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Ausgabe:

1913

Spalte:

789-791

Autor/Hrsg.:

Leuba, James H.

Titel/Untertitel:

A psychological Study of Religion, its Origin, Function and Future 1913

Rezensent:

Wobbermin, Georg

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78g

Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 25.

790

der Renaiffance der alten Philofophie zuzuweifen. Hier

Arbeit. Im Hintergrunde fleht dabei die Auseinanderdürfte
die Tradition, die in ihr eine grundlegende Vor- fetzung mit Frazers Theorie über das Verhältnis von
ftufe der neueren Philofophie fieht, das richtigere treffen, j Magie und Religion. Leuba bekämpft fowohl Frazers
Auch ift es wohl nicht zweckmäßig, den Unterfchied I Thefe, daß die Magie ihrem inneren Wefen nach im
von Patriftik und Scholaftik einfach zu ftreichen, und ficher engften Verwandtfchaftsverhältnis zur Wiffenfchaft, fpeziell
verfehlt, den Univerfalienftreit hinter einem Thomas von
Aquino u. a. zu behandeln. Die alte Philofophie wird
dann weiter in Aufftieg, Höhe (Sokrates bis Äriftoteles)

zur Naturwiffenfchaft, ftehe, wie auch feine andere Thefe,
daß erft das Verfagen der Magie zur Entftehung der
Religion geführt habe. Beides gewiß mit Recht,
und Niedergang, die neue in die Zeit vor Kant, Kant j Und auch im Einzelnen finden fich hier nicht wenige
und die Zeit nach Kant eingeteilt, wobei freilich nach 1 feine und treffende Ausführungen. Dies Letztere mit

Kant nur noch deutfche Philofophie und zwar mit Auswahl
— der deutfche Materialismus, Stirner, Nietzfche
und alle gegenwärtigen fehlen — behandelt werden.

Mit Recht hat fich R. beftrebt, durch vielfache Hin-
und Rückweife den Zufammenhang der philofophifchen

dann ebenfo auch für die eigene Pofition Leubas. Sie
beruht letztlich auf der grundfätzlichen Unterfcheidung
zwifchen drei verfchiedenen Arten oder Typen des
menfchlichen Gefamtverhaltens. Als folche drei Haupttypen
werden nämlich von Leuba unterfchieden das

Entwicklung heraustreten zu laffen. Aber gerade hier ; mechanifche, das köerzitive und das anthropopathifche

würde fich noch manches beffern laffen. So ift R. der
Bedeutung der Pythagoreer in den 19 Zeilen, die er ihnen
widmet, nicht gerecht geworden; ebenfowenig der Zeit
der Renaiffance, die auf kaum mehr als einer Seite eine
zudem recht angreifbare Darfteilung findet. Und ob es
berechtigt ift, der arabifch-jüdifchen Philofophie in einer

Verhalten. Das Unterfcheidungs-Merkmal bildet dabei
die Art, wie die den Menfchen umgebenden Kräfte von
ihm für feine Zwecke benutzt werden. Das mechanifche
Verhalten führe dann in feiner Verlängerung zur Wiffenfchaft
, das köerzitive Verhalten werde von der Magie
repräfentiert, und die Religion fei dem anthropopathifchen

kurzen Anmerkung zu gedenken, ift mir ebenfalls zwei- | Verhalten einzugliedern. In diefem Rahmen gibt Leuba
felhaft.

Auch in Einzelheiten hätte ich manchen Einwand zu
erheben. Am bedenklichften fcheint mir die Darfteilung
Piatos zu fein, deffen Philofophie ganz in alter Manier
als ein Syftem behandelt wird, und auch Piatos moderner
Rivale Schelling kommt infofern etwas fchlecht weg, als
nur feine Identitätsphilofophie Erwähnung findet. Leicht
zu befeitigen ift das Verfehen in der chronologifchen

wie fchon gefagt, eine Reihe feinfinniger Bemerkungen.
Auch fcheint fich die ganze Theorie dadurch zwiefach
zu empfehlen, daß fie einerfeits eine fehr fcharfe Abgrenzung
von Magie und Religion ermöglicht und daß
fie andrerfeits die Beurteilung der Religion von vornherein
perfonaliftifch orientiert. Aber in beiden Beziehungen
bleibt die Betrachtung doch zu oberflächlich
und fie verwickelt fich außerdem in ftarke Selbftwider-

Aufzählung der erften Schriften Kants auf S. 187. j fprüche, wie denn Leuba fchließlich jeden perfonaliftifchen

Aber trotz aller Ausftellungen, die fich machen laffen, j Theismus bedingungslos ablehnt,
ift durchaus nicht zu leugnen, daß fich das Werk durch | Der erfte Abfchnitt ift einleitender Art. Die kritifche

Befprechung der verbreitetften Religionstheorien, die

die Klarheit feiner Sprache, die gefchickte Auswahl der
leitenden Ideen und die intenfive Berückfichtigung der
inneren Zufammenhänge fehr wohl — und vor allem in

Leuba hier gibt, bringt zwar die richtige Einficht fehr
nachdrücklich zur Geltung, daß die Religion nicht einer

dem umfangreicheren zweiten Teil — dazu eignet, eine , beftimmten einzelnen Funktion des menfchlichen Seelen-
.Vorfchule der Philofophie' zu fein. . lebens zugewiefen werden darf, im übrigen aber ift fie

Königsberg Pr. Goedeckemeyer.

