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Ausgabe:

1914 Nr. 8

Spalte:

235-237

Autor/Hrsg.:

Reiter, Sigofredus (Ed.)

Titel/Untertitel:

Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum. Vol. LIX, sect. II, pars I 1914

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 8.

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dem Jacobus-Brief S. 536, b verfchwinden muffen, Jac. 4, 6
neben I. Pt. 5, 5 ift immer mit Vorficht zu erwähnen, und
29, 1 geht lediglich auf I. Ptr. 1, 1; das ad dispersionem
paßt zwar auf Jac. und I. Ptr., aber ad gentes nur auf einen
der Petrusbriefe, die ja in den Überschriften zahlreicher
Codices den Zufatz ad gentes tragen.

Bei der Textrezenfion verfährt P. mit bewährter Kunft.
Es sind zahlreiche und nicht bloß geringfügige Verbeffe-
rungen, die er hat anbringen können; auch eine Reihe
ausgezeichneter Konjekturen, mindeftens 100, darunter
keine kecke, helfen zu diefem Ergebnis. Fälle, wo man
kaum ficher gehen wird, will ich hier nicht aufführen. Nur
einige wenige, wo ich ihm nicht folgen kann. 331, 27
ftellt er feiner Hdfchr. A zulieb den Satz, mit dem Am-
brofius die Erklärung von Thren. 2, 15 einleitet, fo her:
passionem salvatoris prophetans reliquit deflere Hieremias
excidium Judaeorum. Der Zufammnnhang, vollends der

mus abfichtlich feine frühere Überfetzung der Vulgata
korrigiert. Da Hieronymus feine Überfetzung mit den
LXX vergleicht, fo ift es von großer Bedeutung feftzu-
ftellen, welcher Text der LXX ihm vorlag. Reiter kommt
durch forgfältige Unterfuchung zu dem Refultat, daß
Hieronymus in der Regel die bei den lateinifchen Vätern
überlieferte Überfetzung der LXX gebraucht, bisweilen
aber auch Korrekturen an diefem Text vorgenommen
hat. Neben den LXX zieht Hieronymus auch den Text
des Aquila, Symmachus und Theodotion heran und unter -
fcheidet bei Aquila 2 Ausgaben und, wie es fcheint, auch
bei Symmachus 2 Ausgaben ihrer Überfetzungen. Was
die Zitate des Neuen Teftamentes in feinem Jeremiakom-
mentar betrifft, fo benutzt Hieronymus bald feine Überfetzung
, die Vulgata, bald die altlateinifche Überfetzung.
Eine fehr genaue Befchreibung gibt dann Reiter von den
Codices, in denen uns der Jeremiakommentar überliefert ift,

Blick auf 335, 17, fcheint mir diefen Text unmöglich zu | und die er in feiner Ausgabe benutzt hat. Er hat, da

machen; p. s. prophetari liquet, defleri ab Hieremia exc.
Jud. bietet die große Mehrheit der Zeugen mit Recht,
höchftens an prophetare liquet et deflere Hieremiam
könnte man fonft noch denken. 190, 6 ift wenigftens die
Verbefferung nicht überzeugend, devexerunt für griech.
xareßlßaoav 395, 5 auch nicht, deduxerunt — nämlich
ftatt traxerunt 378, 2 — legt die fonftige Itala-Überliefe-

ihm ein großer Reichtum von älteren Handfchriften zur
Verfügung ftand, die jüngeren Handfchriften vom 12. bis
15. Jahrhundert bei Seite gelaffen. Das Refultat feiner
fubtilen Vergleichung der einzelnen Handfchriften ift
folgendes: Reiter teilt die Codices in 5 Familien. Die
befte Handfchrift der erften Familie ift der Kodex L
(Lugudunensis 468 im neuen Katalog) aus dem 6. oder 7.

rung nahe. In den Bibelzitaten hat ein alter Schreiber | Jahrhundert. Diefen hat Reiter feiner Ausgabe zugrunde
wiederholt Stücke ausgelaffen; im Apparat I zu 432, 3 ' gelegt. Leider enthält er nur die 3 erften und die Hälfte

notiert dies auch P. 431, 14 aber hatte Ambrofius den
Vers 3, 25 wohl vollftändig ausgefchrieben, und 335, 20
ift ficher zwifchen civitas und universae terrae ausgefallen:

des vierten Buches des Jeremiakommentars, fo daß für
die 2. Hälfte des 4. Buches und die 2 letzten Bücher die
von L. abftammenden Codices O (Laudianus in der Bod-

