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Ausgabe:

1913

Spalte:

165-166

Autor/Hrsg.:

Linde, Richard

Titel/Untertitel:

Alte Kulturstätten. Bilder aus Ägypten, Palästina und Griechenland 1913

Rezensent:

Guthe, Hermann

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 6.

166

feine Ableitung aus jüdifcher Spekulation allein nicht durchführbar.
(Vgl. bef. gegenüber Schwartz a. O. 555 f. Wendland 223, 1 und jetzt
insbef. auch Norden, Agnoflos Theos S. 348 ff.)

Wenn es Bonhöffer auch nicht fagt, fo erfcheint mir
doch als die wichtigfte Grunderkenntnis, die fich aufs
neue aus feinem Buch ergibt, die, daß im Grunde das
neuteftamentliche Chriftentum und die Stoa —
trotz aller Ähnlichkeiten und Anklänge — völlig in-
kommenfurable Größen find. Das gilt auch für
Epiktet und die Religion Jefu.

Bergedorf b. Hamburg. Wilhelm Capelle.

Linde, Prof. Dr. Richard: Alte Kulturftätten. Bilder aus
Ägypten, Paläftina und Griechenland. Mit 8 Einfchalt-
bildern und 113 Textabbildungen nach Aufnahmen
des Verfaffers. (VIII, 212 S.) Lex. 8°. Bielefeld, Vel-
hagen & Klafing 1911. Geb. M. 12 —

Das Buch hat fein eigentümliches Gepräge. In der
Regel find es Philologen, Archäologen, Hiftoriker und
Theologen, die uns von ihren Reifen nach dem vorderen
Orient erzählen; hier redet ein Geograph zu uns, der die
Eindrücke der Landfchaft, der Ruinen, der bewohnten
Orte und der Menfchen, die er gefehen, in fchöner und
anziehender Sprache vorführt. Der Verf. reifte in den
erften drei Monaten des Jahres 1909 und befuchte zuerft
Ägypten bis zur Nilinfel Philä, dann Paläftina bis nach
Damaskus, darauf Smyrna und Ephefus, zuletzt Griechenland
bis Korfu und zur Peloponnefos. Er ift mit Erfolg
bemüht, die Dinge, die er im hellen Schein der Sonne
oder unter dem leuchtenden Sternenhimmel des Oftens,
im Schatten der Wolken, im Dunft des Nebels oder am
Strande des blinkenden Meeres beobachtet hat, in an-
fchaulichen Bildern zu befchreiben, und er erreicht das,
indem er bekannte Eindrücke aus feiner Heimat, der
norddeutfehen Tiefebene, und aus den deutfehen Grenzländern
heranzieht, um auf Ähnlichkeiten und Unter-
fchiede aufmerkfam zu machen. So vergleicht er z. B.
S. 50—58 die Wüftenmarfch des Niltales mit der Marfch
an der Nordfeeküfte, die dortige Geeft mit den kahlen
Felswänden Ägyptens neben dem grünen Saatland. Die
fchmalen Kamelpfade der ägyptifchen Wüfte erinnern
ihn in ihren fonderbaren Schlangenlinien an die feltfamen
alten Wegfpuren in der Lüneburger Heide, die Bilder
in den Gräbern der Würdenträger eines Pharao an das
Treiben auf dem Hofe eines Marfchbauern. Auch den
Gegenden, die fpärlicher von der Natur bedacht find, I
wie Paläftina und Attika, weiß er in Gedanken an ihre
Gefchichte charakteriftifche Merkmale abzugewinnen.
.Man verfteht manchmal nicht, was die Maler vom heiligen
Lande fagen .... Und doch gibt es vielleicht keine
Landfchaft, die mehr paßte für ein Land, das das heilige
heißt, als diefe mit ihren herben ftilifierten Linien. Feierlicheres
als diefe fonnenbeleuchteten weißen Rundhügel
mit den grauen Olivenwäldern kann es wahrhaftig in
Form und Farbe nicht geben' (S. 86). Der Verf. hat
ftets in offener Lernbegierde gefchaut und das Gefchaute
in liebevoller Erinnerung niedergeschrieben.

Im großen und ganzen verdient die Schrift auch
das Lob der Zuverläffigkeit, am meiften in den Ab-
fchnitten über Griechenland, wie mir fcheint. Am häu-
figften finden fich Unrichtigkeiten in den Schilderungen
der Orte Paläftinas.

S. 82 fällt der feltfame Satz auf: ,Mai heißt Kloßer auf arabifch,
Mar Saba alfo Kloßer des heiligen Sabbas, der hier 483 eine Lawra,
ein Mutterkloßer gründete'. Ob der Verf. das von feinem ,graubärtigen
Mukari Haffan' erfahren hat? Mar heißt nach dem Aramäifchen bekanntlich
.Herr, Heiliger', Mar Saba alfo der Heilige Sabas, und Lawra I
ift eine Einfiedlergenoffeufchaft. Statt .Omarmofchee' S. 94 1. Felfen-
dom, der nicht aus dem 9. Jahrhundert (S. 98) ßammt, fondern aus dem
7. Jahrb.. Daß noch heute wie vor Jahrtaufenden am Bairamfefte I
warmes Widderblut in die Blutrinne des heiligen Felfens hinabfließt I
(S. 98), muß auf einem Mißverßänduis beruhen. Die Vorgänge an der !
Klagemauer fchätzt der Verf. reichlich hoch ein, und einen Nathan den
Weifen, diefe Geftalt einer rein abendländifchen Bildung, unter den

dortigen Juden zu fuchen (S. 122), ift ein Irrtum. Eine .deutfehe Kolonie
Kaiferßaden' (S. 123) gibt es bei Haifa nicht; unfere Landsleute nennen
den für den Befuch des Kaifers 1898 gebauten 1 andungspfeiler ,Kaiferßaden
'. Daß ,die Kreuzfahrer den Kaifer mit dem roten Bart in Tyrus
begraben' haben (S. 123), follte man nach den 1879 darüber geführteu
ausführlichen Verhandlungen heute doch nicht mehr lefen.