Leuba, Prof. James H.: A psychological Study of Religion,

its Origin, Function and Future. (XIV, 371 S.) 8°.
New York, Macmillan Co. 1912. s. 8.6

Mit großer Spannung haben alle, die fich für die
religionspfychologifcbe Arbeit intereffieren, dem Er-
fcheinen diefes Buches entgegengefehen. Denn Leuba
fteht längft unter den nordamerikanifchen Vertretern
diefer Arbeit in der vorderften Linie. Er ift — wie
Starbuck — aus der fog. Hallfchen Pfychologen-Schule
hervorgegangen: vgl. Jahrgang 19C9, S. 660, — hat fich
aber innerhalb diefer befonders durch fein ftärkeres
Intereffe an der ethnologifchen Forfchung eine eigene
Pofition gefchaffen. Doch hatte er fich dabei bisher auf
kleinere Publikationen befchränkt. Neben einer großen
Zahl von Zeitfchriften-Artikeln hatte er bisher nur die
kleine Schrift ,The Psychological Origin and the Nature
of Religion' veröffentlicht, die 1909 in der englifchen
Sammlung ,Religions: Ancient and Modern' erfchienen ift.

Das vorliegende Buch ift alfo die erfte größere
Publikation Leubas. Es befteht aber zur guten Hälfte
in der — meift wörtlichen — Wiedergabe der früheren
Einzelarbeiten. Äußerlich gliedert es fich in vier Haupt-
Abfchnitte: L Das Wefen der Religion. II. Urfprung
von Magie und Religion. III. Die Beziehungen der Religion
zur Moral, zur Mythologie, Metaphyfik und Pfycho-
logie. IV. Die jüngften Formen und die Zukunft der
Religion.

Der zweite Abfchnitt ift der umfangreichfte und
auch inhaltlich der bedeutendfte. Auf ihm beruht der
Wert des Buches. Hier verbinden fich die p fychologifchen

und die ethnologifchen Intereffen Leubas zu fruchtbarer ! auf Seiten Leubas felbft. Gerade feine Alternative und

unzureichend und höchft einfeitig. Am allermeiften gilt
das Schleiermacher gegenüber, dem Leuba in keiner
Weife gerecht wird.

Die Abfchnitte III und IV dienen der Begründung
der eigenen religionsphilofophifchen Stellungnahme Leubas,
d. h. der radikalen Ablehnung alles Theismus. Diefe
Begründung ift überaus dürftig. Was z. B. über das
Verhältnis von Religion und Sittlichkeit gefagt wird, er-
fchöpft fich in der genetifchen Frageftellung und ihrer
evolutioniftifchen Beantwortung. Daß damit der Kern
der Sache überhaupt noch nicht berührt ift, wie das etwa
Titius in feinem Berliner Kongreß-Vortrag fo klar und
fcharf herausgeftellt hat, wird nicht erkannt. Im be-
herrfchenden Mittelpunkt diefer Darlegungen Leubas
fteht aber das Kapitel über das Verhältnis von Theologie
und Pfychologie (S. 207—277). Es gelangt zu dem Ergebnis
, daß die Theologie in empirifche Pfychologie der
religiöfen Erfahrung umzufetzen ift, fofern fie wiffen-
fchaftlich rechtmäßig nur als ein Teilgebiet empirifcher
Pfychologie zu beurteilen und zu betreiben fei. Alle
Verfuche der Theologen, fich diefem Schluß zu entziehen
beruhen, wie Leuba zeigen zu können meint, auf Begriffsverwirrung
, nämlich auf einer verfchiedenartigen Faffung
des Religions- bzw. Gottes-Gedankens. Es fei die ftreno-fte
Alternative zu ftellen zwifchen dem ,metaphyfifchen'
Gottesgedanken des ,Unendlichen' und dem Gottesgedanken
der religiöfen Erfahrung. Der erftere fei der
pfychologifchen Forfchung allerdings unzugänglich, habe
aber auch mit Religion fchlechterdings garnichts zu tun.
Der Gottesgedanke der religiöfen Erfahrung unterftehe
dagegen als folcher der Kompetenz der empirifchen
Pfychologie.

Begriffsverwirrung ift hier tatfächlich im Spiel. Aber