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Ausgabe:

1913

Spalte:

818-820

Autor/Hrsg.:

Görland, Albert (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Immanuel Kant’s Werke. Bd. III: Kritik der reinen Vernunft 1913

Rezensent:

Wüst, Paul

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8i;

Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 26.

818

eigene .Klaffe' innerhalb des Ordens, fondern .geiftliche' und .weltliche
Koadjutoren' bilden ein und diefelbe .Klaffe', mit den gleichen .letzten'
Gelübden. Nur in ihrer Tätigkeitsform find Tie verlchieden. Die .weltlichen
Koadjutoren', die .Laienbiüder', widmen fich den häuslichen Verrichtungen
, die .geiftlichen Koadjutoren' widmen fich beelforge und Jugenderziehung
(Iustit. Societ. Iesu, Exam. gen. und p. 5. und fonlt). Irrig
i(l auch, daß der Jefuit .die Erlaubnis zur Ausübung der priefterlichen
Funktionen erft nach Jahresfrift, nach Empfang der Priefterweihe erhält'
(S. 39). Er erhält fie fofort nach der Priefterweihe. Verlader fchreibt:
.Aber auch als geiftlicher Koadjutor gehört er im ftrengeu Sinne noch
nicht zu der Gefellfchaft Jefu. In diefe wird er erft aufgenommen, wenn
er zum Profeß zugelaffen wird' (S. 39). Falfchl Nach den Ordens-
fatzungen gehört der Jefuit zur Gefellfchaft Jefu, auch ,tm ftrengen Sinne',
fchon vom 3. Jahre feines ürdenslebens an, d. h. nach Ableguug der drei
.einfachen' Gelübde am Schluffe des Noviziats. Ferner, ift der Jefuit einmal
in die .Klaffe' der .Koadjutoren' eingetreten, fo wird er nicht noch ,zum
Profeß zugelaffen'. .Profeffen' und .Koadjutoren' find nämlich, nach
den klaren Benimmungen der Satzungen 2 verfchiedene .Klaffen' des
lefuitenordens, zwifchen denen es einen Übergang nicht gibt. Die Aufnahme
in die .Klaffe' der .Profeffen' hängt hauptfächlich davon ab, ob
ein Jefuit den wiffenfchaftlicheu Anforderungen des Ordens genügt
hat, was fich zum Teil fchon nach Abfchluß des philofophifchen Kurfus
(vor dem theologifchen) herausllellt (Instit. Societ. Iesu, Exam. gen. und
p. 5. und fonil). Verfaffer fchreibt: ,Aus diefem ungemein geregelten
Syflem der Ausbildung ergibt fich ganz von felbft die Gliederung der
Truppe: 1. approbierte Scholaftiker; 2. die weltlichen, 3. die geiftlichen
Koadjutoren; 4. die Profeffen' (S. 39). Falfchl Wie im Vorhergehenden
erwiefen ift, kennen die Ordensfatzungen keine .weltlichen' und .geiftlichen
Koadjutoren' als verfchiedene .Klaffen'. Die richtige .Gliederung der
Truppe1 findet fich in den ,Konllitutionen' (V 1, Declar. A). Verfaffer j
fchreibt: ,Die Novizen, die noch im Probatioushaufe gedrillt werden, 1
werden nicht zur Gefellfchaft [Jefu] gerechnet' (S. 39). Falfchl Das ,Iu-
stitutum'fagt deutlich: ,Zur Gefellfchaft Jefu gehören Alle, die unter dem
Gehorfame des Generals leben, auch die Novizen' (V 1, Declar. A). j
Verfaffer fchreibt: ,Er [der Jefuit] ift weder Mönch noch Weltgeiftlicher'
'S. 41). Falfchl Nach dem klaren Wortlaute der Ordensfatzungeu (neuefte
Ausgabe: Florentiae 1S93, I 9t. 35. 2) i!t der Jefuit ,Mönch' (.llettelmönch')
und .Regularkleriker' (clericus regularis).

