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Ausgabe:

1913 Nr. 25

Spalte:

794-795

Autor/Hrsg.:

Janssen, Rosarius

Titel/Untertitel:

Die Quodlibeta des heil. Thomas von Aquin. Ein Beitrag zu ihrer Würdigg. u. e. Beurteilg. ihrer Ausgaben 1913

Rezensent:

Scheel, Otto

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793

Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 25.

794

danke felbftändig erfaßt und ausgeführt wird; die an die J einigemale find die Namen genannt: E. Leffino-s Rede
.KunHhomilie' erinnernde Art der Textausnützung ift j am Sarge A. Böcklins, Veefenmeyers Wort an dem
feiten (doch z. B. VII, 92 fr.). Perikopen find nicht fehr oft, j Guftav Freytags beanfpruchen befonderes Intereffe. Auch
zuweilen auch in Bruchftücken behandelt; kurze freie j andere Fälle haben ihre ausgeprägte Eigenart. Daß die
Texte überwiegen weit. Oft, aber keineswegs überall, j Schwierigkeiten, die die Grabrede unferer Zeit drücken
ift auf Markierung der Einteilung verzichtet. Durchweg j durchweg glücklich gelöft wären, wage ich nicht gerade
find die Predigten knapp gehalten. Das sind die wefent- j zu behaupten; die Rede bei der Beftattung eines" Frei-
lichften die ganze Sammlung durchfchnittlich charakteri- j maurers, in der der Pfarrer zwar einmal ,Wir Freimaurer'
fierenden Eigenfchaften; manche davon deuten auch die | fagt, aber ,Wir Chriften' nicht zu fagen möglich fand,
Einwendungen an, die etwa geltend zu machen wären 1 kann ich bei aller fonftigen Feinheit und Schönheit doch
und die ich mit Bezug auf eine begrenzte Anzahl, nament- nicht als richtige Lölung anfprechen. Aber andere verlieh
was die Abftraktheit des Ausdrucks, die Einläßlich- j fahren darin anders — und richtiger. Der Band bietet,
keit theologifcher oder auch kritifcher Erörterung u. ä. ! gerade durch die Verfchiedenheit der Praxis, fehr viele
betrifft, zu betonen auch für nötig halte. Einzelne Bände ! Anregungen zum Nachdenken über die Grabrede bei
gehen darin weiter als durchfchnittlich die Praxis auch der 1 Gebildeten, bei Unkirchlichen oder Kirchlich-Gleichgültigen.
Vertreter freien Chriftentums felbft in den Großftädten; [ Im Ganzen fcheint mir, foweit die vorliegenden Bände
einzelne Predigten — vorwiegend namentlich ausländifche | erkennen laffen, diefer Teil des Unternehmens bisher noch
— leiften geradezu einer Intellektualifierung der Predigt , beffer geglückt als der Predigtteil; in befonderem Maß
Vorfchub. Ganz ausfchalten möchte ich die große Frage, j werden die Schulandachten einem Bedürfnis ento-e°-en-
ob es überall gelungen ift, den Kern des Evangeliums kommen.

Gießen._M. Schian.

Referate.

wirkfam herauszufteffen. Fell fleht, daß ein ernffes Bemühen
in diefer Richtung zu fpüren ift und daß nicht
bloß die Perlon Jefu, fondern die Offenbarung Gottes
in Chriftus als das erfcheint, was der Prediger dem Ge-
fchlecht unferer Tage bringen will. Gefamturteile find ! JanlTeii, P. Rofarius, O. P.: Die üuodlibeta des heil. Thomas von
im übrio-en we^en der Verfchiedenheit der Verfaffer ge- Aquin. Ein Beitrag zu ihrer Würdigg. u. e. Beurteilg. ihrer
rade in& diefeni Punkt fchwer möglich. Man darf auch I Ausgaben. (III, 111 S.) gr. 8°. Bonn, P. Hanftein 1912. M. 2
anderes nicht überfehen. Nicht bloß praktifch-anfaffende, | A_ /^vl^
fondern auch dichterifch-fchwungvolle, fchlicht-herzliche

der Quodlibeta überhaupt. Im Gegenfatz zu den alle 14 Tage
ftattfindenden disputationes ordinariae mit genau beftimmtem Stoff,
waren die disputationes quodlibeticae, die gewöhnlich zwei mal
im Jahre (vor Weihnachten und Oftern) abgehalten wurden, freie
Übungen, deren Gegenftand den verfchiedenen theologifchen Gebieten
entnommen wurde. Sie ftanden Studierenden und anderen
Gebildeten offen. Deren Bedürfnis, auf Bedenken und Zweifel
von fachkundiger Seite Auskunft zu erhalten, hat fte entftehen
laffen. Es werden darum auch .aktuelle' Fragen in diefen Disputationen
gern erörtert. So auch in den Quodlibeta des Thomas,
hervorgehoben Hier und da tritt die apologetifche Ab- Er verzichtet freilich darauf, Effekt zu machen. Die brennenden
zweckuno- P-e^en feichte Aufklärung und hochmütige Tagesfragen werden unter Vermeidung eines jeglichen perfön liehen

