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Ausgabe:

1913 Nr. 25

Spalte:

791

Autor/Hrsg.:

Fraedrich, G.

Titel/Untertitel:

Ueber monistische Ethik. Eine Abwehr. Vortrag 1913

Rezensent:

Mayer, Emil Walter

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79i

Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 25.

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die daraus abgeleitete Folgerung bedeutet die komplettefte i
Begriffsverwirrung. Spekulative metaphyfifche Konftruk- |
tion hat allerdings mit Religion — zwar auch nicht nichts, j
aber doch — fehr wenig zu tun. Der religiöfen Erfahrung
ift indes nicht die metaphyfifche Spekulation, fondern das
metaphyfifche Bewußtfein als folches zur Seite zu ftellen.
Und diefe beiden Größen ftehen zweifellos fogar in einem j
recht engen Beziehungsverhältnis zu einander. Andrer-
feits ift religiöfe Erfahrung hinfichtlich ihres Objektgehaltes
nicht als empirifche Erfahrung zu bezeichnen und zu
beurteilen. Gerade mit dem Objektgehalt, der Objekt- j
beziehung und der Objekterfaffung der religiöfen Erfahrung
haben es aber Religionswiffenfchaft und Theologie '
zu tun. Man kann natürlich die religiöfe Erfahrung auch j
zum Gegenftand rein empirifch-pfychologifcher Unter-
fuchung machen. Aber dann kommt man eben an ihren
Objektgehalt überhaupt nicht heran. Und es ift deshalb j
widerfinnig, von diefem Standpunkt aus den Objektgehalt j
der Religion als ,empirifch' zu bezeichnen, wie es Leubas !
Thefe tut, die Götter der Religion feien empirifche
Götter. Das jtgSrov tpevöog aber diefes Rattenkönigs !
von Verwirrung und Irreführung ift die Abficht, die
religionspfychologifche Arbeit auf das Gebiet rein empi- j
rifcher Pfychologie zu befchränken.

Breslau. Georg Wo bb er min.

Fraedrich, G.: Ueber moniftifche Ethik. Eine Abwehr.
Vortrag vor der Friedrichrodaer evangel. Gemeinde
geh. am 22. März 1912. (IV, 55 S.) 8°. Marburg a. L.,
Verl. d. Chriftl. Welt 1912. M. — 80

Die kleine Brofchüre enthält einen, durch moniftifche
Ausfälle veranlaßten, Vortrag, der, nicht zu feinem j
Schaden, ftark lokales und perfönliches Gepräge trägt.
Der Autor bringt zunächft einige recht vernünftige Bedenken
vor gegen die agitatorifche Behandlung von
Weltanfchauungsfragen und religiöfen Problemen in |
öffentlichen Verfammlungen, um dann feine Aufgabe
lediglich auf eine Auseinanderfetzung mit der moni-
ftifchen Ethik zu befchränken. Er fchildert diefe als
ein fehr elaftifches und vielgeftaltiges Gebilde unter Berufung
auf die Lehren Haeckels, Unolds, Carneris und
anderer. Er übt Kritik an ihr, indem er die zahlreichen
Widerfprüche aufdeckt, in die fie fich fortwährend verwickelt
, und indem er fpeziell die Unhaltbarkeit des
Eudämonismus, mit dem fie nicht anders als operieren
kann, darlegt. Er führt endlich in einem kurzen pofi-
tiven Abfchnitt aus, wie ,aus dem Erlebnis des Vertrauens
' die ,fittliche Aufgabe und Pflicht für das einzelne
Individuum' erwachfe.

Diefer letzte Teil dürfte der fchwächfte fein: er ift
mindeftens zu knapp ausgefallen. Am ftärkften und
glücklichften ift der Verfaffer da, wo er — bisweilen faft
zu temperamentvoll — polemifiert und auf die Gedanken-
lofigkeit des fogenannten Monismus bei der Kombination [
von oft völlig heterogenen oder diametral entgegengefetzten
Anfchauungen hinweift.

Straßburg i. E. E. W. Mayer.

Die Feltpredigt des Freien Chriftentums, unter Mitwirkung
inländ. u. ausländ. Prediger hrsg. v.Prof.Lic. P.Glaue.
Bd. i—8. 8°. Berlin-Schöneberg, Proteftantifcher
Schriftenvertrieb. M. 1.20; geb. M. 1.50;

Subfkr.-Pr. M. 1 —; geb. M. 1.35

1. Bd. Adventspredigten. (108 S.) 1912. — 2. Bd. Weihnacht
spredigten. (108 S.) 1912. — 3. Bd. Paffionspredigten
. (109 S.) 1913. — 4. Bd. Karfreitagspredigten. (99 S.)
1913. — 5. Bd. Ofterpredigten. (155 S.) 1913. — 6. Bd.
Himmelfahrtspredigten. (u8 S.) 1913. — 7. Bd. Pfingft-
predigten. (98 S.) 1913. — 8. Bd. Trinitatispredigten.
(100 S.) 1913.

