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Ausgabe:

1913

Spalte:

102-104

Autor/Hrsg.:

Braig u. a., Karl

Titel/Untertitel:

Jesus Christus. Apologetische Vorträge auf dem II. theologischen Hochschulkursus zu Freiburg im Breisgau im Oktober 1908 gehalten. 2., verb. Aufl 1913

Rezensent:

Hoffmann, Richard Adolf

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 4.

102

Paffa ift nach B. vorkananitifchen und vormofaifchen
Urfprungs, ein außerjahwiftifches lunares Hirtenfeft. Der
Name ncE bedeutet wahrfcheinlich ,Widderfprung'. P. war
alfo wohl urfprünglich ein Fett, daß die Mehrung der
Fruchtbarkeit der Herden zum Zweck hatte und gehört
zu den primitiven Fruchtbarkeitsriten. Der mit P. verbundene
Blutritus ift vielleicht urfprünglich gar kein Pafia-
ritus, fondern einer der vielen primitiven Frühlingsbräuche,

ein Blutzauber zum Schutze von Haus und Herde. Auch Apologetifche Vorträge auf dem EL. theo

der Genuß von Bitterkrautern konnte ein folcher pnmitivei | JT ,r, „ r r- ■. . ^ .

Kultur zum Trotz, in Israel behauptet und ,der ungezügelte
Freiheits- und Herrfchaftsdrang Israels fchließlich zum
Raffenkult verfchärft' (S. 43), fo kann Ref. darin nur ein
totales Mißverftändnis des Geiftes der israelitifch-jüdifchen
Religion fehen, das wohl nicht ganz frei ift von antifemi-
tifcher Tendenz.

Jena. W. Staerk.

Frühlingsbrauch fein. Die Maffoth haben mit P. von
Haus aus nichts zu fchaffen.

Allmählich ift P. in den Jahwekult herübergenommen
worden. So wurde es zum erften der .Bauernfefte' auf

logifchen Hochfchulkurfus zu Freiburg im Breisgau
im Oktober 1908 gehalten von Karl Braig, Gerhard
Effer, Gottfried Hoberg, Corn. Krieg, Simon Weber,

»uiuen. 00 wurae es zum enten der ,ßauernieue- aui i Proff. DD. 2. verb. Aufl. (VIII, 582 S.) gr. 8°. Freiburg

judäifchem Boden, während im Norden das Maffothfeft . „ tt_i------- - ■ - -

diefe Stelle einnahm. Nach kananitifchem Vorbilde hat es
wohl die Bedeutung eines Getreidefühnopfers angenommen.

Durch D ift Paffa von den Privatheiligtümern an das
y<ationalheiligtum verlegt und zu einem kirchlichen Er-
innerungsfeft gemacht worden. Ezechiel, der Kalendermacher
des Judentums (!), hat es zeitlich fixiert, zum Buß-
feft und Gemeindeopfer gemacht und mit dem alten

i. B., Herder 1911. M. 6.50; geb. M. 7.70

Das Buch wird eröffnet durch zwei Vorträge Hobergs
über den gefchichtlichen Charakter der vier
Evangelien (S. 1—42). Es folgen drei Beiträge von
Simon Weber: Die Gottheit Jefu im Zeugnis der
heiligen Schrift (S. 43—116). Sodann läßt fleh Braig
aus überjefus Chriftus außerhalb der katholifchen Kirche

agrarifchen Maffothfeft verfchmolzen. Jetzt ift es ,eine ! im neunzehntenjahrhundert (S. 117—342). Hier werden
abftrakte Kirchenfeier ohne gefchichtlichen Inhalt'. Der u.a. in einem einführenden Auffatze Jofeph Schnitzers
damit verbundene Blutritus bringt diefelbe Idee zum Beftreitung der Echtheit von Matth. 16,17 ff und Hugo
Ausdruck wie bei J Ex. I2,2iff. und P Ex. I2,7ff. Das Kochs Studie: Cyprian und der römifche Primat befprochen.

Blut tötet alle Unreinheitsbazillen, gibt dem Inhaber
des Tempels neue Lebenskraft (!) und macht ihn ftark
zum Schutze feines Volkes.

Bei P tritt wieder die gefchichtliche Beziehung ftark
hervor, auch hat Paffah hier eine gewiffe Selbftändigkeit
innerhalb des Doppelfeftes Paffa-Maffoth. ,Zum Siege
gelangt ift eine aus dem Programm Ezechiels und P Ex. 12
gemifchte Praxis. Auf Ezechiel geht Zeit und Ort, auf
* befonders Art und Sinn der Feier zurück'. Paffah,
aas alte Inventarftück des Nomadismus (sie!), hat fleh der
Kultur zum Trotz behauptet.

Auf Ezech. und P geht auch im wefentlichen der
Klerikale Zug des fpäteren Paffafeftes zurück. In die Zeit
nach 100 v. Chr. fällt die minutiöfe rituelle Ausgeftaltung

Das chriftologifche Dogma unter Berückfichtigung
der dogmengefchichtlichen Entwicklung behandelt Effer
in vier Vorträgen S. 343—438, und der inzwifchen ver-
ftorbene Krieg fuchtjefum als die Wahrheit, den Weg
und das Leben zu zeichnen, S. 439—506. Anhangsweife
fpricht dann zur Modernismusfrage noch Hoberg über
Syllabus und Enzyklika Pius' X und die Bibel
S. 507 — 522, und Braig behandelt das Thema: Wie forgt
die Enzyklika gegen den Modernismus für die Reinerhaltung
der chriftlich-kirchlichen Lehre?

s. 523-577- .