Das find einige der hauptiächlichften Irrtümer, die
fich auf nur drei Seiten (139—141) finden. Daneben flehen
auf denfelben Seiten noch weitere Irrtümer über den
Ordensgeneral, die Generalkongregation, jefuitifchen Ge-
horfam ufw. Der fachkundige Beurteiler muß daraus
den Eindruck erhalten, daß .Quellen' für den Verfaffer
nicht gewefen find die Ordensfatzungen felbft, fondern
Schriften über den Jefuitenorden, und zwar unzuverläffige
Schriften.

Ein gleich langes Fehlerverzeichnis läßt fich zufammen-
ftellen über vom Verfaffer behandeltes Gefchichtliches aus
dem Jefuitenorden. Raummangel hindert ausführlich zu
werden. Nur ein Beifpiel.

Verfaffer fchreibt: ,Es ift zu Ignaz' Zeit allerdings zweimal vorgekommen
, daß augefehene Perfonen ihren Beitritt zu der Gefellfchaft
eine Zeitlang geheim hielten, um ihre Gefchäfte in Ruhe ordnen zu können.
Aber geheime Jefuiten. die Zeit ihres Lebens öffentlich nicht als
Mitglieder der Gefellfchaft fich geriert hätten, hat es nie gegeben' (S. 39).

Jedes Wort widerfpricht den Gcfchichtstatfachen. Man unterrichte
fich über die Tatfachen aus meinem Werke: ,14 Jahre Jefuit' (große
Ausgabe, 3. Auflage II 15S—165) oder auch bei Gothein, Ignatius von
Loyola und die Gegenreformation, (Halle 1895, S. 359. 788); Döllinger-
Rcufch, Moralftreitigkeiteu, (Nördlingen 1889, II 376 — 390); A. Theiner,
GefcbJchte des Pontifikats Klemens' XIV (Leipzig 1853, II 321); Saint-
Simon, Memoires (Pariler Ausgabe 1873, 12, 164); Fowley, Kecords of
the English Province (VII 559). Ungefchichtlich find ferner die Auslührungen
Uber das Eingreifen des Ordensgeuerals Aquaviva inbezug auf
Mariauas Lehre vom Tyranneumord (S. 57). Nicht einmal den Titel des
berüchtigten Mariana'fchen Buches gibt der Verfaffer richtig an (S. 371,
ebenfowenig, wie er den Titel eines zweiten berühmt gewordenen Buches
Marianas richtig wiedergibt (S. 147), obwohl er, bei Angabe der falfchen
Titel Anführungszeichen gebraucht. Ungefchichtlich uud klaffend lückenhaft
ift endlich die Darfteilung des wichtigen Streites über die chiuefifch-
malabaritcheu Gebräuche (S. rot).

Auch die Urteile des Verfaffers find befremdend, weil
fall unerklärlich widerfpruchsvoll. So bekennt der Verfaffer
im Vorwort: fein Urteil über den Jefuitenorden
habe fich .fortschreitend zugunften des Ordens verfchoben'
und zwar infolge feiner ,Befchäftigung mit dem Stoffe'.
Im Text aber lieft man zahlreiche, ganz allgemein gehaltene
unüberbietbar fcharfe Verwerfungsurteile über den
Orden und feine gefamte Tätigkeit. Z. B. S. 33. 50. 51.
61. 62. 81. 82. 85. 135. 139. 140. 141. 144. 145. 168.

Wie bei folcher Verwerfung — die Urteile im einzelnen
anzuführen, verbietet Raummangel — ,eine Verfchiebung
des Urteils zugunften des Ordens' überhaupt noch möglich
ift, bleibt Geheimnis der Verfaffers, es fei denn, der
Verfaffer habe früher den Jefuitenorden für einen folchen
Ausbund von Schlechtigkeit gehalten, daß feine jetzigen
Verwerfungsurteile, trotz ihren Schärfe und Allgemeinheit,
immerhin noch ,eine Verfchiebung zugunften des Ordens'
darftellen. Sei dem, wie ihm wolle: Die brüchige Zwie-
fpältigkeit des Urteils nimmt dem Lefer jedes Vertrauen,
auch auf die übrigen Ausführungen. Und dies ftarke
Mißtrauen ilt durch die nachgewiesene Unvertrautheit des
Verfaffers mit dem Inhalte der Ordensfatzungen gleichkam
aktenmäßig gerechtfertigt. Zwar foll nicht verkannt werden,
daß der Verfaffer manches intereffante ftatiftifche Material
beigebracht hat; diefer Vorzug wiegt aber die nachge-
wiefenen großen Fehler bei weitem nicht auf. Und fo
kann ich mit dem Bedauern nicht zurückgehalten, daß
die Schrift Aufnahme gefunden hat in die verdienftvolle
Sammlung: ,Aus Natur und Geifteswelt'.

