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Ausgabe:

1913

Spalte:

51-53

Autor/Hrsg.:

Eckardt, Richard

Titel/Untertitel:

Der christliche Schöpfungsglaube. Grundzüge d. christl. Weltanschauung im Verhältnis zur Philosophie u. Naturwissenschaft dargestellt 1913

Rezensent:

Beth, Karl

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5'

Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 2.

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Biographie Hebichs verwerten konnte; es ift deshalb wohl
die ausreichende und befte Quelle über Hebich. Demgegenüber
fällt das Jörnfche Buch durch feine Ungleich-
mäßigkeit, Einfeitigkeit, merkwürdige Abhängigkeit vom
Englifchen (z. B. der Vater habe dem Sohn die ,kurio-
feften' Stellen aus den Klaffikern liebgemacht S. 5; die
Miffionszöglinge werden S. 37 Studenten genannt) und
fachliche Unkenntnis (S. 33 ift die Basler Miffionsanftalt
mit der Chrifchona, S. 59 das Malayalam mit dem Malay-
ifchen verwechfelt) wefentlich ab, fo daß man nur dem
Schöllyfchen Buche weitere Verbreitung wünfchen kann.

Auf andere Einzelheiten einzugehen oder gar den
Lebenslauf der beiden Männer hier zu f kizzieren, verbietet
der Raum. Aber eine allgemeine Bemerkung fei noch
geftattet. Es ift fchade, daß für den wirklich bedeutend-
ften Basler Miffionsinfpektor das Intereffe nicht fo groß
gewefen und geblieben ift, daß das größere Heffefche
Werk zur Zentenarfeier jetzt wieder hätte aufgelegt werden
können und müffen. Und es ift bezeichnend, freilich ja
auch begreiflich, daß das Lebensbild Hebichs fo viel
mehr Lefer gefunden hat und findet. Denn das Volk
liebt eben nicht Gefchichte und Organifation, fondern
Gefchichten und auffallende Perfönlichkeiten. Bei Jofen-
hans hat man über allerlei kleinen Schwächen und Äußerlichkeiten
anfcheinend feine Bedeutung fchon halb ver-
geffen. Hebich aber, diefes Original, diefer Draufgänger
und wunderliche Heilige, der bei aller Tüchtigkeit doch
fowohl in Indien wie in der Heimat viel Abfonderliches
und Unnormales geleiftet und große Schwierigkeiten
hervorgerufen hat, findet durch die Fülle feiner Wunderlichkeiten
immer wieder Bewunderer. Es wäre doch
wünfchenswert gewefen, wenn Schölly etwas deutlicher
darauf hingewiefen hätte, daß Hebichs Art und Auftreten
keineswegs überall normal war und heutzutage geradezu
unmöglich wäre, oder daß er wenigftens zum Ausgleich
auf die lehrreichen Biographien von Jofenhans, Gundert
und Mögling ausdrücklich hingewiefen hätte, damit kein
falfches Bild und Urteil entflieht.

Frankfurt a. M. W. B o rn e m a n n.

Eckardt, Kirchenr. Rieh.: Der chriftliche Schöpfungsglaube.

Grundzüge der chriftl. Weltanfchaug. im Verhältnis J
zur Philofophie u. Naturwiffenfchaft dargeftellt. (III, >
166 S.) gr. 8°. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 1912.

