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Ausgabe:

1913 Nr. 25

Spalte:

782-783

Autor/Hrsg.:

Huyskens, Albert (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Der sog. Libellus de dictis quatuor ancillarum s. Elisabeth confectus 1913

Rezensent:

Bonwetsch, Gerhard

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 25.

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Namen nebeneinander aufgenommen find; wer in diefen
Varianten nicht durch fpezielle Studien bewandert ift,
wird zunächft eine ganze Reihe von Namen, wie fie in
den gedruckten Ausgaben der afrikanifchen Literatur
begegnen, gar nicht rinden, zumal M. häufig gerade die
allerungewöhnlichften Namensformen ins Regifter aufgenommen
hat (man verfuche fich in folchen Fällen mit
dem Perfonenregifter zu helfen!). Die Textkritik der Ortsnamen
ift überhaupt die fchwache Seite des Buches; die
eingangs des Werkes mitgeteilte (von Toulotte herrührende
) Auswahl der Handfchriften ift eng und unglücklich,
ihre kritifche Behandlung prinzipienlos und im Refultat
meift verfehlt. Am empfindlichiten drückt der Mangel
eines Infchriftenregifters. Mit geringer Mühe hätte man
in ihm durch Zeichen die Infchriften klaffifizieren können,
und damit wäre das unendliche Material, das in ihnen
fteckt und zur Zeit, folange die Regifter zu den Supplementen
des CIL VIII noch ausftehen, kaum zu verwerten
ift, verfügbar geworden. So aber ift es ganz unmöglich,
einen Überblick zu gewinnen, welche Infchriften M. herangezogen
hat und welche er beifeite gelaffen hat; Maß-
ltäbe dafür werden nirgends angegeben. Der Verfaffer
follte fich entfchließen, wenigftens das Infchriftenregifter
noch nachzuliefern, vielleicht zufammen mit anderen Nachträgen
, die die fb kräftig fo rtfehr ei tende ffanzöfifche Lokal-
forfchung in einigen Jahren darbieten wird.

Berlin-Steglitz. Hans von Soden.

Schulz, Waith.: Der Einfluß Augultins in der Theologie u.
Chriltologle des VIII. u. IX. Jahrh. (XI, 192 S.) gr. 8«.

Halle, M. Niemeyer 1913. M. 5 —

Als Bericht über die theologifchen und chriftologifchen
Auslagen der in den Kreis der Unterfuchung gezogenen
Theologen ift diefe Arbeit fehr brauchbar. Sie ftellt
forgfältig und nach mancherlei Gefichtspunkten zufammen,
was die Quellen enthalten. Mit dem dogmengefchicht- |
liehen Ergebnis kann ich mich aber nicht ganz befreunden.
Zwar ift es richtig, daß die Formeln auguftinifch find
und ebenfalls Auguftin die Probleme liefert. Die Behandlung
der Gottes- und Trinitätslehre in der Theologie des
8. und 9. Jhdts fteht in der Tat unter dem beherrfchen-
den Einfluß Auguftins. Selbft Skotus kann fich ihm nicht
entziehen, mag er auch in feinen Folgerungen den überkommenen
Gottesgedanken gefährden und In feiner
Trinitätslehre von der auguftinifchen Tradition abweichen
und der griechifchen nachgeben. Auch eine ,gewiffe Verwilderung
der dogmatifchen Sprache' kann zugegeben
werden. Aber es war kaum zweckmäßig, die dogmen-
gefchichtliche Stellung der Theologie und Chriftologie
des 8. und 9. Jahrhunderts zu kennzeichnen, ohne die
abendländifche Entwicklung feit Auguftin bis zur karo-
lingifchen Renaiffance aus den Quellen feftgeftellt zu
haben. Hier liegt noch ein recht unbebautes Feld vor
uns. Und wir können nicht abfchließend über die Frage
nach der Bedeutung des 5. ökumenifchen Konzils für die
abendländifche chriitologifche Entwicklung urteilen, ohne
die abendländifchen Quellen des 5—7. Jhdts gründlich
unterfucht zu haben. Sie zu befragen wäre erwünscht
gewesen. Zuo-leich ift auch das Urteil über die
Chriftologie Auguftins hier fehr wefentlich. Schulz
meint, die fränkifche Chriftologie fei ein Ausläufer der
morgenländifchen. Die chriftologifche Grundanfchauung
der Männer der karolingifchen Renaiffance fei nicht
auguftinifch oder abendländifch im Sinne Leo I. Ein bisweilen
unverhüllt hervortretender Doketismus fei die notwendige
Folge einer Anfchauung von der Perfon Chrifti,
nach der allein der Logos das perfonbildende Prinzip in
der Erlöferperfönlichkeit Chrifti fei (S. 190). Aber ift das
unauguftinifch? Ich habe in früheren Unterfuchungen
nachzuweifen unternommen, daß der chriftologifche
Dogmatiker Auguftin diefen Gedanken mit feinen Konfe-
quenzen teilt. Schulz, der offenbar nicht eigene auguftinifche