Berlin-Lichterfelde. Graf Hoensbroech.

Angermann, Paftor A.: Die evangelifchen Kirchen des Po-
fener Landes leit 1772. Feftgabe des Pofener Hauptvereins
zur Hauptverfammlg. des Guftav Adolf-Vereins
in Pofen 1912. (52 S. m. 37 Abb.) 8°. Pofen, Ev.
Vereinsbuchh. 1912. M. 1 —

Eine Gefchichte der äußeren Entwicklung der Pofener
Provinzialkirche feit 1772 bietet diefes im Auftrage des
Pofener Hauptvereins der Guftav-Adolf-Stiftung verfaßte
Büchlein, im befonderen einen Überblick über die Gründung
evangelifcher Gemeinden und Erbauung evangelifcher
Kirchen im Pofener Lande in den letzten 140 Jahren,
j Sorgfältig trägt A. die Nachrichten zufammen, welche
; einzelne veröffentlichte Gemeindechroniken bezw. Jubiläumsbüchlein
und Auffätze im Pofener Sonntagsblatt
gebracht haben, und verwertet fie zu einem feffelnden,
] intereffant gefchriebenen Ganzen. 34 beigegebene Abbildungen
von Kirchen und Bethäufern erhöhen den Wert
| des Büchleins, das jedem warm empfohlen werden kann,
der fich über die kirchliche Entwicklung der Oftmark
unterrichten will. Es ift der erfte Verfuch, die äußere
Gefchichte der Pofener Gemeinden feit dem Zufammen-
bruch des polnifchen Reiches darzuftellen, und ein wohlgelungener
Verfuch. Nur hätte ich gewünfeht, daß einleitend
der furchtbaren Konföderiertennot der Jahre 1768
—l772 gedacht worden wäre. Ehe den Evangelifchen
in Polen Glaubensfreiheit wurde, mußten fie noch einmal
alle Schrecken des römifchen und polnifchen Fanatismus
erdulden, im befonderen die fchwerften Ausplünderungen
über fich ergehen laffen. Sie waren völlig verarmt, als
fie fich endlich zu Gemeinden zufammenfchließen und
Kirchen erbauen durften, und lange hat diefe Armut in
der Dürftigkeit der kirchlichen Bauten fich ausgeprägt,
ja in der geringen Dotation der Pfarrftellen wirkt fie noch
heute nach.

Eutzfch. Wotfchke.

Kant's, Immanuel, Werke. In Gemeinfchaft mit Hermann
Cohen, Artur Buchenau, Otto Buek, Albert Görland,
B. Kellermann, hrsg. v. Ernft Caffirer. Band III: Kritik
der reinen Vernunft. Hrsg. v. Dr. Albert Gör 1 and.
(675 S.) gr. 8°. Berlin, B. Caffirer 1913.

M- 9 — 1 geb. M. 11.50
Nach dem langen Aufftieg der Vorbereitungszeit,
deffen Wegabfchnitte die zwei Bände der .Vorkritifchen
Schriften' belegten (vgl. meine Berichte in Nr. 25, Sp. 788f.
des Jahrgangs 1912 und Nr. 13, Sp. 410T. des Jahrgangs
1913 der Theol. Literaturzeitung) erreicht Kant 1781 mit
der ,Kritik der reinen Vernunft' den erften Gipfel. Doch
Hellt diefe Veröffentlichung keineswegs die Vollendung
der erkenntniskritifchen Grundlage feines fyflematifchen