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Ausgabe:

1914 Nr. 6

Spalte:

181

Autor/Hrsg.:

Cohrs, Ferdinand (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte. 17. Jahrg 1914

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Seite 1

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!8i Theologifche Literaturzeitung 1914 Nr. 6. 182

Größte umfaffende" Kenntnis der Tatfachen, die der Er- , Lagarde, Paul de: Deutfcher Glaube, deutfches Vaterland,
Zählung' zugrunde liegende Sorgfalt der Forfchung oder deutfche Bildung. Das Wesentliche aus feinen Schriften
die Fülle der Gedanken, die Gefchloffenhelt der Dar- ausgewählt u. eingeleitet v. Friedrich Daab. (Sammlung

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Stellung und die dem Gegenstand fich anfchmiegende
wunderbare Sprache. Nie zuvor ift die Bedeutung der
Tat Luthers für unfer Volk und für die Entwickelung
der Welt eindrucksvoller und überzeugender zum Ausdruck
gebracht worden, und in keiner andern Darstellung
tntt uns dem entsprechend die GeStalt Luthers in ihrer
alleslüberragenden^weltgefcbichtlichen Größe fo greifbar

deutlich vor die Augen. Auf Einzelheiten einzugehen, j äöch"niemals anerkannt" worden. Der Verlag von Die-

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Diederichs, i. Bd.) (VIII, 220 S. m. 13 Tafeln.) 8°. Jena,
E. Diederichs 1913. Geb. M. 2—; in Halbfrz. M. 3.50
In einem Jahre zwei Auszüge aus Lagarde und überdies
die Widmung des zweiten Bandes von Troeltfchs
Werken an ihn — fo eindrücklich ift die fortwirkende
Bedeutung des großen Gelehrten und bedeutenden Mannes

derichs hat viel daran gefetzt, feiner Auswahl durch erstaunliche
Billigkeit und fchöne Ausstattung (z. B. auch
mit 16 trefflichen Proben germanischer Kunft) den Weg
in die weitesten Kreife der Bildung zu ebnen. Das ift
umfo dankenswerter, als Lagardes Erörterungen fich von
den meisten religiöfen Veröffentlichungen diefes Verlags
Stark unterfcheiden. Mag L. zu Gunften der allgemeinen
Religionsgefchichte oder des fpezififchen Deutfchtums am
hiftorifchen Christentum, an der Begründung der Religion
auf die Gefchichte, an religiöfen Heroen wie Paulus und
Luther noch fo viel und teilweife fehr verständnislos kritisieren
, er lebt doch ganz in der Oberwelt Gottes und

Scheint mir hier nicht angebracht zu fein. Sie würden
bei.;der Befchränktheitjdes zur Verfügung Stehenden
Raumes doch nur eine fehr wenig befriedigende Vorstellung
von dem wunderbaren Ganzen geben können.
Möge daher jeder das Werk felbft zur Hand nehmen
und 'durch deffen eifriges Studium dem Verfaffer den
Dank für feine fchöne Gabe abftatten. Sie wird ihm nicht
nur eine unerfchöpfliche Quelle reinften Genuffes fein,
fondern ihn auch, was mehr befagen will, nicht wenig in
feiner proteftantifchen Gefinnung Stärken und fördern.
Weimar. H. Virck.

hrsg. v.Ferd.Cohrs. 17.Jahrg. (IV, 259 S.) 8°. Braun-
fchweig, A. Limbach 1912. M. 5 —

