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Ausgabe:

1913 Nr. 3

Spalte:

90-91

Autor/Hrsg.:

Keppler, Paul Wilhelm von

Titel/Untertitel:

Homilien und Predigten. 1. bis 3. Aufl 1913

Rezensent:

Schian, Martin

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 3.

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jeder HinfichU lefenswert Es macht fich zum Teil zum
Interpreten der Refolutionen, die von den Ausfchüffen
des Edinburger Weltmiffionskongreffes vertreten find
(ioif. 112 f.). Es nimmt faft zu allen wichtigeren Miffions-
problemen Stellung und enthält vieles, dem man nur
zuftimmen kann. Gleichwohl ift es mit Befonnenheit und
kritifchem Urteil zu lefen. Ich fehe davon ab, daß die
Uberfetzung, wenn fie nun einmal Anmerkungen hinzufügte
, auch auf die inzwifchen veränderte Sachlage in der
Türkei und in China hätte hinweifen "und (S. 48) neben
der englifchen Uberfetzung der Gefpräche des Konfuzius
doch wohl auch die deutfche von Wilhelm hätte namhaft
machen können. Auch auf einzelne irrtümliche Behauptungen
des Verfaffers (z. B. S. 32 Chriftentum und Nationalität
; S. 106 die Miffion immer bisher von den unteren
Schichten aus wirkfam) und mehrfachen falfchen Verallgemeinerungen
fehe ich ab; ebenfo von einzelnen unlogifchen
und in fich widerfpruchsvollen Sätzen (z. B. 137 .Miffions-
verftändnis ift keine bloß chemifche Befruchtung . . . .,
es ift vielmehr ein Ruf Gottes' ufw.; und was S. 138f. und
199 emphatifch über das Gebet getagt wird, erfcheint 211
faft paralyfiert durch den Satz: ,Aber was nützt das viele
Beten, wenn die Kirche nicht kraftvoll vorwärtsfchreitet,
um ihr rechtmäßiges Befitztum anzutreten'). Selbftver-
ftändlich ift es endlich, daß fowohl in dem Material wie
in der Darftellung und dem Urteil der englifche Standpunkt
des Verfaffers fich nicht verleugnet.

Wichtiger und von grundfätzlicher Bedeutung ift
Folgendes. Mott macht drei Forderungen gleichzeitig
geltend: dieMiffionsarbeit foll 1) weltumfaffend, 2) gründlich
und 3) rafch fein. Aber laffen fich diefe Forderungen irgendwie
mit Sicherheit vereinen? Und wenn nicht, welche von
ihnen ift die wichtigfte? Mir fcheint: daß fie gründlich
und folide fei. Mott betont nun zwar auch feinerfeits mit
trefflichen Worten die Gründlichkeit; auch fügt er am
Schluß, wenn er davon fpricht, daß rechte Arbeit auch
rechten Erfolg erwarten dürfe, bezeichnender Weife den
Zufatz hinzu ,zu feiner Zeit' (208. 210). Auch fehlt die
ausdrückliche Parole .Evangelifation der ganzen Welt in
diefer Generation'. Und doch erwecken feine Ausführungen
den Anfchein, als ob ihm eine weltumfaffende und
fchleunige Miffionsarbeit (vgl. 90fr.; 89, 90, 93, 103) noch
wichtiger fei als eine gründliche, und einzelnes mutet mich
an wie Mache und Konftruktion (z.B. 94f. 139). Daß es
Pflicht jedes Bekehrten fei, nun auch aktiv felbft Miffion
zu treiben (163 f.), wird doch durch Jak. 3,1 widerraten.
Auch Mark. 4,26fr. und 2 Theff. 3,2 verdienten wohl
mehr Berückfichtigung. Über Evangelifationsverfamm-
lungen und ,EvangeIifations-Feldzüge' (158), Erweckungen
und Maffenbekehrungen, über die Methode der China-
Inland-Miffion (107) und über das Tag und Nacht andauernde
Beten (165) kann ich nicht fo optimiftifch urteilen
wie Mott. Ob es immer ftrategifch richtig ift, auf der
ganzen Linie den Kampf zu eröffnen (89—108), ift doch
mindeftens zweifelhaft. Daß auch die chriftliche Miffion
den nichtchriftlichen Religionen immer verftändnisvoller
und gerechter gegenübertreten muß, wird nicht hervorgehoben
. Bei den Gotteswirkungen (176fr.) wird kein
Wort davon gefagt, daß Gott oft auch ganz unerwartete
Fehlfchläge und Verlufte eintreten läßt und weder unferer
Berechnung noch unferm guten Willen immer den Erfolg
entfprechen läßt. Andrerfeits redet der Verfaffer in feiner
Glaubensbegeifteruug zuweilen, als habe er im Rate Gottes
jelbft gefeffen (57, 69, 207); auch der Titel des Buches
mutete beffer ,Eine Entfcheidungsftunde' als ,Die Ent-
mheidungsftunde'. Nun, nicht bloß Kritik und Befonnen-
ueit wird fchon bremfen, fondern mehr noch die tatfäch-
uche Wirklichkeit. Trotz diefer Aufteilungen aber wünfche
mh dem Buche, daß es die Gewiffen fchärfe und die
Freudigkeit zur Miffion mehre.