Die Vorträge hinterlaffen einen zwiefpältigen Eindruck.
Manch warm empfundenes, treffliches Wort zur Ehre
Chrifti tritt uns hier entgegen, wie z. B. in den das rein

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es Feftes. Helleniftifcher Einfluß zeigt fleh im Weingenuß Religiöfe gut herausarbeitenden Beiträgen Kriegs. Wir
eim Paffamahl, wohl auch im Bekränzen des Paffabechers i finden in dem Buche manch berechtigte Kritik an

Und im Gebrauch der fauren Fefttunke (nenn), vielleicht
a«ch in den Paffagefprächen.

Was B. in dem kurzen Abriß bietet, ift nach des
Ref. Meinung überwiegend literarkritifche und religions-
gefchichtliche Konftruktion. In den at Quellen hat es
Jedenfalls keinen Anhalt, daß dem uralten Paffafeft erft
von D eine gefchichtliche Tendenz untergelegt und daß
e? erft von Ezechiel mit Maffoth verfchmolzen worden
'ft; daß Ez. kein Paffamahl kenne (nicht erwähnen und
nicht kennen ift zweierlei!) und daß bei ihm die Mafien
^as Hauptmerkmal des fiebentägigen Feftes find.
r;ber den urfprünglichen Sinn von Paffah kann man ja
'weiten, aber die von B. gebotene Erklärung als ,Widder-
'Prung' ift vöHig unmöglich. B. beruft fich für diefe
Bedeutung von HOB aufjef. 31,5. wo pa neben MDB fteht
nnd fchreibt: ,Ex. 12,13 fpringt (HCBl) Jahwe vor oder
aaf die Haustüren der Israeliten und läßt den Verderber
mcht hinein'. Den logifchen Zufammenhang verftehe ich
nicht Jef. 31,5 kann HOB nur ,verfchonen' heißen. Über
°je Grundbedeutung der Wurzel HOB ift aus diefer Stelle
garnichts zu entnehmen. Oder foll etwa pj in fexuellem
•sinne verftanden werden?

h'fl- 'unares Hirtenfeft wird Paffa allerdings aus vor-
nutorifcher nomadifcher Periode der hebräifchen Stämme
n die Jahwereligion herübergenommen, aber wie faft alle
[^'igios-kultifchen Refte diefer vorjahwiftifchen Stufe aufs
warkfte von dem geiftig-fittlichen Charakter des Glaubens

n den Weltgott Jahwe umgeprägt worden fein. Das zeigt
je: früh einfetzende heilsgefchichtliche Beziehung von

alia. Wenn B. demgegenüber fich auf die Thefe kapri-
z'ert, in dem Paffafeft habe fich der ,Nomadismus'(!), der

den Zeitftrömungen modernen Denkens, mit feiner Über-
fpannung des Immanenzftandpunktes und Unterfchätzung
des Erkenntnismomentes, das allem gefunden religiöfen
Leben innewohnen muß. Im Anfchluß an die Enzyklika
pascendi wird das Studium der Philofophie, insbef. der
des Thomas von Aquino empfohlen, wenn die letztere
auch nach Braig keine Autoritätsphilofophie im ftrengen
Sinne des Wortes fein foll (vgl. S. 553). In ihrem Wertlegen
auf rationale Erkenntnis verfallen unfere katholifchen
Kritiker freilich vielfach in große Einfeitigkeit, fofern fie
für das Gefühlsmäßige und Voluntariftifche im proteftan-
tifchen Glaubensleben kein rechtes Verftändnis zeigen. Und
doch wird der religiöfe Glaube immer bis zu einem ge-
wiffen Grade ein .Wagnis' bleiben. Denn das Göttliche
läßt fich als Göttliches niemals ganz rational vom Menfchen
einfpannen, wie denn auch in den vorliegenden Vorträgen
die ftarke Betonung vernunftgemäßer Erkenntnis auf gute
logifche Gründe hin an einem beftimmten Punkte in einen
ftarken Suprarationalismus, um nicht zu fagen Irrationalismus
umfehlägt. Das zeigt fich am deutlichften in der
Verteidigung der alten Form der Zweinaturenlehre, die
nun doch einmal, auch trotz des glänzenden Pathos, mit
dem Effer für fie eintritt, ein verlorener Porten ift. Denn
keine Dialektik kann daran etwas ändern, daß nach diefer
Lehre Chriftus ein doppeltes Ich und ein doppeltes Ichbe-
wußtfein gehabt haben müßte, was doch eine ganz unmögliche
Vorftellung ift. Auf der anderen Seite find
unfere katholifchen Kritiker gewiß vielfach im Recht, wenn
fie bei fo manchen Vertretern der proteftantifchen Theologie
Sicherheit und Klarheit in der Erfaffung des Göttlichen
und Ewigen in der Perfon Chrifti vermiffen. Ihre