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Ausgabe:

1913 Nr. 4

Spalte:

110-111

Autor/Hrsg.:

Cohrs, Ferdinand (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte. 16. Jahrg 1913

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 4.

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Über die Art der Wertfehätzung mittelalterlicher bar unbekannt geblieben find. Hatte fie die von J. Ficker
Uebestätigkeit wollen wir mit dem Verfaffer nicht rechten. ; 1908 herausgegebene Vorlefung Luthers zum komerbnef
Er gibt felbft zu (S. 152), daß das Motiv der ,Heilsver- aus den Jahren 1515-1516 verwertet, fo wäre fie fchwer-
dienftlichkeit' das weniger vollkommene fei. Wer wollte lieh zu dem zwar fehr gefchickt und geiftreich vorge-
ihm abftreiten, daß es darum doch zu allen Zeiten unter ! tragenen, aber aus den Urkunden nicht zu belegenden Erden
Motiven zur Liebestätigkeit eine große Rolle gefpielt gebnis gelangt. Es erhellt vielmehr aus jener für die
hat! Aber freilich war die .werkheilige' Auffaffung im ' Genefis der rehgiöfen Gedankenwelt des Reformators fo
Mittelalter nicht nur ,ein etwaiger Mißbrauch Einzelner', , wichtigen Schritt, daß das Verhältnis umzukehren ift:
fondern die Motive der .Verdienftlichkeit' fpielten eine Luthers erfte literanfche Arbeit die Herausgabe der
große Rolle, nicht immer nur als Stütze fondern oft genug Deutfchen Theologie, ift die Frucht der Romerbriefvor-
als Erfatz für die höheren Motive. Das darf uns aber lefung ... , . , n. . ft „

nicht abhalten, den hohen Wert diefer mittelalterlichen Doch wir brechen hier ab Die Aufteilung, zu

Liebestätigkeit anzuerkennen, und auch folcher hiftorifchen welcher fich wohl noch andere hinzufugen ließen, be-
Darftellung wie der hier gebotenen dankbar zu fein. einträchtigt nicht den Wert der hier zur Anzeige ge-

ö ö n . brachten Schritt, die als specimen eruditionis die ihr zu

Greifswald. Ed. von der Goltz. Teij gewordene Anerkennung durchaus verdient.

Straßburg i. E. P. L o b ftei n.

Windstoss»r, Dr.Marie: Etüde sur la.Theologiegermanique'. 1

Suivie d'une traduetion frangaise faite sur les editions
originales de 1516 et de 1518. (XI, 218 S.) gr. 8».
Paris, F. Alcan (1912). 5 —

Diefe der philofophifchen Fakultät zu Paris vorgelegte
und in öffentlichem Kolloquium verteidigte Differ-
tation hat der Verfafferin die höchfte akademifche Würde
eingebracht. Die gründliche Gelehrfamkeit, die allfeitige
Beherrfchung der einfehlägigen Literatur, die fcharf-
finnige Kritik und das eingehende Verftändnis, das diefe
Ünterfuchung auszeichnet, rechtfertigen zweifellos die der
Sorbonner Doktorin erwiefene Ehre. Ihre Schrift zerfällt
in zwei Teile. Der erfte (1 —123) ift eine umfaffende
bibliographifche, hiftorifch-kritifche und religionsphilofo-
Phifche Einführung in das Büchlein. Das den Handschriften
, den Ausgaben, denÜberfetzungen und Kommentaren
der .Deutfchen Theologie' gewidmete Kapitel
l~29) ift der Ertrag forgfältiger Forfchungen und
längerer Reifen in Deutfchland, Frankreich, England,
Holland und Belgien, deren Bibliotheken dem Fleiß und
der Ausdauer der Verfafferin in liberaler Weife ihre
bchätze erfchloffen. Freilich haben die Unterfuchungen
über den Verfaffer und die Kreife, denen er anzugehören
'cheint, kein pofitives Ergebnis abgeworfen. DJe nun
tolr—