Aber es widerfpräche durchaus dem Genuß, den
mir das Lefen des Buches bereitet hat, wenn ich diefe
Ausftellungen noch weiter fortfetzen wollte. Zum Schluß
will ich vielmehr ausdrücklich hervorheben, daß das
wohlerwogene Urteil über das Unwefen gewiffer kirchlicher
Gebräuche und Legenden in Jerusalem, S. 78 f.,
durchaus das Richtige trifft und daß die zahlreichen
fchönen Abbildungen nach Aufnahmen des Verf. in Auswahl
und Ausführung ein ganz befonderes Lob verdienen.

Leipzig. Guthe.

Katwijk, D. I. van: De Prophetie van Habakkuk. Academifch
Proeffchrift. (XVI, 204 S.) gr. 8°. Rotterdam, T. de
Vries 1912.

Diefer zur Erlangung des theologifchen Doktorgrades
an der freien Univerfität in Amfterdam verfaßte Kommentar
ift ein neuer Verfuch, das Buch Habakuk als Einheit
zu begreifen. K. berührt fich mit Duhm darin, daß auch
er in dem Buch fechs bezw. vier Stücke fieht, welche in
richtiger Reihenfolge erhalten und von dem Proph. felbft
aufgezeichnet find. Das Buch beginnt 1,2—4 mit der
Klage des Propheten über das Unrecht, das in Juda ge-
fchieht, an die fich gewiffermaßen als Antwort in v. 5—11
die Offenbarung von den zur Strafe gefandten Chaldäern
fchließt. Die Klage in 1,4 fowie die Art, wie die Chal-
däer befchrieben werden, weifen uns in die Zeit vor der
Schlacht von Karkemifch 605 vgl. Jer. 25,1 ff.

r, 12—17 bringt die Klage über die Chaldäer, die zwar
vonGott als Geißel beftellt find, aber in ihrem Hochmut, der
fich felbft zum Gott macht, die ihnen zugewiefene Aufgabe
überfchreiten. Das wird Jahve geklagt, aber fo, daß nicht
fowohl die Handlungen als die Gefinnung der Chaldäer
den eigentlichen Inhalt der Klage bilden. So wird das
Problem, das Hab. fchon vor dem Auftreten der Chaldäer
kennt, durch fie aufs Äußerfte zugefpitzt. Kap. 2,2—4
gibt die Antwort Jahves: Der Proph. foll ruhig fein im
Vertrauen auf Jahve und ausfehauen auf feine Löfung am
Ende der Tage. Diefes Stück 1,12—2,4 gehört nach K.
in die drei Jahre der Abhängigkeit Jojakims von Nebu-
kadnezar 600—597: diefe Verfe fetzen des Neb. Kriegszüge
und feine Unterwerfung verfchiedener Völker feit feiner
Thronbefteigung voraus.

Der Proph. zeichnete beide Orakel 1,5—11 und 2,2—4
auf, aber fo, daß er die Klagen, worauf fie die Antwort
geben, als ein Ganzes mit ihnen verband. Die Weherufe
2,5—20 nehmen auf den erften Teil des Spruches in 2,4
(4a) bezug, während der Hymnus c. 3 fich an den zweiten
Teil von 2,4(40) anfchließt. In ihm gibt die Gemeinde,
als deren Vertreter Hab. erfcheint, von dem in ihr lebendigen
Glauben Zeugnis.

Hab. felbft hat diefe verfchiedenen Stücke zu unferm
Buch vereinigt und zwar folgert K. aus 3, 17 daß das 597
gefchehen ift, doch ift nicht klar zu fehen, ob das vor
oder nach der Einnahme Jerufalems und der Exilierung
Jojakims gefchehen ift, K. ift eher geneigt fich für den
letzteren Zeitpunkt zu entfeheiden. Es läßt fich nicht
leugnen daß diefer Löfungsverfuch K.'s vor dem Duhms
das voraus hat, daß K. nicht auf zweifelhafte bezw. erft
durch Konjektur gewonnene Stellen, fondern auf den auch
durch die älteften Textzeugen gekannten MT fich ftützt;
man wird auch zugeben müffen, daß K. beffer als z. B.
König u. a. dem Sinne des Textes gerecht wird. Aber
fo fehr ich das auch anerkenne, fo wenig fcheint mir hier
das letzte Wort gefprochen. Das gilt fowohl von dem
literarkritifchen wie dem exegetifchen Teil der Arbeit.
Es ift doch fchließlich nur Advokatenkunft, wenn K. den
Zufammenhang von 2, 5 ff und c. 3 mite. 1,2—2,4 durch