789—1852. (172 S.) gr. 8°. Berlin, Ju-
riftifche Verlagsbuchh. 1913. M. 3.50; geb. M. 5 —

Zum erften Male wird hier eine zufammenhängende
Verfaffungsgefchichte der Kirche Augsburgifcher Konfeffion
im Elfaß für die wichtige Zeit von 1789 bis 1852
geboten. Anfätze dazu find von Pfarrer Schneider 1890
und von Profeffor Rud. Reuß 1906 für die Zeit der Revolution
gemacht worden, und über die kirchlichen Um-
geftaltungen im Elfaß unter Bonaparte liegen zwei treffliche
Brofchüren des verftorbenen Profeffors Lucius vor.
Darüber hinaus ftellt Krüger die Weiterentwicklung der
kirchlichen Verfaffung dar und bietet befonders ein klares
Bild der Entftehung des organifchen Dekrets von 1852
und zwar auf Grund von Parifer Dokumenten, die bisher
geheim gehalten worden waren.

Weniger zuverläffig ift die ,hiftorifche Einleitung'
(S. 16—28), die die Zeit von 1524 bis 1789 behandelt.

Es ifl auffällig, daß dem Verf., der doch in Straßburg gearbeitet
hat, die vorzügliche Abhandlung des Straßburger Archivdirektors
O. Winckelmann ,Straßburgs Verfaffung und Verwaltung im 16. Jahrhundert
' (Ztfchr. f. d. Gefch. des Oberrheins, Neue Folge, Bd. XVIII), die
gerade in bezug auf die Entftehung des Straßburger Kirchenkonvents
ganz neue, unwiderlegliche Refultate geliefert hat, völlig entgangen ift.
Außerdem find einige wichtige Stellen von Krügers gefchichtlicher Ein-
leituug nicht zutreffend. So (teilt feine Behauptung, daß das Elfaß beim
Beginn der Reformation ,dem Einfluß der franzöfifchen Reformierten
ftark ausgefetzt' gewefen fei (S. 16), die tatfschlichen Verhältniffe geradezu
auf den Kopf. Ebenfo unrichtig ift feine Meinung, daß in der Periode
von 16S3 bis 1789 ,der ftrenge und herbe Geift der orthodoxen Partei
'.ufi. r 'hrer Kirche entfremdete' und fie zum Übertritt in die
5*Ya j £e Z^S*- machte. Nicht die Orthodoxie trägt die
schuld an den Ibertritten im Elfaß, fondern der von der franzöfifchen
Regierung wurkfam unterftützte Jefuitismus.

lung des Problems, das in der Stellung der evang. Kirche
zur freien Forfchung ihrer Diener liegt, hat P. fich vertagt
; aber auf das katholifche Lehrfyftem, befonders auf
das Ineinandergreifen der offiziell behaupteten rationalen
Beweisführung für die Grundlehren und religiöfer Gefühlsmomente
, fallen intereffante Streiflichter.

Berlin. H. Mulert.

Schaeder, Prof. D.Erich: Aus Theologie u. Leben. Vorträge.
(VII, 191 S.) gr. 8°. Leipzig, A. Deichert Nachf. 1913.

M. 4 —; geb. M. 4.80

Die von Schaeder hier vereinigten zehn Vorträge
flammen aus den Jahren 1911—1913. Ein Teil von ihnen
ift im Auftrage des baltifchen St. Johannisvereins für
Innere Miffion in den größeren Städten der ruffifchen
Oftfeeprovinzen gehalten worden. Sie find, etwa mit einer
einzigen Ausnahme (Nr. 5: Heiliger Geift und Glaube),
an die Gebildeten gerichtet, die ,von dem Verlangen erfüllt
find, in der religiös-fittlichen Krife der Gegenwart zu
einer dem Leben entnommenen und dem Leben dienenden
Klarheit über entfeheidende Punkte der chriftlichen
Gefamtanfchauung zu kommen' (VI). Durch ihre Polemik
und ihre Apologetik gehören diefe Vorträge zu den fehr
beachtenswerten Zeugniflen der fog.modern-pofitiven Theologie
. ,Es ift ein Gottesfegen, daß uns der Religionsfturm
unfrer Tage alle nötigt, auf das letzte Entfeheidende im
Chriftentum zu achten. Im Hauptfächlichen geklärt, im
Tiefften geftärkt, werden wir aus diefer Krife hervor-
gehn' (53). Seine Hauptangriffe richtet Sch. gegen die
religionsgefchichtliche Richtung, die er als einfeitige Ver-
Anhano-qwffir* c,„a js • , , . „ tretung des Immanenzgedankens, des Monismus, des Evo-

kumentfau^» Befr?fht k°mmen7en-1?0" lutionismus, des gefchichtslofen Vernunft- oder Geiftes-

finneÄ u^1" ^' ?lt f?rrl,n enthufiasmus (76-77), zuweilen unter Angabe verfchiedener

Wache v£ aUf, Cm d%franzoJlfchen ! Abftufung und Nüanzierung (50. 146) mit großer Wucht

Sprache völlig kund.ger Lefer oft keinen Rat weiß. | und Sch|rfe bekämpft. ,Der ganze theologifche Glanz

Dorlisheim i. Elf. jon Adam. j und Ruhm des 19. Jahrhunderts, der in der Verknüpfung

des Glaubens mit der Gefchichte, fpeziell mit der Ge-
fchichte Jefu Chrifti lag, der ganze wirkungsvolle Anftoß,
den Schleiermacher, den nach ihm die Erlanger, die Bibli-
ziften und doch in feiner Art auch A. Ritfehl der Theologie