corona gloriae et iucunditas. — Die Benutzung des Kom- j leianifchen Bibliothek Mise. 417), T (Turonensis 279) R
mentars hat P. durch die Seitentitel, z.B. 15,8—11 rechts 1 (Remensis 76), D (Coloniensis, Darmftadt 2045), L (Luguneben
links expositio psalmi CXVIII für gelegentlichen j dunensis 448), F (Marcianus) fämtlich aus dem 9. und 10.
Gebrauch erleichtert: in Zingerles Hilarius-Kommentar 1 Jahrhundert herangezogen werden müffen. Von der
findet man von S. 355—543 nur das unbarmherzige trac- zweiten Familie ift der ältefte Kodex B (Aurelianensis) aus
tatus in psalmum CXVIII! Aber P. hätte die Freude voll- j dem 7. Jahrhundert, der aber nur ein kurzes Fragment
kommen gemacht, wenn er neben die Zahl des Buch- j des Jeremiakommentars enthält, ferner gehören zu ihm
ftabens auch diefen felber, alfo neben 15 ,Samech' in ; Kodex M (Parisinus der Nationalbibliothek 1820) aus dem
Klammer gefetzt und in irgendeiner Form die Seiten- ' 8. Jahrhundert, C (Cluniacensis 41) aus dem 10. und G
zahlen der Maurinerausgabe am Rand untergebracht hätte (Parisinus der Nationalbibliothek 12153) aus dem 9. Jahr-
(wie in den Ambrofius-Texten von C. u. H. Schenkll); ! hundert. Die 3. Familie der Codices wird durch den
denn viele Alte, befonders auch Sabatier, zitieren diefen Codex A (Valentinianus 59) repräfentiert, der im Jahre
Kommentar bloß nach den hebräifchen Buchftaben oder 806 nach der Subfkription des Schreibers gefchrieben ift.
nach jenen Seitenzahlen. j Einer 4. Familie gehört der Codex V (Vercellenfis) aus dem

•wut , • TT a j tili; ti^r 10.Jahrhundert und endlich einer 5.FamiliederCodexP(Pari-

MarDurg 1. rt._Ad.juitcner. 1 sinus derNationalbibliothek 9528) aus dem 9. Jahrhundert an.

Reiter nimmt auf Grund der Verwandtfehaft von M und A

Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum. Vol. LIX.
Sancti Eusebii Hieronymi opera (sect. II, pars I):
In Hieremiam prophetam libri sex. Ree. Sigofredus
Reiter. (CXXV, 576 S.) gr. 8». Leipzig, G. Freytag
1913. M. 20 —

Nachdem von der Brieffammlung des Hieronymus
2 Bände im Wiener Corpus erfchienen find, ift der Kommentar
des Hieronymus zu Jeremia das erfte exegetifche
Werk des Kirchenvaters, das uns in einer kritifchen allen
Anforderungen gerecht werdenden Ausgabe zugänglich
gemacht wird. Es ift das letzte exetifche Werk des Hieronymus
, das 415 von ihm verfaßt in 6 Büchern 32 Kapitel
des Propheten behandelt, alfo nicht mehr vollendet wurde.
In ausführlichen Prolegomena befpricht Siegfried Reiter
zunächft die Abfaffungszeit des Werkes und den Irrtum, der
auf Caffiodor zurückgeht, daß Hieronymus in 20 Büchern
den Propheten erklärt habe. Es erklärt fleh daraus, daß
neben den 6 Büchern zum Propheten Jeremia Hieronymus
noch 14 Homilien des Origenes über Jeremia überfetzt hat.
Dann handelt Reiter von dem Text, welchen H. feinem
Kommentar zugrunde legte, es ift feine Überfetzung aus
dem Hebräifchen, die fogenannte Vulgata, die aber, wie
Reiter überzeugend nachweift, an einzelnen Stellen nach
dem aus diefem Kommentar eruierten Text der Korrektur
bedarf. An anderen Stellen hat aber auch Hierony-

einerfeits und von V und P andererfeits an, daß jede diefer
beiden Gruppen auf je einen alten Archetyp zurückgehen
. Es ift natürlich an diefem Orte nicht möglich,
auf Einzelheiten des Textes der neuen Ausgabe von
Reiter einzugehen. Ich kann nur nach Durcharbeitung
des 3. Buches des Jeremiaskommentars des Hieronymus
fagen, daß der Herausgeber nicht nur den größten Fleiß
auf die Herftellung des urfprünglichen Textes verwandt
hat, fondern daß es ihm auch mit ficherem Takt gelungen
ift, unter den von den Handfchriften dargebotenen Lesarten
die Urform feftzuftellen. Nur außerordentlich feiten war
er genötigt zu einer Konjektur zu greifen. Auch hat
er mit peinlicher Genauigkeit alle Zitate des Hieronymus
von Schriftftellen und von ihm benutzten Werken im
Apparat notiert, wobei er fleh, laut feiner Vorrede,
der wertvollen Unterftützung von Auguft Engelbrecht
erfreuen konnte. Welchen großen Fortfehritt feine Ausgabe
gegenüber der von Vallarsi bedeutet, vermag nur
der zu beurteilen, der fich mit der letzteren abgeplagt
hat, um ihrem Text bisweilen einen erträglichen Sinn
abzugewinnen.

Ich nenne nur eine Stelle als Beifpiel. Im Prolog zum 3. Buch
feines Kommentares kommt Hieronymus auf Pelagius, gegen den er in
diefem Kommentar an vielen Stellen polemisiert, zu fprechen und den er
zum Schüler des Rufin macht: S. 151 ipseque (sei. Rufinus) latiat per
Alpinum canem (sei. Pelagium), grandem et corpulentum et, qui calcibus
magis possit saevire quam dentibus. So lautet der Text von Reiter,