Predigten find keineswegs vereinzelt. Übertreibungen
.moderner' Art begegnet manches erfreulich-energifche
Wort: fo Kübels Satz von dem .Lieblingsgedanken gutherziger
Phantaften, daß der Menfch von Haus aus gut
fei'; viel eher fei das Gegenteil richtig (IV, 42). Auch
Heffelbachers Mahnung, in einer Zeit, in der man dem
Verftand das alleinige Herrfcherrecht geben will, uns ent-
fchloffen auf die Welt des Gemüts zu Hellen (VI, 67), fei

zweck-iincr o-eo-en feichte Aufklärung und hochmutige i«s^w.6>.n ^,u,.„ u,ilM »t,mC1Uu„Suu«)Ceuuicnpmomicnen
FreTÄ (V, 89). Alle mühen fich mit und aktuellen Einfchlages objektiv und rein wiffenfchaftlich be-

rreigeuterei lcnari uavw 1 v, J) , „ , | handelt. Das hat Werner veranlaßt, ihnen größere Bedeutung

Erfolg, ausgefahrene Gleife zu meiden vide ftehe^ , abzufprecnen. Sie bringen in der Tat nichts Wologifches un|
eindringende Schärfe der Gedanken und Eigenheit inrer , PhjlofophifcheS) das nicht aus den Hauptfchriften bekannt wäre.
Faflhng angeht, recht hoch. Endlich nt zu beatmken: | Aber dies Urtei, verkennt den Zufammenhang der Quodlibeta
diefe Bände Hellen gerade der Predigt des .freien Gnnften- j mjt den Tagesbedürfniffen und überßeht den zeitgefchichtlichen
tums fehr fchwere Aufgaben; gerade fie bieten Klippen, ■ Hintergrund, von dem die einzelnen Fragen fich abheben. Sie
die nur mühfam zu meiden find. Somit wird zwar nicht | find kein Lehrbuch, fondern ein /Tagebuch', eine ,Chronik der
der Eindruck einer ganz einheitlich mächtigen und wuch- letzten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts, die Ereigniffe an
tigen homiletifchen Gefamtleiflung entHehen, aber der
eines ernHen, unermüdlichen Ringens um die Probleme,
die Herkommen, Kirchenlehre, GemeindeHimmung, FeH-
inhalt und Text dem Prediger des freien ChnHentums
Hellen. Daß die Aufgabe fo fchwieng geflellt iH, bezeugt
den Mut und die Energie, mit der der Herausgeber
an die Arbeit ging. Und neben manchen minder gelungenen
Hehen in fehr erfreulicher Zahl wirkfame und
fchöne Predigten voll Kraft. Vielleicht find unter den

Adventspredigten befonders viele von diefer Art. | ftreits pind -m den quodlibetifchen Übungen erörtert worden. Da

neben treten wifTenfchaftliche Zeitfragen, befonders die Aus-
einanderfetzung mit der älteren auguftinifchen Schule. Weniger
intenfiv ift der Averroismus vorgenommen. Auch die Häretiker
fleht man auftauchen, ,die Katharer und Albigenfer und die
anderen zeitgenöffifchen Häretiker mit ihren Irrtümern über
die Lehre von der Transfubftantiation und der Menfchwerdung;
... die Waldenfer und anderen Leugner des kirchlichen Primats
, ... die fchismatifchen Griechen mit ihren Einwendungen
gegen das Fegefeuer und die Suffragien für die Verftorbenen'.
,Als ein treues Zeitgemälde . . . behalten die Quodlibeta des hl.
Thomas einen bleibenden hiftorifchen Wert'. Gefchrieben find

Ereigniffe reiht ohne inneren Zufammenhang und uns den Geift
ihrer Zeit, ihrer Intereffen und wiffenfehaftlichen Probleme in
fchmucklofer, aber anmutiger und treuer Weife zum Ausdruck
bringt. Wer einen anderen Maßftab zur Beurteilung der Quodlibeta
anlegt, wird ihrer wahren Bedeutung fchwerlich gerecht
werden'. So führen fie in den Mendikantenftreit hinein, auf die
Angriffe der Gegner der Bettelorden gegen die Seelforge-
tätigkeit der Ordensleute auf der Kanzel und im Beichtftuhl, die
Verwaltung des Lehramts und die Beftreitung des Lebensunterhalts
durch Almofen. Faft alle Fragen des zweiten Mendikanten-

Die Sammlung von Kafualreden hat größtenteils die
felben Verfaffer. Für die Schulandachten aber find
Oberlehrer (A. Heerdegen, R. Heineke, A. König,
W. Mechler K. Salomon, R. Pfleger) und eine Lehrerin
(H. Bulß) neben einem Pfarrer eingetreten. Die Haltung
iH hier durchwe«- fehr praktifch; die fpezielle Betonung
freien ChriHentums fallt faH ganz fort (Andeutung z. B.
II, 49); die Diktion iH fchlicht und oft fchön. Daß die
Schulandachten öfter ethifche Tendenz haben, hängt mit
ihrer Situation zufammen. Das Religiöfe kommt aber

mehrfach zu recht glücklichem Ausdruck. Sehr gelungen j nach Janffen die QUäftj0nen I-VI in der Zeit von Oftern 1269
ifi z. B. die Andacht über Ebr 13, 9 (Soffl. Fker Band bjs 1272 rebenfo Grabmann in feinem Büchlein über Thomas].
Konfirmationsreden iH vielleicht neben den Schulreden [ Daß durch diefe Anfetzung die Zeitbeftimmung der übrigen Quod-
der einheitlichfle Band; hier vereinigt fich in glücklicher , libeIa erfchwert wird, weiß Janffen wohl. Er läßt darum die
Weife feelforgerliche Treue mit ernHer, anfaßlicher Pä- | Frage, wann die letzten 5 (6) Quodlibeta entftanden find, offen,
dagogik. Die Grabreden erwähnen überall den Anlaß, ; [Grabmann läßt 7—11 in Italien 1272—74 gefchrieben fein] und