Frankfurt a;Main. W. Bo niemann.

Keppler, Bifch. Dr. Paul Wilhelm von: Homilien u. Predigten
. 1. bis 3. Auflage. (X, 345 S.) kl. 8°. Freiburg
i. B., Herder 1912. M. 3.20; geb. M. 4 —

Die lebhafte Bewegung behufs Reform der katholifchen
Predigt, deren Ausdruck die HomiletifchenKurfe zu Ravensburg
(1910) und Wien waren, hat in Bifchof v. Keppler
einen ihrer energifchften Förderer. Neben anderen Arbeiten
(,Die Adventsperikopen', 4. Aufl. 1910) wollten feine
,Homiletifchen Gedanken und Ratfchläge' (1910) den Prie-
ftern geeignete Winke geben. Das Gleiche will ,auf dem
Wege der Praxis' das vorliegende Buch. Im Vorwort
legt K., entfprechend der Tendenz der früheren Veröffentlichungen
, den Ton auf diejenigen Stücke, die geeignet
find, der Predigtform der .Homilie', alfo der anwendenden
Textauslegung, weitere Pflege zu verfchaffen. Zu diefen
Stücken gehören exegetifch-h omiletifche Befprechungen
über verfchiedene evangelifche Perikopen aus der Zeit
der Tübinger und Freiburger Wirkfamkeit von K.s (1890 bis
1898), denen eine Anzahl von Dispofitionen und meift
auch Mufterhomilien folgen. Außerdem finden fich Predigten
aus dem akademifchen Gottesdienft in Freiburg,
und eine Reihe von Feftpredigten, die bei fehr verfchie-
denen Anläffen gehalten find: bei den Euchariftifchen
Kongreffen 1907 und 1909, beim Bonifatiusjubiläum, bei
Selig- und Heiligfprechungsfeften ufw. Auch bei den
Predigten wird gern die Form der Homilie angewendet;
natürlich drängen hier aber öfter die konkreten Anläffe
diefe Form zurück. Jene Mufterhomilien find fauber und
korrekt gearbeitet. Die perfönliche Eigenart des Predigers
macht fich um des Zweckes willen in ihnen fehr wenig
geltend. Sie folgen ganz fchlicht dem Gang der Peri-
kope; eine Art Dispofition wird zugrunde gelegt, aber durchaus
dem Textverlauf angepaßt und meift nicht befonders
hervorgehoben. Die biblifche Situation, natürlich gut
katholifch-korrekt verftanden und gedeutet, regiert; das
fpeziflfch Katholifche zeigt fich gelegentlich, z. B. in der
Beziehung der Sturmftillung auf die Kirche; aber es fpielt
nicht die Hauptrolle. Man kann manche diefer Homilien,
abgefehen von einigen Zitaten aus Kirchenvätern und von
exegetifchen Gewaltfamkeiten, ohne ftärkeren Anftoß lefen.
Zwifchen den Mufterhomilien und den Feftpredigten flehen
die perfönlicheren Charakter tragenden, aber auch ganz
textual gehaltenen, unter denen eine Reihe von Karfreitagspredigten
hervorgehoben fei. Hier tritt deutlicher heraus,
daß K. über refpektable rednerifche Fähigkeiten verfügt;
hier fchildert er fehr anfchaulich-lebendig; hier gewinnt
der Stil rhetorifche Kraft. Die Feftpredigten zeigen diefe
Gaben in voller Entfaltung; geiftreiche Verknüpfungen,
bilderreiche Veranfchaulichungen, lebhafte Anreden häufen
fich in ihnen. Allerdings finden fich hier auch allzu kunft-
volle, darum künftlich wirkende Gedankenverbindungen,
fo z. B. in der Predigt ,Vaterunfer und Euchariftie' (44 fl),
die zwifchen beiden Größen wunderfame Beziehungen her-
ftellt. Nicht minder finden wir fehr gewagte Bilder: ,Das
Gebetstelephon des Vaterunfers, welches die Menfchheit
und die chriftliche Seele mit dem Herzen Gottes verbindet,
hat feine Zentral- und Umfchaltftelleim Tabernakel', ufw. (45).
Die dem Proteftanten fremden, aber im heutigen Katholizismus
liebevoll gepflegten Vorftellungen kommen zu
breitem, manchmal zu faft frappierendem Ausdruck. Eine
ganze Predigt (56 ff) gilt der geiftlichen Kommunion, d. i.
der ,Begierdekommunion', deren Spuren fchon in der
heiligen Schrift zu finden feien, die die Kommunion der
Märtyrer im Kerker war, die die Kommunion der Nacht
ift. Der in der Hoftie im Tabernakel befindliche Chriftus
wird gefeiert als der hier (im Tabernakel) fein Gebetsleben
auf Erden fortfetzende (S.49). Hier melden fich dann
auch Reliquien-, Heiligen- und Marienkult zum Wort. Hier begegnen
wir kräftigen Ausfällen gegen ein neues Evangelium,
neue Sittlichkeit ufw. ,(nof. 205), gegen den Glanzfirnis
der modernen Zivilifation (229), gegen die Behauptung
der Unvereinbarkeit von deutfchem Wefen und katholifchem