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Ausgabe:

1913

Spalte:

730-731

Autor/Hrsg.:

Nes, H. M. van

Titel/Untertitel:

Historie, Mythe en Geloof. Jezus Christus en de hehendaagsche wetenschap 1913

Rezensent:

Bauer, Walter

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 23.

730

gegen Ungerechtigkeit und Druck und zu bauen an dem
Bau der fozialen Gerechtigkeit. Gewiß, ideale Zuftände
werden nicht kommen. Daran hindert, wie es die Kirche
in ihrer Formulierung vom relativen Naturrecht ausdrückte
, die Sünde. Aber es ift der Mühe wert, gegen
alle Sündenwirkungen im fozialen Leben anzugehen.
Das chriftliche foziale Naturrecht ift unwiederbringlich
dahin; aber ein befferer Erfatz ift der Kirche gefchenkt'.

Über diefen Erfatz kann an diefer Stelle nicht verhandelt
werden. Ich glaube, daß ein fo allgemeiner und
dabei noch fo verklaufulierter Gedanke im Wefentlichen
alles beim Alten läßt, und daß es beffer wäre, die Kirche
vernichte das religiöfe Leben felbft wieder zu neuer
Kraft und zur Affimilation des heutigen Geifteslebens zu
bringen, und begnügte fich im übrigen damit, die empor-
ftrebenden politifchen und fozialen Neubildungen wenig-
ftens nicht zu hindern, wie fie es heute in der Gefangen-
fchaft des Staates und der herrfchenden Parteien meiften-
teils tut. Allein wer hier recht hat, das kann nur die
Zukunft zeigen. Hier kann nur die verftändnisvolle Sorgfalt
der Brofchüre und ihr edler Wille anerkannt werden.
Die Punkte, in denen der Verfafler mir entgegentritt,
beziehen fich wefentlich auf meine Durchbrechung der
rein oder ganz überwiegend ideologifchen Anfchauung
von der Entwicklung des Chriftentums, auf die Herleituno
- gewiffer Ideen aus der realen Lage ftatt umgekehrt
. Es ift das gleiche, was den Widerfpruch Wernles
herausgefordert hat: die relative Anerkennung der öko- |
nomifchen und foziologifchen Gefchichtsauffaffung. Das
zeigt fich befonders in dem Proteft gegen meine ,Unter- |
fchätzung' Auguftins. Allein mit Sommerlad und v. Eicken j
darf man hier gar nicht arbeiten, das find völlig falfche
Konftruktionen. Meine Äußerungen über Auguftin beruhen
auf der äußerft forgfältigen Unterfuchung der |
Brüder Carlyle, A history of mediaeval political theory I
in the West I 1903, und auf der Einficht in die Grundbedingungen
der mittelalterlichen Kultur, die nur zum |
kleinen Teile aus ,Ideen' erwachfen ift. Der Verfuch, die |
fozialkonfervative und die fozialrevolutionäre Entwicklung
gleicher Weife an Auguftin anzuknüpfen, fetzt m. E. eine
viel zu einfache Dialektik der geiftigen Entwicklung und
überdies eine arge Überfchätzung des ideologifchen Elementes
in fich. Die Soziallehren Auguftins find eine Frage
für fich und gehören mehr der chriftlichen Antike als |
dem Mittelalter an, wie ich in Bälde zu zeigen hoffe.
Aus dem gleichen Grunde, weil die Entwicklung eben
nicht rein ideologifch als Ideen- und Literaturgefchichte
gezeichnet werden kann, habe ich auf die Darftellung der
unendlich verwickelten Verhältniffe feit der Aufklärung
verzichtet. Hier fehlen noch die Vorarbeiten. Noch gibt
es keine Gefchichte des Liberalismus, keine moderne
Sozialgefchichte und Wirtfchaftsgefchichte. In diefer Lage
kann man eine Darfteilung der gegenfeitigen Wechfel-
wirkung diefer Tendenzen und Verhältniffe noch nicht
wagen.

Heidelberg. _Troeltfch.

Traub, Gottfr.:lch fuche dich, Gott! Andachten. 1.—3. Tauf.
(III, 246 S.) 8°. Jena, E. Diederichs 1912. M. 3 —;

geb. M. 4 —

Diefe Andachten find in den Jahren 1909—1911 in
der ,Hilfe' veröffentlicht und nunmehr in einem Bande,
doch ohne fyftematifche Ordnung, für die weiten Kreife
des Publikums erfchienen. Da ich fie in der Hilfe nicht
kennen gelernt hatte, habe ich fie felbftverftändhch unter
dem Eindruck des Gefchicks gelefen, das den Verfaffer 1
inzwifchen betroffen hat. Ich muß geftehn: ich bin auf
das Schmerzlichfte davon berührt, daß die Preußifche
Landeskirche fich als zu fchwach erwiefen hat, einen
Mann im Amte zu dulden, der folche Andachten darbietet
, und daß man nicht einen Weg gefunden hat, diefe
hervorragende Kraft der Landeskirche zu erhalten 1 Mögen I

