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Ausgabe:

1913 Nr. 3

Spalte:

77-78

Autor/Hrsg.:

Engelbrecht, Augustus (Ed.)

Titel/Untertitel:

Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum. Vol. LVI 1913

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 3.

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Frage ift die, ob der Bericht in allen Teilen ganz zu- vermehrt umlief, nämlich einen Tractatus De fide, den
verläffig und ob er nicht .ausgefchmückt' ift. Allein auch Auguftin im Jahre 413 dem Nazianzener nur darum zu

in diefer Hinficht wird man den Verfaffern kaum Vorwürfe
zu machen haben. Das Schreiben ift und bleibt ein
wahrhaftiges und ergreifendes Zeugnis des älteften Chriften-
tums und hat in mancher Hinficht nicht feinesgleichen.
Berlin. A. Harnack.

Corpvs Scriptorvm Ecclesiasticorvm Latinorvm. Editvm con-
silio et impensis Academiae Litterarvm Caesareae
Vindobonensis. Vol. XXXXVI. Tyrannii Rvfini ora-
tionvm Gregorii Nazianzeni novem interpretatio. Iohannis
V robelii copiis vsvs edidit et prolegomena indicesqve
adiecit Avgvstvs Engelbrecht. (LXVIII, 329 p.)
gr.8». Vindobonae, F.Tempsky MDCCCCX. M. 12.50

Band 46 des Wiener Kirchenväter-Corpus bietet eine
Rarität erften Ranges: die Ausgabe eines Werkes von
Rufinus, dem bekannten Genoffen des Hieronymus, das
unter feine gefammelten Werke nicht einmal von Migne
aufgenommen worden ift, von dem überhaupt vor der
Wiener Ausgabe nur 2, aus den Jahren 1508 und
1522, exiftierten! Die Überfetzung von 9 Reden des
Gregor von Nazianz, die Rufin um 400 verfertigt hat,
und der die Lateiner, insbefondere fchon Auguftin, ihre
ganze Kenntnis von Gedanken und Redeweife des großen
Kappadoziers verdankten. Bereits vor 2 Jahrzehnten
hatte J. Wrobel in Czernowitz die Edition für die Wiener
Akademie übernommen, aber weil er es auf Vollftändig-
keit des Apparats anlegte, und ungeheure Mengen von
faft wertlofen Varianten dabei aufgeftapelt wurden, ging
das Werk langfam vorwärts. Er ftarb, als etwa 6 Bogen
gedruckt waren, und der um das Wiener Unternehmen
fchon fo hochverdiente A. Engelbrecht hat an das hinter-
laffene Manufkript Wrobels mehr als eine letzte Hand
angelegt; die fehr umfänglichen Prolegomena und die
vortrefflichen Regifter find ganz fein Werk. Da er die
Handfchriften anders als fein Vorgänger einfchätzt, hat
er auch in der Einleitung p. XLVIff. (vgl. das Verzeichnis
der Addenda et Corrigenda p. LXVff.) zum Teil eingreifende
Änderungen an dem gedruckten Text vorgenommen
bzw. empfohlen. Engelbrecht zeigt fich hier
weit geneigter als Wrobel, auffällige Lesarten der Manu-
fkripte doch zu akzeptieren, nicht nur das feltfame bosor
für griechifcb.es ßogßogog p. 40,4; und fo ift grundf ätz-
lich gegen die Stellungnahme des Editors zu feinem hand-
fchriftlichen Material nichts einzuwenden. — In den
Regiftern wird man auch bei der reichften Fülle manchmal
etwas vermiffen, z. B. mansuesco 7,14, paganus,
palma, Privilegium; bei curiosus die Stelle 265,9; aus
der Bibel entnommene Wortbilder wie viscera misera-
tionum und vocum novitates (was p. 327a noch ver-
deutfcht wird = neue Redekünfte) hätten lieber durch
eine Marke wie ,bibl.' kenntlich gemacht werden follen;
ich fpeziell wäre auch dankbar, wenn unter den Bibel-
ftellen (bei Gregor handelt es fich meiftens um An-
fpielungen, feiten um wörtliche Zitate) diejenigen durch
den Druck herausgehoben wären, die Rufin de suo hinzugefügt
hat: jeder Itala-Forfcher weiß, warum da zu
unterfcheiden ift. In Index Ia ift nicht viel und Erhebliches
nachzutragen, in Ib dagegen find überfehen (oder
wie Nr. 1 wenigftens hier übergangen) zu p. 68,1 Augustin,
Op. imperf. VI 14; zu p. 121,9—14 Facundus pro defens.
I 3 Ml 67, 537 und zu p. 100,23 bis 101,3 und 103,7—10
.Vigilius Thaps.' adv. Eutych. V 23 Ml 62,151 — bei dem
letzten Zeugen ift übrigens Rufin nicht die direkte Quelle! —
Die Gefchichte der Überlieferung diefer Gregorius-
^™n-Reden, die Eng. S. VII—XVI erzählt, ift ungewöhn-
a a keJehrend i das Intereffantefte daran ift die Tatfache,
daB fchon wenig mehr als ein Jahrzehnt nach der Ahnung
des Werks, faft unmittelbar nach des Überfetzers