Agenden Kapitel gelten dem Lehrgehalt, den Quellen
nd den religiöfen, theologifchen und philofophifchen
jvachwirkungen der Schrift (30—123). — Der zweite Teil
ringt eine franzöfifche Überfetzung des Traktats mit
u§Tundelegung der beiden von Luther beforgten Ausgaben
von 1516 und 1518. Seit Poirets in Amfterdam
!"} Jahre 1750 erfchienener Überfetzung war das Büch-
,e.in nicht mehr ins Franzöfifche übertragen worden. Durch
le Stichproben, die ich angefleht, habe ich mich von der
enauigkeit und Zuverläffigkeit diefer Arbeit überzeugen
onnen, obgleich man im Einzelnen über den Sinn
jn.ancher Stellen fchwanken mag. — Die reichhaltige Ein-
eitung berührt eine Fülle von hiftorifchen, philofophifchen
n°j religiöfen Problemen, die zu fruchtbaren Ausein-
amderfetzungen Anlaß geben könnten. Da es unmöglich
t, in eine umfaffendere Diskuffion einzutreten, fei es geltet
, nur auf einen Punkt näher einzugehen. Die Ver-
a'fenn nimmt an, daß Luther durch den Traktat ,von
er deutfchen Theologie' zum Studium des Paulus ge-
uhrt wurde; fie fucht diefen Zufammenhang durch innere,
us dem Büchlein felbft gefchöpfte Gründe darzutun und
el«uftellen; fie macht auf die Berührungspunkte, die
li^ der pauünifchen Myftik und dem mittelalterchen
Werke beftehen, angelegentlich aufmerkfam; fchließ-
du heTrtritt fle in zuverfichtlichem Tone den Satz, daß
Bin utners Vermittelung die .Deutfche Theologie' zur
d- dung des Proteftantismus beigetragen hat. — Faßt man
e zuletzt angeführte Ausfage in ihrer Allgemeinheit,
wird man fie gelten laffen können. Dagegen gewinnt
vorangehende Kombination doch ein andres Geficht,
venn man Quellen heranzieht, die der Verfafferin offen-

Zeitlchrift der Gefelllchaft für niederfächfifche Kirchengelchichte,

unter Mitwirkg. v. Ph. Meyer u. P. Tfchackert hrsg.
v. F. Cohrs. 16.Jahrg. (IV, 323 S.) gr. 8°. Braunfchweig,
A.Limbach 1911. M. 5 —

Der neue Jahrgang enthält neben kleineren Sachen
einige auch außerhalb Niederfachfens beachtenswerte Arbeiten
. Die jüngere Ebftorfer Liederhandfchrift erweift
Möllenkamp als Sammlung der Domina Lucia Appel
aus der Zeit um 1620. Sie entnahm ihre 81 Stücke
größtenteils Schriften des Stader Predigers Wöpfe. An
Mathefius Sarepta reihen fich Peter Eichholz .Geiftliches
Bergwerk 1655' und Joh. Friedrich Suchlands .Allegorifche
und HiftorifcheBefchreibung des ganzen Bergwerks 1687'
an. Günther in Clausthal zeigt, daß hier nicht nur für
die Gefchichte des Bergbaues Goldkörner neben Schlacken
ftecken, wie z. B. das Gebet um göttlichen Segen zum
Bergwerk. Mit den Akten der Generalvifitation von Molanus
1675 in der Infpektion Münden beginnt P. Althaus, indem
er zunächft die Anlagen der Protokolle, dieBefchwerde-
fchriften der Paftoren, Lehrer, Gemeinden und Kirchväter
mitteilt. Wir tun Blicke in die Volksfitten und
Volksfittlichkeit. Das Kirchenregiment ringt mit den lokalen
Gewalten und den Vorurteilen des Volkes; der
Katechismusunterricht, der regelmäßige Schulbefuch, die
pünktliche Abgabe von Schuldigkeiten begegnet Schwierigkeiten
. Der Bauernftolz meint: Hirten, Schweine und
Schulmeifter find eins wie das andere zu achten. Die für
die neuere und neuefteKirchengefchichte ergiebigen Lebensund
Charakterbilder der Generalfuperintendenten fetzt Rud.
Steinmetz fort. Diesmal behandelt er die von Hoya-
Diepholz 1743—1903, fchickt aber einen Überblick über
die politifchen und kirchlichen Verhältniffe, die Reformation
und die Zuftände nach dem dreißigjährigen Krieg voraus.
Die dunkle Frage, ob Hoya-Diepholz 1707—1723 nur unter
dem Konfiftorium ftand, wird fich doch aus den Regiftra-
turen der Superintendenten und den Rechnungen über
die Koften der Pfi'nführung derfelben beantworten. Die
Rechnungen find noch lange nicht genug in ihrem Quellenwert
erkannt. Aus dem reichen Inhalt fei hervorgehoben
König, der jetzt als Hauptbearbeiter des Gefangbuchs
von 1790 nachgewiefen ift, Koppe, ein hochachtbarer Vertreter
der Aufklärung, der 1783 noch zum Prediger ordiniert
wurde, als er nach Gotha berufen wurde und doch
fchon feit i778Univerfitätsprediger war, Achaz Holfcher,
der 1791 eine theologifche Lefegefellfchaft in Münden begründete
, während am 6. Dez. 1791 in Württemberg die Errichtung
einer folchen für die Fortbildung der Pfarrer wichtigen
Anftalt verordnet wurde. Gab Holfcher für Württemberg
den Anftoß, oder waren beide durch eine dritte
Autorität beeinflußt? 1800—1805 gab Holfcher ein ,prak-
tifches Handbuch für Ephoral- und kirchliche Gefchäfte'
heraus, das heute noch in manchen Stücken Beachtung
verdient. Trefflich fchildert er die Fehler der Einführungs-