recht viele aus unferm Volke, zumal aus den gebildeten
Kreifen, diefes Buch langfam und mit Nachdenken lefen!
Sie werden Freude, Anregung und Förderung ihres inneren
Lebens daraus fchöpfen, zugleich freudiges Verftändnis
für die ganze Größe und den unerfchöpflichen Reichtum
echten Chriftentums. Ernft, Wirklichkeitsfinn, Mannigfaltigkeit
der Gedankenreihen, lebensvolle Bewegung in
der Darftellung zeichnen diefe Andachten aus, in denen
man zugleich gefunden Erdgeruch und echte Himmels-
fehnfucht fpürt. Die einzelnen Themata find außerordentlich
gefchickt, ihre Durchführung ift knapp, treffend, originell
. Über der Kraft und Anmut der Gedanken liegt
der zarte Hauch echter, volkstümlicher Poefie. Die Ausführung
enthält nicht viel Bibelworte, auch nicht viel Gefchichte
und Gefchichten, aber fie atmet den Geift des
Evangeliums und fteht mitten in der lebendigen Gegenwart
. Möglich, daß der kraftvolle, vorwärts drängende
Sinn hie und da zu Einfeitigkeiten geführt hat; aber das
Ganze ift geboren aus einem Herzen voll Liebe zu den
Menfchen. Möge es feine bauende Wirkung nicht verfehlen
1

Frankfurt a/Main. W. Bornemann.

Referate.

Die Kultur der Gegenwart. Ihre Entwickig. u. ihre Ziele. Hrsg. v.
Paul Hinneberg. 1. TL, VIII. Abtlg. Die griechifche u. la-
teinifche Literatur u. Sprache. Von U. v. Wilamowitz-Moellen-
dorff, K. Krumbacher(f), J. Wackernagel, Fr. Leo, E. Norden,
F. Skutfch. 3., stark verb. u. verm. Aufl. (VIII, 582 S.) Lex. 8".
Leipzig, B. G. Teubner 1912. M. 12; geb. M. 14 —

Das auch für jeden Theologen unentbehrliche Werk, deffen
erfte Auflage ich ThLZ. 1906 Sp. 236ff angezeigt habe, hat 1907
die zweite und 1912 die vorliegende dritte Auflage erlebt. Mit
Recht darf fie ,verbeirert' und .vermehrt' genannt werden. Am
meiften bereichert ift die Darftellung der griechifchen Literatur
von Wilamowitz; Leo hatte feine Skizze der römifchen Literatur
fchon in der 2. Auflage um ein Drittel vermehrt. Aber auch
die fonftigen Beiträge find mehr oder weniger verändert, am
wenigften der des verewigten Krumbacher, deffen Literaturüber-
flcht P. Maas durch Hinweife auf neuere Arbeiten ergänzt hat. Der
ganze wundervolle Band gehört zweifellos zu den Teilen des Ge-
famtwerkes, die fein Programm am beften verwirklicht haben.
Berlin-Wilmersdorf. Adolf Deißmann.

Hühn, Pfr. Dr. Eug.: Einführung in die bibliTchen Bücher. 2. Heft.
Die gefchichtlichen Bücher des Alten Teftaments von den
Richtern bis zu Nehemia, nebft Ruth, Efther u. Jona. (IV,
168 S.) kl. 8«. Tübingen J. C. B. Mohr 1913. M. 1.50

Den gefchichtlichen Büchern fügt H. merkwürdigerweife
noch Ruth, Efther und Jona bei. Auf die Inhaltsangabe der einzelnen
gefchichtlichen Bücher folgen Abfchnitte über die ifrae-
litifche Gefchichtsfchreibung, die Abfaffung der gefchichtlichen
Bücher und die außerbiblifchen Nachrichten, von denen wenig-
ftens die wichtigften genannt find. Ein letzter ausführlicher Abfchnitt
fchildert die politifche und religiöfe Entwicklungder Ifraeliten von der
Zeit der Anfiedlung in Paläftina an bis zur Wiederherftellung des
jüdifchen Staatswefens nach dem Exil. — Diefes zweite Heft ift
beffer als das erfte (vgl. ThLZ 1910, Nr. 11); neben den literar-
kritifchen Fragen kommt das Literarhiftorifche zu feinem vollen
Recht. Während die Geftalten der Propheten im gefchichtlichen
Überblick genügend gewürdigt werden, fehlt dem Vf. das Verftändnis
für die geiftige Neufchöpfung des Judentums im und
unmittelbar nach dem Exil. Die Tendenz des Chroniften befchreibt
H. richtig; den religiöfen Charakter der älteren ,gefchichtlichen'
Bücher dürfte er ftärker betonen.
Tübingen. Volz.

van Nes, Hoogl. Dr. H. M.: Historie, Mythe en Geloof. Jezus
Christus en de hedendaagsche wetenschap. (XII, 170 S.) 8°.
Leiden, Buchh. u. Druckerei vorm. E. J. Brill 1912. fl. 1.50
Diefes Buch kann man am beften kurz charakterifieren als
ein holländifches Gegenftück zu K. Dunkmanns Schrift ,Der
hiftorifche Jefus, der mythologifche Chriftus und Jeffs der Chrift'
2. Aufl. 1911. Es ift aus drei Vorträgen erwachfen, die in etwas
erweiterter Geftalt mitgeteilt werden und von einer Anzahl Anmerkungen
gefolgt find. Die drei Stichworte des Titels geben