In Sorgfältiger Untersuchung der bald nach 1237 zum
Zweck der Verdrängung der Grafen von Daffel aus der
Vogtei gefälfchten Urkunden des Klofters S. Blafien in
Northeim zeigtG. Wenke, daß Otto von Northeim wohl
eine Nikolauskapelle, feine Söhne aber ein Stift, das in
ein Doppelklofter umgewandelt wurde, 1097—1101 gründeten
und die Grafen von Daffel Nachkommen Ottos
waren. Einen Briefwechfel von Rhegius und Hannover
teilt j Tfchackert mit, dem Regula einen warmempfunden
Nachruf widmet, ebenfo das vom Staatsminifterium
gewünfchte, von Walch verfaßte Gutachten über die
geplante Berufung Herders nach Göttingen. Viel Neues
bietet das Lebensbild des gebildeten Jasper von Scheie,
des Reformators von Schiedehaufen, welches R. Pres-
ber lieferte. Leider find die Briefe Luthers an ihn noch
nicht gefunden. Für die Charakteristik des Bifchof Franz I.
von Münfter ift fein Empfehlungsbrief für Jafper von
Scheie und deffen Verwandten an Luther und Melanchthon
vom 2. Mai 1543 fehr zu beachten. W. Merz weift nach,
daß die Konkordienformel im Herzogtum Verden bald,
aber im Herzogtum Bremen erft unter fchwedifcher Herrfchaft
Geltung erlangte. P. Althaus fetzt feine Mitteilungen
aus D. Molanus Vifitationsakten in der Infpektion
Münden 1675 fort. Sie werfen Schlaglichter auf das kirchliche
Leben, Gottesdienft- und Abendmahlsbefuch, auf
das Schulleben, den Unterrichtsgang, Schulbefuch etc.,
Volksfitten, z. B. das Ofterfeuer. P. Gr äff gibt ein Charakterbild
von Chr. Fr. Knorr, der mit 29 Jahren Superintendent
und bald darauf Generalfuperintendent wurde,
ein Mann des Übergangs von der Orthodoxie zum Pietismus
, der in Pfarrkonventen die ministri anregte und bildete.
Dabei fällt auch einiges Licht auf Huthmann, Damius und
das Hohnfteinifche Gefangbuch. Ein Stück Liebestätig-
a GüntherrtfetZUng verdient' &ibt fur das 17-Jahrhundert
die belV.rim^1! ^°«e' wie das A<"' des Kelterborn und Protten S. 107,
in den Akten effi7e?ne feWen' B"«h= S. 122, Gumpen S. 129 Sollten

Stuttgart. G. Boffert.

keit in den Mittelpunkt aller Bildung, ja aller Gefchichte;
und er Steht auf der Höhe der Wifienfchaft, zum mindesten
ihrer hiftorifchen Gebiete. Wir können nur wünfchen,
daß in der Gemeinde der Diederichsfchen Autoren diefe
Züge noch mehr Kraft und Verbreitung gewinnen. Was
hier einen L. empfiehlt, ift fein Kampf gegen die überlieferte
Stellung gefchichtlicher Größen im Christentum
fowie fein Drängen auf engere Verbindung von religiöfer
und deutfch-nationaler Gefinnung; fchon das erfte Heft
des vorigen, Stark erweiterten Jahrgangs der Hornefferfchen
Zeitfchrift ,Die Tat' hat gerade deshalb die Aufmerksamkeit
auf ihn gelenkt. Tatfächlich find ein fpezififch deutfcher
, von der Laft der Gefchichte befreiter Glaube und
ein frommes Deutfchtum für L. früher als für andere die
höchsten Ziele der Sehnfucht gewefen. Freilich hat er
auch gefehen, daß eine Solche Verbindung fich nicht
künftlich Schaffen läßt, fondern aus den Taten Gottes mit
unferm Volk erwachfen muß; ob wohl der Gottesglaube
des Sonstigen religiöfen Nationalismus diefelbe Lebendigkeit
gewinnen wird? Übrigens ift das individuelle und
nationale Lebensideal L.s merkwürdig unmodern; mit modernen
Auffaffungen (f. Rohrbachs .Deutfchen Gedanken
in der Welt') verglichen, führt es in die Romantik zurück;
von einer religiöfen oder überhaupt inneren Durchdringung
des neuen, Stark industrialisierten Deutfchland oder feiner
univerfalen Bedeutung (etwa für die Weltkultur und Weltpolitik
) ift nirgends die Rede — und doch hätte eine
wirklich profetifche Natur auch in den 70er und 80er Jahren
des 19. Jahrhunderts fehr wohl diefe Aufgabe anfaffen
können. Damit find wenigstens einige von den Schranken
angedeutet, die der Wirkfamkeit L.s in der Gegenwart
entgegenstehen; andere Vertreter derfelben Tendenzen
find erheblich freier davon. Glaube ich deshalb nicht an
eine allzu große Verbreitung des Daabfchen Buches, fo
muß der Theologe fich doch freuen, immer aufs neue vor
gewiffe Probleme geftellt zu werden. Für eine Aufgabe
wie die, das religiöfe Verhältnis des Menfchen zu Gott
einerfeits in feiner vollen Unmittelbarkeit und anderfeits
in feiner Beziehung zum nationalen Gefühl zu erfaffen,
können wir gar nicht genug Anregungen empfangen; wir
müffen für jede dankbar fein, auch wenn wir felbft die
Probleme ganz anders zu löfen Suchen werden. Daab
Stellt glücklicherweife das Befte an Anfang und Ende,
nämlich die Abfchnitte über deutfchen Glauben und deutfche
Bildung; nur hätte der in der Mitte lagernde Ab-
fchnitt .Deutfches Vaterland' (100 Seiten!) kürzer gehalten
und dadurch von vielem entlaftet werden Sollen, was allzu
Stark an die Schranken L.s in der Würdigung der Ge-