Unterfuchungen angeftellt hat, gibt auch nichts an, was mich
veranlaffen müßte, meine Darfteilung zu ändern. Vielmehr
beftätigt er fie S. 169. Dann ift aber das von
Schulz formulierte allgemeine Urteil über die dogmen-
gefchichtliche Stellung der Chriftologie der Theologen
des 8. und 9. Jhdts jedenfalls mißverftändlich, und es wird
nicht recht deutlich, warum die karolingifchen Theologen
in die morgenländifche Entwicklungsreihe geftellt werden
(S. 190), wenn fie doch ihren .morgenländifchen',Doketismus
' mit Auguftin teilen (S. 169) und wirkliche Differenzen
weder empfunden wurden noch tatfächlich vorhanden find.
Denn Unterfchiede in der Akzentuierung bedingen noch
nicht ein fo weit reichendes Urteil, wie Schulz es formuliert
.

Tübingen. Scheel.

Der log. Libellus de dictis quatuor ancillarum s. Elifabeth
confectus. Mit Benutzg. aller bekannten Handfchriften
zum erften Male vollftändig u. m. krit. Einführg. hrsg.
u. erläutert v. Alb. Huyskens. (LXXIV, 98 S.) gr. 8°.
I911- M. 6.60

Für die Gefchichte der heiligen Elifabeth find eine
der wichtigften Quellen die Ausfagen der Dienerinnen
Guda und Isentrud im Heiligfprechungsprozeß. Der Bericht
über diefe Ausfagen liegt uns in zwei Rezenfionen
vor, einer kürzeren und einer erheblich längeren, über
deren Verhältnis zwifchen Wenck und Huyskens eine lebhafte
Kontroverfe entbrannt ift. H. legt in dem vorliegenden
Buche die längere Faffung zum erften Male in
kritifcher Ausgabe vor. Für das Verwandtfchaftsverhält-
nis der Handfchriften ftellt er einen komplizierten Stammbaum
auf, den er leider nur in 6 Zeilen erläutert, ohne
feine Konftruktion mit einem Worte zu begründen. Das
ift umfo bedauerlicher, als er einer Hs., gegenüber allen
anderen, eine Sonderftellung einräumt und an einer Stelle
eine von ihm feftgeftellte Lesart eine nicht unwefentliche
Rolle in der Beweisführung fpielt.

Die längere Rezenfion hat vor der kürzeren einen
Prologus, eine Conclusio und außerdem eine Reihe
Erweiterungen im Verlauf der Erzählung voraus. Umgekehrt
hat aber auch der kürzere Text einige Sätze
aufzuweiten, die im längeren fehlen. Der Schluß liegt
nahe: Beide Texte find auf einen Urtext zurückzuführen,
der von verfchiedenen Gefichtspunkten aus bearbeitet
wurde. Wenck ift denn auch diefen Weg gegangen und
hat in genauer Unterfuchung als Urtext das Prozeßprotokoll
, als Bearbeiter des längeren Textes, dem er den
Vorzug gibt, den Deutfchordensprior Ulrich von Dürn
feftgeftellt. Dagegen erklärt H. die längere Rezenfion
nur für eine wenig wertvolle Bearbeitung der kürzeren.
In fehr eingehender Auseinanderfetzung fucht H. sein
Recht Wenck gegenüber zu erweifen. Ein felbftändiges
Urteil über die tatfächliche Lage der Dinge kommt mir
nicht zu. Ich will nur bemerken, daß mir H.s Beweisführung
durchaus nicht überzeugend gewefen ift, obwohl
er die Wiffenfchaftlichkeit feines Vorgehens durch ftändio-e
Hinweise auf — Bernheims Lehrbuch der hiftorifchen
Methode und die ,Gefetze der Logik' zu erweifen fucht!!
Im einzelnen mag H. in manchen Punkten Recht haben.
Mehreres, das Wenck als Beftandteil des Urtextes an-
gefprochen hat, ift vielleicht doch beffer dem Bearbeiter
der längeren Rezenfion zuzuweifen, der es aus mündlicher
Tradition kannte. Allein die Erklärung der Plusstellen
des kürzeren Textes, auf die es vor allem ankam, wenn
H. das Vorhandenfein eines Urtextes leugnet, ift ' nichts
weniger als überzeugend.

So bleibt als Verdienft des Buches die Neuausgabe
des längeren Textes unter Heranziehung aller Handfchriften
und Nebeneinanderftellung mit dem kürzeren
Text, die die Weiterforfchung erleichtert. Durch die
Vergleichung der Handfchriften ift in der Tat eine Les-