M- 3 — l geb. M. 3.60

Eckardt will angefichts zahlreicher möglicher Formulierungen
des chriftlichen Schöpfungsbegriffs keine
definitive Formulierung geben, fondern die Elemente aufzeigen
, aus denen fich der chriftliche Schöpfungsbegriff
bilden muß. Da fein Abfehen auf die Heraushebung des
fpezififch chriftlichen Charakters des Schöpfungsbegriffes
gerichtet ift, fo erledigt er zunächft die chriftliche Gewißheitsfrage
und das Schriftprinzip (S. 4—36), um fo-
dann von den ,biblifchen Elementen des chriftlichen
Schöpfungsbegriffs' (37—52) zum Begriff des Schöpfers
(52—88) und der Schöpfung (bis 147) überzugehen. Im
erften Abfchnitt foll die Verwendung der Philofophie tun-
lichft eingefchränkt werden. Daß die Kantifche Erkenntnistheorie
die Pofition der chriftlichen Weltanfchauung
nicht gefährdet, fetzt Verf. als bekannt voraus. Aber
auch die pofitiviftifche Theorie, ,die nur das Erleben als
primäre Wahrnehmung gelten läßt und im übrigen dem
Agnoftizismus huldigt', erfcheint nicht als notwendiger
Gegentrieb gegen die chriftliche Wahrheitsgewißheit, zumal
der Pofitivismus Haeberlins enthebe die Glaubensideen
jeglichem Urteil theoretifchen Erkennens. Aber ,der
Dienft, den die Theologie von der Philofophie anzunehmen
hat, befteht in der Hauptfache darin, der Philofophie die
Notwendigkeit der Selbftbefcheidung darzutun und die
Theologie vor Seitenfprüngen in das Gebiet einer veralteten
Metaphyfik zu bewahren'. (Diefer Satz ift zugleich
eine unglückliche Stilprobe!) E.s Abneigung gegen
jeden Verfuch, den Denkprozeß auch phyfiologifch zu
begreifen und die Denkergebniffe aus vorausgegangener
finnlicher Wahrnehmung herzuleiten, geht fo weit, daß
nach ihm das aus logifchem Zwang entfliehende Urteil
,auch im (siel) Gegenfatz zur finnlichen Wahrnehmung
tritt' (S. 119). Das hierfür angeführte Beifpiel, daß die
einfache Wahrnehmung für die Bewegung der Sonne
um die Erde fpreche, befagt jedoch nur, daß unfere
finnliche Wahrnehmung in diefem Falle eine unvoll-
ftändige ift. — Als objektive Bürgschaft für die chriftliche
Gewißheit gilt daher ,allein die gefchichtliche
Perfon Jefu', und wenn es einen befonderen chriftlichen
Schöpfungsbegriff gibt, fo muß fich deutlich machen
laffen, ,daß der chriftliche Schöpfungsglaube der inneren
Erfahrung des wirklichen Gottes entflammt, die in einem
befonderen feelifchen Zuftand an Jefus gemacht wird'.
Wenn fodann ,die Weltauffaffung Jefu, wie fie im Zeugnis
feiner Jünger vermittelt ift', als die einzige Bafis des
chriftlichen Schöpfungsglaubens genannt ift, fo darf fich
Verf. wohl die Frage gefallen laffen, wie die Objektivität
diefer Inftanz befchaffen fei, wenn Jefus nur eine irgendwie
erlebte Wirklichkeit von etwas ift, das in der genialen
Intuition irgendeines großen Unbekannten auftauchte
(S. 33). Indem nämlich E. den .modernen Rationalismus'
der Bouffet und Troeltfch ablehnt, verzichtet er trotz des
angegebenen hiftorifchen Fundaments der Gewißheit und
des Schöpfungsbegriffs auf die Notwendigkeit der Ge-
fchichtlichkeit der Perfon Jefu und kommt der von
A. Drews gefchaffenen kritifchen Lage fo weit entgegen:
,Auch die Frage nach der Gefchichtlichkeit der Perfon
Jefu felbft kann der Gläubige, wenn er den letzten Grund
feiner Glaubensgewißheit und der aus ihr erwachfenen
Weltanfchauung prüft, mit der Berufung auf Erfahrung
beifeite fchieben. Ift er in der Perfon des biblifchen
Jefus feines Gottes gewiß geworden, fo wird ihm die
Frage nach der Exiftenz diefer Perfon, deren überwältigende
Macht er erprobt hat, angefichts ihrer realen
Wirkung gegenftandslos.' Wie diefer nachträgliche Verzicht
auf die Gefchichtlichkeit Jefu mit der exklufiven
Fundamentierung der chriftlichen Gewißheit auf die Erkenntnis
eben derfelben Gefchichtlichkeit nicht in Einklang
gebracht ift, fo finden fich weiterhin nicht unerhebliche
Ungeklärtheiten. Die unmittelbare Erfahrung,
auf der die Gewißheit einer transzendenten Welt ruht,
ift nach E. Jefus, und von ihm heißt es trotz der obigen
Konzeffion an die .Ungefchichtlichkeit': ,Das Wefen Jefu
ift dem Chriften die Norm, an der nicht zu rütteln ift,
und zugleich das Mittel zur Verwirklichung diefer Norm';
denn ,der überzeitliche Normzwang, den Jefus noch jetzt
übt', nötigt zur Anerkennung feiner Überweltlichkeit.
Der Umftand, daß E. der Theologie jedes berichtigende'
Eingreifen in naturwiffenfehaftliche Theorien verwehrt —
und dies felbftverftändlich mit vollem Recht — und überhaupt
der Naturwiffenfchaft grundfätzlich keinen Raum
bei theologifchen Problemen geftatten möchte, hindert
ihn nicht, feinerfeits naturwiffenfehaftliche Äußerungen,
wie die der 46 Subfkribenten der Häckelerklärung zu
kritifieren (S. 12) oder felbft die moderne Naturforfchung
zur Stützung eines theologifchen Dogmas heranzuziehen,
wie z. B. (S. 92 f.) die Elektronen- und die Pyknofetheorie,
um darzutun, daß die Materie einen Anfang gehabt haben
muß. Und wenn E. (S. 62 in einem, beiläufig bemerkt,
unvollftändigen Satze) an Wobbermin tadelt, daß diefer
aus dem Ineinandergreifen der Wechfelwirkungen der
Einzelexiftenzen zur Annahme eines einheitlichen Weltgrundes
gelangt, fo meint er doch felbft (S. 73), daß dem
chriftlichen Glauben ,aus der Kontinuität des Weltge-
fchehens' eine einheitliche göttliche Zweckfetzung folgt.
Durch diefe Proben fei die Feftigkeit des Verfaffers in
der Handhabung wiffenfehaftlicher Prinzipien hinreichend
gekennzeichnet. — Die Schöpfung felbft bedeutet nach
E. die Herftellung von Realitäten, ,das Transzendent-