gefchrieben haben kann, weil er ihn mit den 9 echten Reden
zu einem Bande vereint kennen gelernt hatte. Niemand
darf bezweifeln, daß diefer Traktat lateinifches Original
ift und von einem andern .Gregor' herrührt, — wie ich mit
A. Wilmart überzeugt bin, von dem Bifchof von Elvira;
aber dem Rufin die Schuld an diefer Unterfchiebung
unter einen größeren Namen zuzumeffen, kann ich mich
fo wenig wie Eng. entfchließen. Eng. hat fchon aus diefem
Grunde recht getan, daß er den Traktat De fide von
feiner Ausgabe ausfchloß.

Da wir die 9 Reden Gregors im Urtext befitzen,
fcheint die Bedeutung der lateinifchen Überfetzung gering.
Sie liegt ausfchließlich auf der Seite der lateinifchen
Kirchenliteratur. Nicht als ob der Text der griechifchen
Xöyoi Gregors nicht der gründlichften Emendation bedürfte
, aber nicht eben häufig wird Rufin dabei Dienfte
leiften. Rufin verfährt mit dem, allerdings auch kaum
buchftäblich in ein andres Idiom übertragbaren, Text
recht felbftherrlich. Was er nicht verfteht, läßt er unter
den Tifch fallen, oder umfchreibt es fo frei, daß man ihn
des Irrtums nicht zu überführen vermag; und auch wo
folche Schwierigkeit nicht vorliegt, ift er mehr darauf
bedacht, eine klangvolle lateinifche Rede zu liefern, als
die Eigentümlichkeit des Griechen treu nachzuahmen.
Er findet bei diefer Methode Gelegenheit, feine eigne
Kunft zu zeigen; ein bißchen affektiert, nicht allzu reich
an Mitteln, und von Zeit zu Zeit in vulgäre Formen und
Wendungen herabgleitend, hat er doch eine des Kappadoziers
nicht ganz unwürdige Latinifierung von einigen
Meifterwerken Gregors zu Stande gebracht. Auch die
Auswahl verdient Lob, denn es find recht verfchieden-
artige Themen und Stimmungen und fogar Stilarten, die
in dem großen Apologeticus oder in der Predigt nach
dem furchtbaren Hagelfchlag oder wieder in der Abhandlung
über die Arianer und den Unfug, Tag für
Tag öffentlich das Wefen Gottes unterfuchen zu wollen.
Aber ein guter Überfetzer in unferm Sinne ift Rufin
dadurch immer noch nicht geworden: wie die Lateiner,
von dem einen Hieronymus abgefehen, faft alle entweder
dem Fremden fich fklavifch unterordnen oder mit Herrenmiene
unter feinem Namen fich felber dem Publikum
offerieren, fo findet auch Rufin keine glückliche Mitte;
wohl uns, daß wir Gregor nicht bloß durch diefes Medium
hindurch genießen müffen.

Hoffentlich erfcheint recht bald die Rufin'fche Überfetzung
von 8 Reden des Bafilius, die, im Altertum und
Mittelalter eifrigft gelefen, feit dem 16. Jahrhundert felbft
dem Forfcher beinahe unerreichbar geworden ift, in dem
Wiener Corpus; die Kirchengefchichte Eufebs befitzen
wir bereits durch Mommfens Beitrag bei Schwartz. Die
kleineren Überbleibfel von Rufins Überfetzertätigkeit und
die großen — Origenes' Glaubenslehre und Kommentare
— werden folgen, und ein Werk wird durch das andere
gewinnen. Sind die Regifter durchweg fo reichhaltig wie
diefes und werden fie mit etwas Rückfichtnahme auf die
in den früheren Bänden unentfchieden gebliebenen Fragen
angefertigt, fo mag zum Schluß manche heut noch zweifelhafte
Stelle endgültig nach Rufins Willen wiederher-
geftellt werden können.

Marburg i. H. Ad. Jülicher.

Handbuch der Kirchengefchichte für Studierende, in Verbindung
mit Gerh. Ficker, Heinrich Hermelink, Erwin Preufchen,
Horft Stephan hrsg. von Guftav Krüger. Lex.- 8°.
Tübingen, J. C. B. Mohr.

I. Tl. Preufchen, Pfr. Erwin, u. Prof. Guft. Krüger, DD. Drs:
Das Altertum. (XV, 295 S.) 1911. M. 5—; geb. M. 6 —

Kirchengefchichte definieren die Verfaffer als die Ge-

oie Ausgabe der 9 Reden um ein zehntes Stück [ fchichte der Kirche, fofern fie eine religiöfe Größe ift.