Die Kafualrede des freien Chriftentums, unter Mitwirkung inländ
. u. ausländ. Prediger hrsg. v. Prof. Lic. P. Glaue.
Bd. 1—3. 8°. M. 1.20; geb. M. 1.50;

Subfkr.-Pr. M. 1 —; geb. M. 1.35

I. Bd. Grabreden. (109 S.) 1913. — 2. Bd. Schulandachten
. (101 S.) 1913. — 3. Bd. Konfirmationsreden.
(103 S.) 1913.

Die Sammlung fteht in innerem Zufammenhange mit
dem Weltkongreß für freies Chriftentum und religiöfen
Fortfehritt, der 1910 in Berlin tagte. Sie will das ,freie
Chriftentum', wie es dort zur Ausfprache kam, homiletifch
zur Darfteilung bringen. Der Gefichtspunkt ift dabei
international; zwar find die deutfehen Mitarbeiter weitaus
in der Mehrheit, aber auch einige norwegifche (Konow
in Bergen), holländifche (Bakker in Zwolle), fchweizerifche
(Schönholzer in Zürich, Montet in Genf), englifche (Tarrant
in London, Davis in Bournemouth) finden fich. Die den
Heften beigedruckte Ankündigung hebt diefe Beteiligung
von Ausländern übrigens ftärker hervor, als der Sache
entfpricht. Von deutfehen Mitarbeitern nenne ich, um
zunächft bei der Feftpredigt zu bleiben, die bekannteften:
Spitta, Heffelbacher, Mehlhorn, Zurhellen, Kübel, Hackmann
, Weinel, O. Frommel, dazu die in Zufammenhang
mit kirchlichen,Fällen' der letzten Zeiten häufig erwähnten
M. Fifcher, Cefar, Heyn, Weingart. Ungefähr zeigen diefe
Namen, was der Lefer zu erwarten hat. Die Sammlung
näher zu charakterifieren ift naturgemäß fchwierig. Einige
Mitarbeiter haben mehrere Predigten beigefteuert; aber
auch fie doch nur eine verhältnismäßig geringe Zahl.
Alfo begegnen recht viele Typen, der einzelne Typus
aber meift in fo wenigen Äußerungen, daß man feine
Eigenart nicht ausreichend erkennen kann. Erhebliche
Verfchiedenheiten machen fich dennoch bemerkbar;
namentlich zwifchen den Deutfehen und den Ausländern.
Die letzteren predigen vielfach gelehrter, abftrakter, theo-
retifcher, als es bei uns üblich ift. So namentlich Montet
in einer Karfreitagspredigt, die fehr reichliche gefchicht-
liche Darlegungen bringt (IV, 48 ff), in geringerem Grad
Davis in der Trinitatispredigt (VIII, 13 ff). Gelegentlich
kommt ihnen aber auch ein Deutfcher nahe; Mehlhorn
gibt z. B. eine Skizze der Gefchichte des Trinitätsdogmas,
die für eine Predigt recht viel Einzelheiten bringt (VII, 57ff).
Wichtiger, als Unterfchiede hervorzuheben, die doch nicht
weiter verfolgt werden können, ift es, den Gefamtcharakter
der Sammlung herauszuftellen. Trotz aller Verfchiedenheiten
der theologifchen Auffaffung, die felbftverftändlich
auch zwifchen diefen Predigern herrfcht, tritt das gemein-
fame Bemühen öfter hervor, ein freies Chriftentum zu
verkündigen. Daß Glaubensbekenntniffe fich wandeln
müffen (I, 9), Dogmen preiszugeben find (II, 89), daß
Chriftus nicht in ,toten Formeln' und ,vergilbten Urkunden
menfehlichen Irrtums und Wahns' lebt (V, 89), daß
es auf die ,geiftige Wahrheit' der Ofterbotfchaft ankommt
(V, 86), daß uns die einzelnen Daten der Himmelfahrts-
gefchichte nur ,Bilder für die ewige Wahrheit' fein können
(VI, 42), dies und Ähnliches wird oft ausgefprochen,
manchmal auch näher ausgeführt. Namentlich Trinitatispredigten
gehen auf die Kirchenlehre z. T. fehr gründlich
ein; daß der freie Proteftantismus zu den Unitariern heut
nicht mehr im Gegenfatz ftehe, wird ziemlich genau gezeigt
(VIII, 9f Cesar). Die mit folchen Auseinanderfet-
zungen verbundenen Gefahren zeigen fich natürlich auch
hier: ftark ins Theologifche hinüberfpielende Gedankengänge
find nicht feiten. Aber erfreulicherweife bilden
zahlreiche praktifch-konkrete Predigten den Gegentyp;
fo z.B. Kübels befonders anfaffende Pfingftpredigt, Spittas
ernfte und fchöne Advents-Zukunftspredigt, manche
Predigt von Heffelbacher. Reichlich hoch gehalten find
verhältnismäßig viele Predigten; manche zeigen auch eine
große Allgemeinheit der Gedankengänge, die bei Feft-
predigten am erften erklärlich ift. Die Predigten haben
Texte; die meiften verwenden fie fo, daß der Grundge-